Zwischen zwei Buchdeckeln oder im Innern eines E-Book-Readers warten faszinierende Welten und spannende Abenteuer: Diesen Zusammenhang entdecken viele Kinder schon im jüngsten Alter, wenn sie von ihren Eltern vorgelesen bekommen. Im besten Fall verschlingen sie später selbst Geschichten, sobald sie lesen können.
Auch die Stadt Lohr schlägt an diesem Donnerstag ein neues Kapitel in ihrer Geschichte auf: Dann fällt der Startschuss zum ersten Kinder- und Jugendliteraturfestival mit vielen namhaften Autoren, einem abwechslungsreichen Programm und der Vergabe des Lohrer Literaturpreises. Unser Medienhaus hat sich im Vorfeld mit Jury-Mitgliedern, Laudatoren und der Moderatorin der Preisverleihung darüber unterhalten, welche Bücher sie im Kindes- und Jugendalter geprägt haben.
Das Schöne daran: Dieser Text lässt sich häppchenweise in beliebiger Reihenfolge lesen und verzichtet komplett auf Cliffhanger.
Poetry-Slammerin Pauline Füg moderiert die Verleihung des Lohrer Literaturpreises und war als Kind "ein riesiger Drei-Fragezeichen-Fan". Ihre Begeisterung für Justus Jonas, den ersten Detektiv des Fragezeichen-Trios, hat die 36-Jährige sogar zu einem Liebesgedicht inspiriert, das sie auf Poetry-Slams vortrug. Darin kommt folgender leidenschaftlicher Satz vor: "Geld geb ich gern aus für Dich, denn ich will Dich jeden Abend vorm Einschlafen und ich weiß es zu schätzen, dass Du käuflich bist."
"Emil und die Detektive" und "Das doppelte Lottchen" von Erich Kästner fand Pauline Füg ebenfalls toll. Literatur an sich bezeichnet sie als "Spiegel unserer Gesellschaft und unserer Zeit". Wenn man viel liest und mit Literatur aufwächst, könne man die Welt noch einmal ganz anders begreifen, ist sie sich sicher.
Die Lohrer Schriftstellerin Krystyna Kuhn, die das Literaturfestival mitorganisiert, hat als Kind am liebsten die neunbändige Buchreihe "Nesthäkchen" von Else Ury gelesen. Die 58-Jährige bezeichnet sich selbst als "fanatische Leserin, die nie genug Stoff gekriegt hat". Als Jugendliche entdeckte sie schnell die Erwachsenenliteratur für sich, weil sie ihren Nachschub aus den Bücherregalen ihrer älteren Schwestern bezog. Sie zählt Hermann Hesse und Max Frisch zu ihren bevorzugten Autoren aus dieser Zeit.
Die heutige Jugendliteratur empfindet Kuhn lebensnäher als noch in ihrer Jugend. Außerdem gebe es viel mehr Genres – vom Thriller über Mystery bis zum Liebesroman – als damals, betont sie. Literatur bedeutet für die 58-Jährige, "Geschichten über Menschen und Konflikte zu hören und eventuell Lösungsvorschläge zu bekommen". Dadurch lerne der Leser, Konflikte wahrzunehmen und sie vielleicht auch ein stückweit zu bewältigen, führt die Schriftstellerin aus.
Für Jugendliche zu schreiben, macht Krystyna Kuhn mehr Spaß, denn sie seien ein netteres Lesepublikum. "Wenn es ihnen nicht gefällt, werfen sie es weg. Sie schreiben aber nicht stundenlang böse Kritiken. Wenn sie es lieben, dann schreiben sie einem wunderschöne Briefe", erzählt die Lohrerin.
Der 19-jährige Timon Pleier ist Jurymitglied des Lohrer Literaturpreises und erinnert sich noch gerne daran, wie ihm sein Vater als Kind "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry vorgelesen hat. "Harry Potter war so mit elf das erste richtige Buch, das ich gelesen habe", sagt der Neustädter, der derzeit seinen Bundesfreiwilligendienst im SOS-Kinderdorf in Hohenroth macht. In seinem Bücherregal wartet noch der Jugendbuchklassiker "Momo" von Michael Ende darauf, gelesen zu werden. Jetzt muss der 19-Jährige nur noch ein wenig Zeit bei der Zeitsparkasse der grauen Herren abheben, um die Abenteuer Momos endlich auch in Romanform kennenzulernen.
Literatur schätzt er, weil man sich "in sie hinein versenken kann, um dem Alltag zu entschwinden, aber gleichzeitig noch etwas für den Alltag mitnehmen kann". Dem Lesen näher gekommen ist Timon Pleier laut eigener Aussage auf dem Gymnasium bei der üblichen Lektüre, wie Faust und Maria Stuart. "Die letzte Lektüre in der Schule war dann irgendwas zwischen analysieren und einfach nur genießen. Das war Auerhaus von Bov Bjerg", sagt der 19-Jährige.
Jurymitglied Diana Paul ist Mutter von vier Kindern im Alter zwischen einem und zwölf Jahren. Die 38-Jährige kam deshalb in jüngster Zeit privat oft mit Kinder- und Jugendbüchern in Kontakt. Bei ihrem Ältesten steht die Bodyguard-Reihe von Chris Bradford gerade hoch im Kurs, die sich um einen 14-jährigen Personenschützer dreht.
Die Geschäftsführerin des Lohrer Furnierwerks Mehling & Wiesmann hat in ihrer Kindheit und Jugend nach eigener Aussage gelesen, was sie in die Finger bekommen hat. Als Beispiele nennt sie Internatsgeschichten und ganz viel von Enid Blyton, wie "Hanni und Nanni" oder "Dolly". "Meine Mutter hat geschimpft, ich soll mal rausgehen", erzählt sie. Ihr Lieblingsbuch sei "Lippels Traum" von Paul Maar gewesen, das sie mindestens viermal gelesen habe. Literatur verbindet die Frau des Lohrer Bürgermeisters mit "Entspannung und raus aus dem Alltag". Sie liest jeden Abend am liebsten Romane vor dem Einschlafen.
Buchhändler Patrick Seidler arbeitet in der Bücherecke in Lohr und sitzt ebenfalls in der Jury des Jugendliteraturfestivals. Der 28-Jährige erzählt, dass Michel aus Lönneberga, Lukas, der Lokomotivführer und das Sams zu seinen ersten Kinderbuchhelden gehörten, die ihn geprägt haben. Als er selbst lesen konnte, stürzte er sich in die Abenteuer von Kommissar Kugelblitz, TKKG und den offenbar omnipräsenten Drei Fragezeichen. Mit 13 Jahren wechselte Seidler zur Fantasyliteratur und versank in der Elfen-Saga des deutschen Autors Bernhard Hennen. "Die hat mich total gepackt und nicht mehr losgelassen", sagt er.
Ein bestimmter Buchheld, dem er als Kind nachgeeifert wäre, fällt dem 28-Jährigen nicht ein. "Das Schöne an Büchern ist ja, dass man in so viele unterschiedliche Bereiche hineinschnuppern und sich von dort und von dort etwas nehmen kann", schwärmt der Buchhändler. Auf die Frage, was Literatur an sich für ihn bedeutet, antwortet Seidler lachend: "Ganz simpel: Broterwerb." Dann schiebt er nach, dass Literatur Leben sei. "Auch wenn das nach einem Kalenderspruch klingt, es steckt die Welt darin."
Welchen Tipp hat er für unbedarfte Erwachsene, die ohne großes Vorwissen ein Jugendbuch verschenken wollen? Seit Harry Potter fehlt laut Seidler der "richtig große Knaller" im Buchhandel. "Es gibt ganz tolle Autoren, auch die, die jetzt für den Lohrer Literaturpreis nominiert sind", betont er. Ein Buch der Evolution-Reihe von Thomas Thiemeyer könne man auch ganz wunderbar Jungs in die Hand drücken, die sonst gar nicht lesen, nennt er ein Beispiel.