Die Marktheidenfelder Bibliothek ragt im bayerischen Vergleich heraus. Das zeigt eine Kennzahlenanalyse auf Basis des Bibliotheksmonitors der Deutschen Bibliotheksstatistik. Der Anteil von Entleihern an Einwohnern liegt bei 21 Prozent, Durchschnitt in Bayern sind etwa elf. 5,2 Mal besuchte jeder Einwohner die Bibliothek, Durchschnitt in Bayern sind 2,3. Seit dem Jahr 2009 leitet Susanne Wunderlich die Marktheidenfelder Bibliothek. Im Interview spricht sie über die Lesegewohnheiten der Marktheidenfelder, über ihr aktuelles Lieblingsbuch und warum sie anfangs lieber ins Hotelgewerbe ging.
Wunderlich: Ich habe in Köln Bibliothekswesen studiert und danach in den Stadtbibliotheken Saarbrücken und Bad Kreuznach gearbeitet. Aber ich wollte wieder zurück nach Süddeutschland. Und dann gab's in Marktheidenfeld diese Stelle. Witzig finde ich: Ich habe im Hotel Anker eine Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht und danach erst studiert. Das ist hier zwei Häuser weiter (lacht).
Wunderlich: 1999 war ich Abiturientin. Das war genau die Zeit, wo das Internet hochkam und explodiert ist. Viele haben damals gesagt: In zwei Jahren gibt es keine Bücher mehr. Dann habe ich mir erst mal etwas Sicheres gesucht.
Wunderlich: Schon. Wobei: Obwohl ich hier von Büchern umgeben bin, lese ich genauso viel wie jeder andere auch. Diese Frage kommt immer wieder und ich sag dann: Ich lese die Inhaltsangaben, fertig. Ich mag meinem Job, weil es ein sehr kommunikativer und kreativer Job ist.
Wunderlich: Ich kann mir nie die Titel und ihre Verfasser merken, aber ich weiß, wo es liegt. "Weißer Schnee" von Robert Galbraith, das ist das Pseudonym von Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling, unter dem sie eine Krimi-Reihe schreibt, die in London spielt. Ich hab einen gehört und einen gelesen. Ich konnte das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen.
Wunderlich: Es ist spannend, aber nicht zu gruselig.
Wunderlich: Hier, wie überall anders auch, lesen Erwachsene gern Krimis. Darunter sind auch viele Regionalkrimis, deren Schauplätze nicht nur in Franken, sondern in ganz Deutschland liegen. Dazu kommen die Klassiker: Familien- und Liebesgeschichten, Herzschmerz-Romane.
Wunderlich: Tatsächlich. Die Zahl der ausgeliehenen Krimis stieg, weil die Leute in eine "normale" Welt flüchten konnten. Der Trend ging außerdem in Richtung Handarbeitsbücher, Bastelbücher, Gartenbücher und Kochbücher. Eben alles, was man Zuhause machen kann. Im Sommer waren die regionalen Reiseführer sehr gefragt. Bei den Kindern ist die Rollenverteilung noch ziemlich klar: bei den Mädchen alles was glitzert, Jungs faszinieren Monster.
Wunderlich: Zeitfragen, wie Wirtschaftskrisen, Corona oder Biographien von bekannten Persönlichkeiten. Die haben wir auch, aber das scheinen Nischenprodukte zu sein.
Wunderlich: Das hört sich jetzt so an, als würde ich Eigenlob betreiben (lacht). Natürlich hat es mit diesem Gebäude zu tun. Das alte war im Winter eiskalt, im Sommer viel zu heiß. Aber da waren unsere Zahlen auch immer schon sehr gut. Es liegt vermutlich auch an dem Medienangebot, das liegt an den Veranstaltungen, die wir seit Jahren machen. Und – das kann man eigentlich nicht schreiben, weil es total bescheuert klingt (lacht) – es liegt natürlich auch an uns. Wir sind keine stereotypischen Bibliothekare mit Dutt. Wir sind kommunikativ, wir sind offen, wir reden mit den Leuten. Und wenn jemand nach dem Buch X fragt, dann haben wir das auch oder beschaffen es. Die Leute fühlen sich hier wohl und das haben sie auch schon im alten Haus. Alles andere kann ich nicht beeinflussen.
Wunderlich: Wir verleihen Medien gerade nur über eine Selbstbucher-Theke und nehmen sie nur über die Außenrückgabe zurück. Alles was zurückkommt, ist erst einmal drei Tage in Quarantäne. Danach wird's desinfiziert. Für Personen mit hohem Infektionsrisiko packen wir auch Büchertaschen.
Wunderlich: Ein extremer sogar. Wir haben immer Berge von Büchern. Aber das gibt uns ein gutes Gefühl, und unseren Leserinnen und Lesern hoffentlich auch.
Wunderlich: Ja. Wir arbeiten viel mit Schulen zusammen, mit der VHS, mit der Stadtverwaltung. Aber ganz konkret kann ich in der aktuellen Situation noch nichts sagen.
Wunderlich: Schwer zu sagen: Die E-Book-Ausleihen sind gestiegen, aber die von normalen Büchern auch. Rückläufig sind Filme, Hörbücher und Musik-CDs.
Wunderlich: Netflix, Amazon, Spotify. Die haben sich einfach etabliert.
Wunderlich: Wir haben seit diesem Jahr einen Zugang zu Brockhaus-Online. Das ist ein Nachschlagewerk und vor allem für Schüler interessant, weil die ja oft nicht aus Wikipedia zitieren dürfen. Normalerweise würde ich auch ein Schülertraining machen, aber das fällt ja gerade flach.
Wunderlich: Wir sind ein öffentlicher Ort für alle. Wir haben die Aufgabe, dass wir allen die Möglichkeit bieten, sich zu informieren. Wir haben kostenloses WLAN, wir haben Arbeitsplätze, wir haben einen Drucker. Hier darf jeder rein, egal wie viel Geld man hat, unabhängig von sozialen Schichten.