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Lohr
Im Nebel des Nichtgesagten: Autorinnenlesung im Bezirkskrankenhaus in Lohr
Wolfgang Weismantel
 |  aktualisiert: 13.11.2022 02:29 Uhr

Unter dem Titel "Kriegsenkel" lesen die Autorinnen Stefanie Gregg und Krystyna Kuhn am Montag, 14. November, im Festsaal des Bezirkskrankenhauses in Lohr aus zwei ihrer Romane. Beide verbindet dabei, wie Traumata der Kriegsgeneration an die folgenden Generationen weitervererbt werden und bis in unsere Zeit wirken. Aus wissenschaftlicher Sicht wirft der ärztliche Direktor Dominikus Bönsch anschließend in einem Vortrag einen weiteren Blick auf das Thema.

In Lohr aufgewachsen

Die in Lohr aufgewachsene Autorin Stefanie Gregg lebt inzwischen in der Nähe von München. Sie ist bekannt für ihre Krimis und Gesellschaftsromane, die auch historisch und politisch brisante Themen behandeln. Zuletzt hat sie mit ihrer sehr erfolgreichen Romanreihe "Die Nebelkinder" sehr viel Beachtung gefunden. Stefanie Gregg liest aus diesem Werk, von dem bereits zwei Bände erschienen sind und die dritte Folge schon dem Verlag vorliegt. Eigentlich wollte sie nur einen großen Familienroman über drei Generationen schreiben, "aber die Personen der Geschichte wollten, dass ich viel mehr über sie erzähle – und das habe ich gerne getan", so die Autorin.

Die in diesen Romanen erzählten bewegenden Lebenserfahrungen reichen tief in die deutsche Vergangenheit zurück. Die hier als "Nebelkinder" auftretenden Personen werden von der modernen Psychologie so genannt, weil sie zur Generation der Kriegsenkel gehören, die glauben, dass sie längst nichts mehr mit dem Krieg zu tun haben, aber dennoch so viel auf ihren Schultern tragen.

Ängste verschwiegen

Trotz des wachsenden Wohlstandes wurden ihnen Traumata mit auf den Lebensweg gegeben, weil man Erinnerungen, Ängste und schwere Belastungen aus der Kriegszeit über Generationen verschwiegen hat. Daher stochern sie im "Nebel des Nichtgesagten", wie Stefanie Gregg formuliert, denn "nur, wenn sie den Nebel durchdringen, können sie Großeltern, Eltern und dann vielleicht auch sich selbst verstehen". Wie das gelingen kann oder wie man daran eventuell scheitert, wird als ein gesellschaftliches, aber auch persönlich bewegendes Problem in der Romanreihe thematisiert.

Krystyna Kuhn stellt ihr Romanprojekt "Tristia" vor, an dem sie seit zwei Jahren arbeitet. Es geht um Anne Wyss, die entdeckt, dass die bekannten Gedichte ihrer Großmutter Greta auf einem Diebstahl beruhen. Greta hat sie dem jüdischen Mädchen Debora Gold in Lemberg gestohlen und sie unter ihrem Namen veröffentlicht. Anne reist daraufhin nach Lemberg in die Ukraine und bringt die Gedichte Adam Mandelstam, dem sie gewidmet sind.

Auf die Idee zu diesem Projekt kam die Autorin durch zwei Aufenthalte in Lemberg, wo sie sich mit der Lyrikerin Debora Vogel beschäftigte, die im Ghetto Lemberg umgekommen ist. "Mit dem Krieg ist die jüdische Literatur zum Schweigen gebracht worden. Ich wollte sie wieder zum Leben erwecken", erklärt die Autorin.

Krieg ist Verbindung

Das Thema Krieg verbindet die beiden Romane, die an diesem Abend vorgestellt werden. Die Protagonistinnen sind zudem Frauen, die in der Vergangenheit der Familie forschen und sie aufarbeiten wollen. Beide leiden unter den Folgen. Sie entdecken Geheimnisse, die verschwiegen wurden. Die Verfolgung der Juden ist ebenfalls ein gemeinsames Thema, ebenso wie die Beziehung der Töchter zu ihren Müttern.

Die Hauptfiguren unterscheiden sich jedoch im Alter. Helene bei Stefanie Gregg wächst in den Trümmern der Nachkriegszeit auf. Der Roman spielt in den 80er-Jahren. Anne bei Krystyna Kuhn ist eine Nachgeborene, die den Krieg nie erlebt hat. Sie trifft auf einen der letzten Zeitzeugen, Adam Mandelstam, der ihr sein Leben erzählt. Sie erkennt, wie stark ihre Familie in die Geschehnisse verstrickt ist.

Tiefe Spuren hinterlassen

Beide Autorinnen haben bei ihren Lesungen immer wieder erfahren, dass Menschen auf sie zukommen und über ihre eigene Familiengeschichte mit Kriegserlebnissen berichten. Viele von ihnen sind gerade dabei, die Ereignisse zu recherchieren sowie die Rolle, die ihre Eltern oder Großeltern im Krieg gespielt haben. Und sie bestätigen, dass es auch heute noch schwer ist, mit diesem oft verdrängten und gerade hochaktuellen Thema Krieg umzugehen, das zu allen Zeiten bei den Betroffenen tiefe Spuren hinterlässt.

 
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