Nach 38 Jahren als niedergelassener Mediziner in Karlstadt hat Dr. Karl-Werner Weigel am 30. September Stethoskop und Spritze aus der Hand gelegt. Er ließ sich am 10. Oktober 1977 als erster Kinderarzt in Karlstadt nieder und begründete damit die heutige Gemeinschaftspraxis von Dr. Franz-Josef Kordowich und Dr. Bernd Chittka. Seit 1. Oktober verstärkt dort Dr. Thomas Eltermann das ärztliche Team.
„Der Kinderarzt ist der Hausarzt der Kinder“ stand auf einem Schild im Wartezimmer der ersten Praxis von Werner Weigel im Haus von Anton Fischer, in dem sich damals viele Arztpraxen eingemietet hatten. Als er sich 1977 in Karlstadt niederließ, nahmen Eltern ihre Kinder üblicherweise mit zum Hausarzt.
„Damals verließen viele Kinderärzte die Uni-Kinderklinik in Würzburg“, erklärt Weigel. Seine Kollegen gründeten zum Beispiel Praxen in Lohr, Gemünden, Marktheidenfeld und Hammelburg. Er selbst kannte die Region Main-Spessart, weil er schon als Assistenzarzt Kinder bei der Lebenshilfe in Lohr betreute und seine Frau Lehrerin an der Realschule war.
Weigel stammt aus Marburg an der Lahn, wo er auch sein Studium begann. Nach einem Auslandssemester in Lausanne und dem wilden Sommer 68 wechselte er für sein Examen an die Uni Würzburg. Seine Ausbildung an der Hochschule schloss er 1976 mit dem Facharzt für Kinderheilkunde ab.
„Es dauerte drei Jahre, dann war die Praxis voll“, erinnert sich Weigel. Von Anfang an habe er die Vorsorgeuntersuchungen für alle in Karlstadt geborenen Babys übernommen. Generell sei seine Arbeit damals vor allem von Kinderkrankheiten bestimmt worden: „Masern, Mumps, Röteln – es gab richtige Epidemien“. Um Tuberkulose diagnostizieren zu können, verfügte die Praxis über eine eigene Röntgeneinrichtung.
Generell habe sich die Kinderheilkunde in 38 Jahren völlig verändert, so Weigel. Anfangs habe er noch Hausbesuche gemacht, und es sei die Regel gewesen, dass er nachts gerufen wurde. Heute gehe es weniger um Kinderkrankheiten, sondern um ein breites Spektrum und oft auch um soziale Probleme. Auch die diagnostischen Möglichkeiten in der Praxis seien viel umfangreicher. Er weiß noch, wie er Ende der 80er-Jahre an seinen freien Nachmittagen in die Kinderklinik fuhr, um Ultraschalluntersuchungen zu erlernen.
Ein Röntgengerät gibt es in der Praxis schon lange nicht mehr, Hüften und Nieren werden per Ultraschall untersucht.
Praxis platzte aus allen Nähten
Weil die Praxis wirklich als Hausarzt der Kinder angenommen wurde, platzte sie schon bald aus allen Nähten. Keine 50 Meter weiter fand Werner Weigel in der Langgasse 33 ein neues Domizil. Das alte Fachwerkhaus sei eigentlich zum Abriss freigegeben gewesen, erinnert er sich, doch beim Landesamt für Denkmalpflege hatte er einen Mitstreiter gefunden, der für den Erhalt alter Bürger- und Bauernhäuser war. Anfang 1985 zog die Praxis in die Obergeschosse des sanierten Hauses ein.
Die Arbeit wurde freilich nicht weniger. Für Entlastung sorgte ab 1989 Dr. Aloysia Engelke, sie kam als Assistentin und wurde im April 1991 Teilhaberin. Sechs Jahre später wechselte sie zur Frühförderstelle Veitshöchheim und übergab ihren Vertragsarztsitz an Dr. Franz-Josef Kordowich.
Werner Weigel nutzte das bisschen gewonnene Zeit, um sich über die Praxis hinaus für Kinder einzusetzen. „Ich mischte mich ein, wenn es um Spielplätze in der Stadt ging oder die Schulvorbereitende Einrichtung“. Auch seine Tätigkeit beim TSV Karlstadt, den er zehn Jahre als Vorsitzender führte, sieht er in diesem Rahmen. Ein gutes Umfeld für Kinder war ihm wichtig. Er wollte sie für Sport begeistern, richtete Kurse für bewegungsunbegabte Kinder ein, vermittelte Sponsoren für Mannschaftstrikots. Zudem hielt er unzählige Vorträge, richtete Stammtische zu Themen wie Lese-Rechtschreibschwäche oder Neurodermitis ein und bot auch Kurse für Eltern an.
Schon vor zehn Jahren machte er sich Gedanken um seine Nachfolge. Dr. Bernd Chittka trat als Assistent in die Praxis ein, im Januar 2008 übernahm er von Werner Weigel den Vertragsarztsitz. Seither war der Praxisgründer offiziell Assistent. Er schenkte der Praxis zum Abschied eine Espresso- und Kaffeemaschine und erhielt selbst ein Puzzle in 18 000 Teilen mit historischen Landkarten. Solche sammelt er nämlich und hat damit auch die Ausstellung im Stadtgeschichte-Museum zusammengestellt (siehe Bericht Seite 25).
Neuer Assistent ist seit 1. Oktober Dr. Thomas Eltermann. Er war bisher an der Uni-Kinderklinik Würzburg sowie der Poliklinik mit den Schwerpunkten Neugeborenen und Intensivmedizin tätig, womit die Praxis ein breites Spektrum abdecken kann. Thomas Eltermann wurde vor 38 Jahren in Mainz geboren und wohnt derzeit in Lengfeld bei Würzburg.