
Soll die große Linde vor dem Lohrer Schloss gefällt werden, um die Sicht auf dasselbe frei zu machen? Einen Vorstoß in diese Richtung hat jüngst Petra Stumpf-Mecklinger, die Seniorchefin der ehemaligen Lohrer Brauerei, unternommen. Doch die Idee erntet vielfachen Widerspruch. Das Landratsamt erklärt unterdessen, keine Absicht zu haben, den Baum zu fällen.
Der "Riesenbaum gehört weg«, hatte Stumpf-Mecklinger kürzlich bei der Übergabe eines anlässlich ihres 80. Geburtstags der Stadt Lohr geschenkten Lohrer Spiegels gesagt. Sie begründete ihre Ansicht damit, dass der Blick auf das kurmainzer Schloss früher unverstellt gewesen sei, was alte Stiche belegten.
Der Artikel über Stumpf-Mecklingers Wunsch sorgte auf der Internetplattform Facebook für reichlich Kommentare, wobei fast ausschließlich die Forderung geäußert wurde, dass der Baum stehen bleiben solle.
Städte verändern im Lauf der Geschichte ihr Bild
"Wenn es in Lohr überall wieder so aussehen soll wie auf alten Ansichten, dann gibt es viel zu tun", schrieb ein Internetnutzer. Städte veränderten nun mal ihr Bild, sei es durch Architektur oder Natur, sprach er sich gegen ein Zurückdrehen der Zeit aus.
"Wo ein Schloss ist, müssen auch Bäume sein", so die Ansicht eines anderen Nutzers. Ob denn aus Lohr eine "kahle Stadt«"gemacht werden solle, wandte sich ein anderer gegen das Fällen des Baumes. Ein Baum "lockert auf", so eine weitere Ansicht. Andere Meinungen waren "der steht da sehr gut" oder "auf jeden Fall Baum erhalten".
Ein weiterer Internetnutzer drehte den Spieß gar um – wohl im Scherz: Das Schloss müsse weg, denn es "verschandelt den Ausblick auf den Baum". Wieder eine andere Meinung war, dass der Schlossplatz zunächst mal eine "gastronomische Verbesserung" benötige, damit dort mehr Leben Einzug halte.
Möglichkeit der Baum-Umsiedelung
Eine Nutzerin brachte die Möglichkeit ins Spiel, dem Baum umzusiedeln. Es gebe "Baumverpflanzer, die können selbst Mammutbäume ausgraben". Womöglich hatte die Frau dabei eine Aktion im Sinn, bei der vor etlichen Jahren vor dem Lohrer Braustübchen zwei große Platanen ausgegraben und an anderer Stelle wieder eingepflanzt wurden.
Man könne doch auch die Linde vor dem Lohrer Schloss "ausbuddeln und ein paar Meter weiter" wieder einpflanzen, so der Vorschlag der Frau. Damit wäre jedem Interesse Rechnung getragen, so ihre Ansicht.
Doch wie eine Nachfrage beim Landkreis Main-Spessart, dem Eigentümer des Lohrer Schlosses, ergab, gibt es keinerlei Absicht, den Baum zu fällen oder zu versetzen. Pressesprecherin Mandy Feser erklärte gegenüber der Redaktion, dass der Baum gesund sei und es keine Überlegungen gebe, etwas zu ändern.
Das dürfte ganz im Sinne eines weiteren Internetnutzers sein, der die Diskussion um den Baum mit einem Zitat von Eugen Roth kommentierte: "Zu fällen einen schönen Baum, braucht es 'ne halbe Stunde kaum. Zu wachsen bis man ihn bewundert, braucht er, oh Mensch bedenk es, ein Jahrhundert".
Geschätzte 100 Jahre alt
Diese Zeitangabe dürfte auf die Linde vor dem Lohrer Schloss ziemlich genau zutreffen. Laut Barbara Grimm, Leiterin des im Schloss angesiedelten Spessartmuseums, ist der Baum auf einem Foto aus dem Jahr 1920 als damals zwei Meter hohe Pflanze zu sehen.
Grimm schließt nicht aus, dass der Baum als in der damaligen Zeit übliche "Friedenslinde" zum Ende des Ersten Weltkrieges gepflanzt wurde. Seine Existenz hätte in diesem Fall also nicht nur einen ästhetischen Aspekt, sondern womöglich auch einen historischen.
"Auf jeden Fall stehen lassen", ist auch Grimms Meinung zu der Linde eindeutig. Den in ihren Augen "abstrusen Vorschlag", den Baum zu entfernen, habe es in den über 30 Jahren, die sie im Museum arbeite, allerdings schon häufiger gegeben, so die Leiterin.
Sie selbst schaue aus dem Fenster ihres Büros direkt in die Krone des Baumes. "Ich kann den Vögeln beim Nestbau zusehen", sagt Grimm. Sie hat einen ganz pragmatischen Rat für alle, die das Lohrer Schloss lieber ohne viel Grün davor sehen oder fotografieren wollen: "Sie sollen im Winter kommen."
