zurück
Marktheidenfeld
In der Marktheidenfelder Stadtbibliothek müssen Bücher in Quarantäne
Die Marktheidenfelder nutzen ihre Bibliothek –weit häufiger, als die meisten anderen Menschen in Bayern. Leiterin Susanne Wunderlich erzählt, was in der Pandemie gelesen wird.
'Wir sind keine stereotypischen Bibliothekare mit Dutt', sagt die Leiterin der Stadtbibliothek Susanne Wunderlich über sich und ihr Team.
Foto: Martin Hogger | "Wir sind keine stereotypischen Bibliothekare mit Dutt", sagt die Leiterin der Stadtbibliothek Susanne Wunderlich über sich und ihr Team.
Martin Hogger
Martin Hogger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:17 Uhr

Die Marktheidenfelder Bibliothek ragt im bayerischen Vergleich heraus. Das zeigt eine Kennzahlenanalyse auf Basis des Bibliotheksmonitors der Deutschen Bibliotheksstatistik. Der Anteil von Entleihern an Einwohnern liegt bei 21 Prozent, Durchschnitt in Bayern sind etwa elf. 5,2 Mal besuchte jeder Einwohner die Bibliothek, Durchschnitt in Bayern sind 2,3. Seit dem Jahr 2009 leitet Susanne Wunderlich die Marktheidenfelder Bibliothek. Im Interview spricht sie über die Lesegewohnheiten der Marktheidenfelder, über ihr aktuelles Lieblingsbuch und warum sie anfangs lieber ins Hotelgewerbe ging. 

Frage: Sie kommen aus Bad Mergentheim. Wie hat es Sie hierher verschlagen? 

Wunderlich: Ich habe in Köln Bibliothekswesen studiert und danach in den Stadtbibliotheken Saarbrücken und Bad Kreuznach gearbeitet. Aber ich wollte wieder zurück nach Süddeutschland. Und dann gab's in Marktheidenfeld diese Stelle. Witzig finde ich: Ich habe im Hotel Anker eine Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht und danach erst studiert. Das ist hier zwei Häuser weiter (lacht). 

Wieso erst die Ausbildung?

Wunderlich: 1999 war ich Abiturientin. Das war genau die Zeit, wo das Internet hochkam und explodiert ist. Viele haben damals gesagt: In zwei Jahren gibt es keine Bücher mehr. Dann habe ich mir erst mal etwas Sicheres gesucht. 

Ich höre da raus, dass Sie immer schon was mit Bücher zu tun haben wollten?

Wunderlich: Schon. Wobei: Obwohl ich hier von Büchern umgeben bin, lese ich genauso viel wie jeder andere auch. Diese Frage kommt immer wieder und ich sag dann: Ich lese die Inhaltsangaben, fertig. Ich mag meinem Job, weil es ein sehr kommunikativer und kreativer Job ist.

Was war das beste Buch, das Sie vergangenes Jahr gelesen haben? 

Wunderlich: Ich kann mir nie die Titel und ihre Verfasser merken, aber ich weiß, wo es liegt. "Weißer Schnee" von Robert Galbraith, das ist das Pseudonym von Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling, unter dem sie eine Krimi-Reihe schreibt, die in London spielt. Ich hab einen gehört und einen gelesen. Ich konnte das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen.

Was hat Ihnen daran so gefallen? 

Wunderlich: Es ist spannend, aber nicht zu gruselig. 

Von Ihnen zu den Marktheidenfeldern: Was lesen denn die gerne?

Wunderlich: Hier, wie überall anders auch, lesen Erwachsene gern Krimis. Darunter sind auch viele Regionalkrimis, deren Schauplätze nicht nur in Franken, sondern in ganz Deutschland liegen. Dazu kommen die Klassiker: Familien- und Liebesgeschichten, Herzschmerz-Romane. 

Hat sich da irgendwas durch die Pandemie geändert? 

Wunderlich: Tatsächlich. Die Zahl der ausgeliehenen Krimis stieg, weil die Leute in eine "normale" Welt flüchten konnten. Der Trend ging außerdem in Richtung Handarbeitsbücher, Bastelbücher, Gartenbücher und Kochbücher. Eben alles, was man Zuhause machen kann. Im Sommer waren die regionalen Reiseführer sehr gefragt. Bei den Kindern ist die Rollenverteilung noch ziemlich klar: bei den Mädchen alles was glitzert, Jungs faszinieren Monster. 

Gibt es Genres, die mehr Aufmerksamkeit verdient hätten?

Wunderlich: Zeitfragen, wie Wirtschaftskrisen, Corona oder Biographien von bekannten Persönlichkeiten. Die haben wir auch, aber das scheinen Nischenprodukte zu sein. 

In Marktheidenfeld sind die Entleihungen pro Einwohner doppelt so hoch wie im Bayernschnitt, die Besuche pro Einwohner ebenfalls. Warum?

Wunderlich: Das hört sich jetzt so an, als würde ich Eigenlob betreiben (lacht). Natürlich hat es mit diesem Gebäude zu tun. Das alte war im Winter eiskalt, im Sommer viel zu heiß. Aber da waren unsere Zahlen auch immer schon sehr gut. Es liegt vermutlich auch an dem Medienangebot, das liegt an den Veranstaltungen, die wir seit Jahren machen. Und – das kann man eigentlich nicht schreiben, weil es total bescheuert klingt (lacht) – es liegt natürlich auch an uns. Wir sind keine stereotypischen Bibliothekare mit Dutt. Wir sind kommunikativ, wir sind offen, wir reden mit den Leuten. Und wenn jemand nach dem Buch X fragt, dann haben wir das auch oder beschaffen es. Die Leute fühlen sich hier wohl und das haben sie auch schon im alten Haus. Alles andere kann ich nicht beeinflussen. 

Sie haben extra Maßnahmen getroffen, um auch in der Pandemie verleihen zu können. 

Wunderlich: Wir verleihen Medien gerade nur über eine Selbstbucher-Theke und nehmen sie nur über die Außenrückgabe zurück. Alles was zurückkommt, ist erst einmal drei Tage in Quarantäne. Danach wird's desinfiziert. Für Personen mit hohem Infektionsrisiko packen wir auch Büchertaschen.

Die zurückgegeben Bücher werden drei Tage lang in Quarantäne gesteckt und dann gereinigt.
Foto: Martin Hogger | Die zurückgegeben Bücher werden drei Tage lang in Quarantäne gesteckt und dann gereinigt.
Ist das nicht ein enormer Aufwand? 

Wunderlich: Ein extremer sogar. Wir haben immer Berge von Büchern. Aber das gibt uns ein gutes Gefühl, und unseren Leserinnen und Lesern hoffentlich auch.

Veranstaltungen scheinen Ihnen sehr wichtig zu sein. Ein Date mit einem Buch, ein Autokino für Kinder. Die Bibliothek hat da schon viel gemacht. Über Corona hinaus: Wollen Sie das ausbauen? 

Wunderlich: Ja. Wir arbeiten viel mit Schulen zusammen, mit der VHS, mit der Stadtverwaltung. Aber ganz konkret kann ich in der aktuellen Situation noch nichts sagen. 

Hat sich das Leseverhalten eigentlich verändert?

Wunderlich: Schwer zu sagen: Die E-Book-Ausleihen sind gestiegen, aber die von normalen Büchern auch. Rückläufig sind Filme, Hörbücher und Musik-CDs.

Haben Sie eine Ahnung, wieso das so ist? 

Wunderlich: Netflix, Amazon, Spotify. Die haben sich einfach etabliert.

Bieten Sie etwas an, von dem Sie sagen: Das ist wirklich cool. Das hätte mehr Aufmerksamkeit verdient?

Wunderlich: Wir haben seit diesem Jahr einen Zugang zu Brockhaus-Online. Das ist ein Nachschlagewerk und vor allem für Schüler interessant, weil die ja oft nicht aus Wikipedia zitieren dürfen. Normalerweise würde ich auch ein Schülertraining machen, aber das fällt ja gerade flach. 

Vor wenigen Wochen waren Sie im Stadtentwicklungsausschuss und haben da einen Satz gesagt, den ich sehr gut fand: "In der Bibliothek sind alle herzlich willkommen, auch diejenigen, denen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nicht immer in den Schoß fällt."

Wunderlich: Wir sind ein öffentlicher Ort für alle. Wir haben die Aufgabe, dass wir allen die Möglichkeit bieten, sich zu informieren. Wir haben kostenloses WLAN, wir haben Arbeitsplätze, wir haben einen Drucker. Hier darf jeder rein, egal wie viel Geld man hat, unabhängig von sozialen Schichten.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Marktheidenfeld
Martin Hogger
Abiturientinnen und Abiturienten
Amazon
Bibliothekarinnen und Bibliothekare
Bibliotheken
Bücher
Erwachsene
Gesellschaft und Bevölkerungsgruppen
Internet
Kinder und Jugendliche
Reiseführer
Schülerinnen und Schüler
Wikipedia
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top