August Jeßberger übergab seine „Baumhof-Tenne“ jetzt an Tochter Nadine, der „Mainblick“ von Karlheinz Eberlein ist nur noch Hotel garni (er serviert auch an Fasching nicht mehr seine legendären Schnickerli), die Franck-Stube hat den abendlichen Restaurant-Betrieb aufgegeben und reicht tagsüber Frühstück und kleine Gerichte, Jutta Schmelz vom Antik-Café trägt sich mit Verpachtungsgedanken – klammert sich die ehedem in weitem Umkreis so geschätzte Gastronomie an den absteigenden Ast?
„Den Marktheidenfelder Gasthäusern gehen die Köche aus!“ – dieser Hilferuf drang in die Redaktion der Main-Post. Muss die Stadt um ihr anerkannt qualitatives kulinarisches Ansehen fürchten?
„Keinesfalls!“, macht Wirtesprecher Mäx Tauberschmitt deutlich. Das Gegenteil scheine eher der Fall: Nach wie vor bräuchten die Restaurants und Speiselokale nicht über Gästemangel zu klagen. Womit sie aber derzeit kämpfen, ist ein Mangel an Nachwuchsköchen. Und die Zukunft zeige gar einen Koch- und auch Service-Notstand.
Kaum Angst um die Leistungsfähigkeit ihrer Küche brauchen da die drei „großen“ Häuser „Schöne Aussicht“, „Anker“ oder „Löwen“ aufkommen zu lassen: Sie können es sich gar nicht leisten, ihre Gäste vor leeren Tellern sitzen zu lassen. Wolfgang Roth von der „Aussicht“ beschäftigt sechs Köche und sucht einen weiteren. Dr. Josef Deppisch vom „Anker“ ist personell auch langfristig gut ausgestattet, und zwar so, dass er seinen Küchenmitarbeitern relativ zumutbare Arbeitszeiten bieten kann. Ebenfalls in einer relativ glücklichen Personalsituation sieht sich Birgit Fleischmann-Müssig vom „Löwen“. Sie beschäftigt einen Koch, ist selbst ausgebildete Köchin und kann auf zwei Küchenhilfen bauen.
Zufrieden sind derzeit noch Thomas und Elvira Karpf vom „Bräustüble“. Dort stehen der Chef, ein Koch, eine Köchin und sogar drei Auszubildende hinter dem Herd. Nadine Jeßberger von der Baumhof-Tenne und ihr Partner Boris Tönnessen sind zwar ausgebildete Hotelfachleute, aber keine gelernten Köche. Sie nutzen den jahrelangen Erfahrungsschatz von August und Gudrun Jeßberger und verdienen sich ungeteiltes Lob ihrer Gäste damit. Im „Madeleine“ kämpft Norbert Becker nach eigener Aussage am Limit – obwohl er zwei festangestellte Köche beschäftigt und selbst mittendrin steht. „Abends müssen wir fast immer zu dritt sein, insbesondere in den zwei bis drei Kernstunden.“
Das flaue Interesse der Köche an der Gastronomie schiebt er auf die unregelmäßigen Arbeitszeiten an Wochenenden oder an Abenden. Auch die Bezahlung sei gerade mal so, dass sie sich ein kleiner, oft familiengeführter Betrieb leisten kann. Zwischen 1100 und 1400 Euro netto bringt ein Familienvater in der Regel nach Hause. Relativ wenig für einen erheblichen Verzicht auf Familienleben. Das tarifliche Einstiegsgehalt für einen ausgelernten Koch liegt bei 1906 Euro brutto, nach drei Jahren bei 2096. Damit fängt ein Alleinkoch an, drei Jahre später gibt es für ihn 2301 Euro. Der Tarifvertrag läuft Ende Februar aus.
Der ausgebildete Konditor Rainer Väth hatte zusammen mit einem befreundeten Koch den Plan, die Franck-Stube in der Untertorstraße am Tag als Café/Bistro zu betreiben: Er wollte tagsüber Gäste zufrieden stellen, sein Kompagnon mit den Leistungen eines Restaurants am Abend. „Leider wurde das abendliche Speiselokal nicht wie gewünscht angenommen. Das hat sich für zwei Inhaber nicht gerechnet.“
Dabei war es sicher kein Qualitätsmangel – eher das Gegenteil. Im Franck-Haus wollte man Hochwertiges wie Kalb, zahlreiche Fischvariationen, Filet oder Wild servieren, vor allem kein Schwein auftischen. Das hat der Gast nicht angenommen, obwohl solche kulinarischen Genüsse durchaus ihre Liebhaber finden – wenngleich in einem Speiselokal zu wenig. Heute bereichert der Koch das Hotel „Zur schönen Aussicht“. Rainer Väth beschränkt sich an sechs Tagen auf Frühstück, Kaffee und Kuchen, Snacks und kleine Gerichte sowie selbst gemachte Süßigkeiten.
„Das Problem in Küche und Service wird aber in Zukunft größer werden“, prophezeit Birgit Fleischmann-Müssig. Man finde kaum noch Auszubildende, die unverzichtbare Zukunftsperspektive in der Gastronomie. Deswegen entlässt sie auch in der schwachen Jahreszeit niemanden, weil sie befürchten muss, dass sich ein Koch umschaut und in einer Kantine, einer Klinik oder in einem Altenheim einen Job mit geregelter Arbeitszeit findet.
Obwohl durch die vielen Küchensendungen im Fernsehen der Beruf des Kochs an Ansehen gewonnen und deutlich gemacht habe, dass Kochen eine Kunst sein kann, lassen die geburtenschwachen Jahrgänge ihrer Meinung nach nicht viel Optimismus zu. „Wenn andere feiern oder Familienleben genießen, herrscht in der Gastronomie Hochbetrieb. Das wird uns das Leben künftig noch schwerer machen.“