Er ist einer der renommiertesten Bergsteiger und Extremkletterer: Thomas Huber, im Gespann mit seinem Bruder Alexander bekannt als Huberbuam. Am Mittwoch kommt der 57-Jährige nach Lohr, um bei einem Vortrag in der Stadthalle darüber zu sprechen, was er alles er- und überlebt hat – im Juli 2016 beispielsweise einen 16-Meter-Sturz am Brendlberg in der Nähe seiner Heimat Berchtesgaden. Huber zog sich zwar eine Schädelfraktur zu, einen Monat widmete er sich aber schon wieder dem nächsten Abenteuer.
Wenn ein Bergsteiger auf die Bühne geht, erwarten die Menschen, dass er davon erzählt, was er geleistet hat. Mein Vortrag ist ein bisschen anders gestrickt. Was ich geleistet habe, ist zwar das Gerüst, aber ich möchte tiefer gehen. Ich will erklären, warum ich freiwillig dahingehe, wo ich mit einem einzigen Schritt umkommen kann. Ich will erklären, warum ich mir die Qualen antue, und ich möchte erzählen, was mir die Berge beigebracht haben.
Sehr viel Demut. Und dass man mutig sein muss. Man sollte sich nicht so sehr von den Konventionen der Gesellschaft beeinflussen lassen und einen Weg nur deshalb gehen, weil es sich so gehört. Ich will nicht sagen, man sollte rebellisch sein, aber man sollte den Weg seines Herzens gehen, weil an Ende kommt etwas Unweigerliches – der Tod. Der Moment wird sehr intensiv für alle. Und dann sollte man sagen können: "Ich bin immer richtig abgebogen." Und nicht: "Zefix, warum habe ich das und das nicht gemacht?"
Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt. Das ist auch gut so, weil das Leben nur deshalb besonders ist, weil es endlich ist. Der Tod ist ein launiger Geselle, er kann jederzeit vorbeikommen, aber ich habe keine Angst mehr vor ihm. Deswegen muss ich ihn auch nicht verdrängen. Man sollte ihm zwar nicht so viel Raum lassen, aber er gehört dazu. Viele Menschen haben nicht den Mut, auf das zu hören, was in ihrem Herzen steckt. Das zu unterdrücken, ist für mich noch schlimmer als der Tod. Weil es irgendwann krankmacht.
An der Grenze unterwegs zu sein. Auf Messers Schneide zu balancieren. Das ist unfassbar intensiv. Ein guter Freund hat mal gesagt: "Wenn du da unterwegs bist, lebst du vielleicht nicht so lange – aber wenn du das nicht erleben würdest, versäumst du was." Und das unterschreibe ich.
Es ist mehr. Es sind Begegnungen mit dem Sein und Nicht-Sein. Das ist eine andere Welt. Das ist wahrhaftig, weil man mit den Ur-Trieben des menschlichen Daseins verbunden ist: alles zu tun, um zu überleben. Das ist es, was mich fasziniert. Die Berge sind sehr archaisch.
Das würde ich heute nicht mehr sagen, weil es sehr plakativ und reißerisch ist. Aber ich bin schon fast ein Gladiator an diesen Wänden. Ich weiß nie, ob ich nochmal zurückkomme. Das kann man auf die schmeichelnde oder die rotzige Art ausdrücken.
Eine Biographie zu schreiben. Da zu sitzen, in meiner eigenen Vergangenheit zu kramen und mein Leben nochmal zu leben. Die Pandemie hat mir die Zeit gegeben, mich auf einen Stuhl zu setzen und das endlich mal zu machen. Als ich dann den letzten Punkt gemacht habe, war das, wie auf einem Gipfel zu stehen – auf einem Berg aus Tausenden Buchstaben. Das war phänomenal. Alles andere, auch wenn es noch so wild war, ist meine Welt. Damit kann ich umgehen. Aber ein Buch zu schreiben, ohne Ghostwriter oder KI, das war eine riesige Herausforderung. Auch, weil ich der Frage nachgegangen bin, wo sich die Freiheit in den Bergen versteckt.
Ich bin auf die Lösung gekommen, aber die Antwort verrate ich erst in Lohr. (Lacht.)