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"Ich bin dankbar für jeden, der liest"
Detlev Meier vor seinem Lieblingsregal im Medienzentrum – natürlich mit einem Buch in der Hand. 
Foto: Lena Schwaiger | Detlev Meier vor seinem Lieblingsregal im Medienzentrum – natürlich mit einem Buch in der Hand. 
Bearbeitet von Lena Schwaiger Bearbeitet von Lena Schwaiger
 |  aktualisiert: 26.12.2019 02:11 Uhr

Detlev Meier und das Medienatelier des Nägelsee-Schulzentrums sind eng mit einander verknüpft: Seit 1977 hat Meier den Bestand des Infozentrums gepflegt, neue Bücher ausgewählt und Schüler und Lehrkräfte mit Recherchetricks und Lesetipps versorgt. Ende des Jahres geht er in den Ruhestand. Unsere Redakteurin Lena Schwaiger hat mit ihm über die Bücher und das Lesen gesprochen.

Sie haben 42 Jahre im Nägelsee-Medienatelier gearbeitet. Wie viele Bücher sind in dieser Zeit durch Ihre Hände gegangen?

Das habe nicht gezählt. Ich dürfte 8000 bis 10000 in den Bestand eingearbeitet haben. Es waren aber auch noch Bücher aus dem alten Gymnasium da.

Wie sah es hier aus, als sie angefangen haben?

Viele leere Regale, viele volle Kisten. Meine Vorgängerin hatte das Nötigste ausgepackt, was die Oberstufe brauchte. Der Rest war noch verpackt. Heute dürfte davon nicht mehr viel da sein, der Bestand hat sich schnell erneuert.

Welche Bücher haben Sie ausgemustert?

Die, deren Handlung nicht mehr zeitgemäß war. Beispielsweise Coming-of-Age-Romane, in denen man in die Kneipe geht, einen Whiskey trinkt und eine Zigarre raucht. Oder die, bei denen in jedem dritten Satz "Nigger" vorkam.

Welche Bücher gehen gut?

Wir haben schnell gemerkt, dass wir mit der Erwachsenenliteratur nicht weiterkommen. Also habe ich mich auf die Jugendbibliothek beschränkt. Die geht immer noch.

Eher Romane oder Sachbücher?

Es ist alles dabei. Bei den Sachbüchern kommt Was-ist-Was gut an und jetzt die Minecraft-Bücher, die ich so furchtbar finde. Wir haben zehn Anleitungen für das Spiel und einen Minecraft-Roman von einem Youtuber – das haben wir auf speziellen Wunsch eines der Schüler angeschafft. Ansonsten ist der Renner allgemeine Fantasy.

Wie hat das angefangen?

Das ging mit Harry Potter los, hat sich inzwischen auf sämtliche andere Fantasy-Reihen verbreitet. Wir waren damals mit die ersten, die Harry Potter hatten. Das war eine Idee von Wolfgang Weismantel, der damals Verantwortlicher für die Bibliothek war. Ich habe es durchgelesen, sofort den zweiten Band gekauft. Ab dem dritten Band, als die Filme kamen, ging der Boom los. Ich habe dann immer gleich zwei gekauft – einen für uns zu Hause, einen für die Schule.

Wie werden die Neuanschaffungen ausgewählt?

Das habe ich zusammen mit Andrea Pöschl, der Bibliotheksbeauftragten, gemacht. Wir sammeln beide, was es an Neuvorstellungen so gibt. Dann setzen wir uns zweimal im Jahr zusammen und beraten, was gekauft wird.

Gibt es Bücher, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

Besonders stolz sind wir, dass wir türkische Was-ist-was-Bücher haben. Die habe ich durch Zufall im Internet entdeckt. Ich konnte sie im Buchhandel über Ankara bestellen.

Werden die auch ausgeliehen?

Meistens sitzen die Schüler hier und lesen darin. Ich habe das Gefühl, dass viele der türkischen Kinder gar keine Ausleihkarte geholt haben.

Welchen Bibliotheksausweis braucht man hier?

Den aus der Stadtbibliothek, wir haben seit vier Jahren eine Kooperation. Mir ging es dabei darum, dass auch die Realschüler an unseren Bestand rankommen, weil sie keine eigene Bibliothek haben. Das wird aber nicht besonders genutzt. Erwachsene Nutzer waren in diesem Jahr drei da.

Hat sich das Leseverhalten verändert?

Ich habe meine Leser, die jede Woche zwei- bis dreimal kommen und sich neue Bücher holen. Heute waren erst wieder fünf da, die sich Bücher über die Ferien ausgeliehen haben. Früher waren es mehr, aber heutzutage, durch die digitalen Angebote und E-Books sind es weniger geworden. Ich bin dankbar für jeden, der liest. Bei Erwachsenen habe ich eher das Gefühl, dass immer noch sehr viel gelesen wird.

Wie stehen Sie zu E-Books?

Ich selber lese keine. Ich brauche mein Buch in der Hand, ich brauche was zum Umblättern.

Die Digitalisierung ist aber durchaus auch im Medienatelier eingezogen?

Wir haben Computer, an denen die Schüler im Internet recherchieren können. Da kommen manchmal ganze Klassen rein, werden an die Computer gesetzt mit der Aufgabe, alles Mögliche zu einem Thema herauszufinden. Außerdem kann man kontrollieren, ob wir oder die Stadtbücherei ein Buch haben.

Haben sich die Bücher in den vergangenen vier Jahrzehnten verändert?

Von der Handlung her schon. Damals waren sie noch brav. Inzwischen ist die Jugend ein bisschen aufgeklärter. Außerdem ist mir aufgefallen, dass die fünf Freunde sich früher Dias angeschaut haben, heute gucken sie DVDs. Selbst die alten Sachen sind modernisiert worden.

Was ist denn mit dem Vorurteil, dass Jungs nicht lesen?

Kann ich nicht behaupten. Mädchen sind klar in der Überzahl, aber es gibt auch viele Jungs, die gerne mal ein Buch lesen – und das nicht nur mit Minecraft. Jetzt haben sie den Thiemeyer entdeckt, der beim Literaturfestival dabei war.

Was ist Ihr Buchtipp zu Weihnachten?

Die Alyxa-Reihe von R. L. Ferguson, davon gibt es drei Bände. Anne Beckers »Die beste Bahn meines Lebens«, die Besprechung habe ich in der SZ gelesen und fand es toll. In dem Buch sind wunderschöne Grafiken. Und – wie immer – Gregs Tagebuch für die Jungs und Lottaleben für die Mädchen. Ich finde die Bücher furchtbar. Aber die Kinder lieben sie.

Wie kommt's?

Ich mag Greg nicht. Er ist arrogant, rechthaberisch, die anderen haben überhaupt nichts zu sagen. Aber er lässt sich feiern. Die Kinder lieben ihn wahrscheinlich gerade, weil er so frech ist. Neulich kam nun Ruperts Tagebuch raus, von seinem besten Freund. Das hat mich gefreut. Rupert schreibt über alles – nur nicht über Greg. Und Greg ist stinkbeleidigt.

Was haben Sie für Ihren Ruhestand vor?

Mich um meine Briefmarkensammlung kümmern, meine CD-Sammlung ausbauen, reisen und lesen – ich habe gerade erst fünf neue Bücher gekauft.

Ende einer Ära für das Nägelseeschulzentrum
Detlev Meier ist 1955 in Bremen geboren und hat bis zur 11. Klasse das Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasium besucht. Auf Anraten der damaligen Bibliothekarin der Stadtbücherei Lene Keiper hat er anschließend eine Ausbildung zum Bibliotheksassistenten absolviert. Schon während der Ausbildung lag sein Schwerpunkt bei der Kinder- und Jugendliteratur.
Stellvertretend für Generationen von Schülern, die Detlev Meier durch ihre Schulzeit in Gymnasium und Mittelschule begleitet hat, erinnerte sich Bernd Rottenbacher, Gymnasialdirektor und früherer Schüler, bei der offiziellen Verabschiedung in der Lehrerkonferenz des Gymnasiums an seine Erlebnisse im Info-Zentrum. Bei der ersten Führung habe Meier darauf hingewiesen, dass Essen in der Bücherei streng untersagt sei. »Erst neulich habe ich eine Salami-Scheibe aus einem Buch gekratzt«, habe er jedes Mal betont. Viele Schüler seien irgendwann dem Reiz erlegen, sich am Bibliothekar vorbei in das damals für die Oberstufe reservierte Obergeschoss zu schleichen. »Oben saß Deutschlehrer Dr. Schwarz, hat Pfeife geraucht und mich wieder runtergeschickt«, so Rottenbacher zu seinen eigenen Erfahrungen in dieser Richtung.
Andrea Pöschl, Bibliotheksbeauftragte des Gymnasiums, zeigte Auszüge aus Abi-Zeitungen vergangener Jahrgänge, die betonten, wie wichtig Detlev Meier für die Schüler in ihren Lektüre- und Recherchearbeiten war. Er sei »eine wichtige Anfangsfigur« für die Schule gewesen. Auch Sylvia Rosenberger, Leiterin der Stadtbibliothek, bedankte sich für die gemeinsame Arbeit und erinnerte sich an ihre Begegnungen mit Meier als Schülerin. »Ich fand ihn sensationell«, erzählte sie, besonders wegen seiner Konsequenz.
Der Zweckverband dankte Detlev Meier bei einer eigenen Verabschiedung für sein fachlich fundiertes, engagiertes und langjähriges Wirken. Ohne ihn »hätte das frühere Infozentrum und heutige Medienatelier keine so positive Entwicklung nehmen können«, so Geschäftsführer Uli Heck. Mit dem Abschied Detlev Meiers endet eine Ära für das Medienatelier: Seine Stelle, die hälftig vom Zweckverband und der Regierung von Unterfranken finanziert wurde, werde nicht weitergeführt, so Heck auf Nachfrage. Trotzdem werde das Medienatelier weiter betreut. Die Mittelschule habe sich bereit erklärt, 10 Stunden pro Woche zur Verfügung zu stellen. Das Gymnasium plane, das ab April auch zu tun, so Rottenbacher. ()
 
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