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LOHR
Hunger-Hydraulik für das Gewichtige
Die Produkte aus dem Spessart kommen in der ganzen Welt zum Einsatz. Nicht selten machen sie spektakuläre Großprojekte möglich. Auch die NASA zählt zu den Kunden.
Spektakuläres Objekt: Die segelförmigen Teile der Hebebrücke in der englischen Küstenstadt Poole werden von Hunger-Zylindern in die Höhe gestemmt.
Foto: Hunger KG | Spektakuläres Objekt: Die segelförmigen Teile der Hebebrücke in der englischen Küstenstadt Poole werden von Hunger-Zylindern in die Höhe gestemmt.
Von unserem Redaktionsmitglied Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 15.11.2013 11:12 Uhr

Egal ob auf dem Weltraum-Bahnhof der NASA in Florida, auf Bohrschiffen auf hoher See oder in mächtigen Hebebrücken in aller Welt – über all dort, wo gewaltige Lasten zu bewegen sind, kommen die Hydraulikzylinder der Firma Hunger aus Lohr zum Einsatz. Die Spezialisten für Großzylinder zählen zu den weltweit führenden Anbietern in diesem Segment.

Wohl auf kaum ein anderes Unternehmen dürfte das Motto der Main-Post-Serie, in der exportorientierte Unternehmen aus dem Landkreis vorgestellt werden, in gleichem Maße zutreffen, wie auf die Firma Hunger: „Aus Main-Spessart in die Welt“. Schon immer, so sagt Geschäftsführerin Ingrid Hunger, seien zwei Drittel der in Lohr produzierten Zylinder und Anlagen für Großprojekte im Ausland bestimmt gewesen. In den vergangenen Jahren habe sich der Exportanteil noch deutlich gesteigert, bis auf aktuell 86 Prozent.

Dass die Hunger-Zylinder in der ganzen Welt gefragt sind, liegt nicht zuletzt an der jahrzehntelangen Erfahrung, die das Unternehmen vorweisen kann. Der 2008 verstorbene Unternehmensgründer Walter Hunger hatte das Lohrer Werk im Jahr 1958 aus der Taufe gehoben. Zuvor war der gelernte Schmied mit einem von ihm gegründeten Fahrzeugwerk zum größten Privatunternehmer der DDR aufgestiegen – bis er im September 1958 wegen zunehmender Repressalien des Regimes alles zurückließ und mit seiner Familie sowie der gesamten Führungsetage seines Unternehmens in den Westen floh.

In Lohr fing Hunger wieder bei Null an, beschäftigte jedoch bereits nach einem Jahr wieder 60 Mitarbeiter. Heute zählt die Hunger KG allein am Standort Lohr rund 160 Mitarbeiter, für die gesamte Hunger-Gruppe mit Niederlassungen auch in Indien, China, England, Frankreich und den USA arbeiten rund 400 Menschen. Vertriebspartner hat Hunger in 16 Ländern der Erde.

Kern des nach wie vor in Familienhand befindlichen Unternehmens ist und bleibt jedoch der Stammsitz in Lohr. Dort entstehen an riesigen Maschinen in ebenso ausgedehnten Werkshallen die Groß- und Spezialzylinder, mit denen sich Hunger weltweit einen Namen gemacht hat. Bis zu 110 Tonnen schwer und 30 Meter lang sind die Hydraulik-Kolosse, die von Lohr aus die Reise in die ganze Welt antreten.

Eines der Haupteinsatzgebiete der Zylinder liegt laut Ingrid Hunger auf dem Meer. Die größten Zylinder kommen auf Schiffen zum Einsatz, die Betonpfähle in den Meeresgrund rammen, beispielsweise für Hafenanlagen vor der Küste. Ein anderer Einsatzschwerpunkt sind Aluminiumwerke in aller Welt. „Fast jeder Zylinder ist bei uns eine Neukonstruktion“, macht Ingrid Hunger deutlich, dass es in dieser Dimension kaum eine Serienfertigung gibt.

Eine der maßgeschneiderten Lösungen aus dem Hause Hunger wird derzeit beispielsweise auf dem Weltraum-Bahnhof der NASA in Florida installiert. Dort bauen Hunger-Monteure gerade Zylinder aus Lohr in einen gigantischen Schwerlasttransporter ein. Der 40 mal 35 Meter große Gigant wiegt unbeladen schon 2700 Tonnen. Seine Aufgabe ist es, Raketen und Raumfahrzeuge zu transportieren. Die Hunger-Zylinder sorgen dabei dafür, dass die über vier Kettenantrieben gelagerte Transportplattform auch bei Bodenunebenheiten stets in waagrechter Position bleibt. Im Dezember wird Ingrid Hunger selbst nach Florida reisen, um sich ein Bild von den Arbeiten an dem prestigeträchtige Auftrag zu machen.

Persönlich vor Ort war Hunger auch bei einem anderen spektakulären Projekt: Die 2012 fertiggestellte Hebebrücke in der südenglischen Küstenstadt Poole gilt als ein Meisterwerk. Wenn die vier großen und etliche kleineren Hunger-Zylinder die dreieckigen Brückenblätter in die Höhe stemmen, wirken diese wie zwei Segelflächen. So steht die Brücke symbolisch für den angrenzenden Jachthafen.

Dass die Hunger-Technologie nicht nur bei prestigeträchtigen, sondern auch bei heiklen Projekten gefragt ist, zeigt ein anderes Beispiel: 2010 verursachte die Havarie der Ölbohrplattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko eine Umweltkatastrophe. Um die Bohrlöcher mit Schlamm zu verschließen, rückten Tiefsee-Bohrschiffe an. Auf ihnen sorgten Hunger-Zylinder dafür, dass die Mission gelingen konnte. Die Zylinder glichen den Wellengang aus und ermöglichten so, dass die Bohrgestänge in 5000 Metern Wassertiefe am Meeresgrund bis auf einen halben Meter genau ans Ziel geführt werden konnten.

Die Auftragsbücher des Unternehmens sind laut Geschäftsführerin Ingrid Hunger aktuell gut gefüllt. Bereits bis Mitte 2014 sei man „gut ausgelastet“. Für die Zukunft hat die Unternehmerin vor allem eine Sorge: Wo sollen sie herkommen – die qualifizierten Mitarbeiter, die die außerordentlich großen Maschinen in den Lohrer Werkshallen bedienen können? Während es meist noch gelinge, Auszubildende zu finden, würden diese nach Abschluss der Lehre meist schnell und ohne das Sammeln von beruflicher Erfahrung wieder auf die Schule gehen wollen, um ihren Meister oder Techniker zu machen und danach im Büro zu arbeiten. „Keiner will mehr an den Maschinen arbeiten. Das sehe ich mit Sorge“, sagt Hunger.

Dennoch ist die Unternehmerin optimistisch, was die weitere Entwicklung der Firma angeht. Das zeigt sich schon alleine an der Tatsache, dass sich Hunger entschieden hat, am Stammsitz in Lohr über eine Million Euro in den Bau einer weiteren, großen Fertigungshalle zu investieren.

Durchblick in der Welt der Großzylinder: Ingrid Hunger führt das Lohrer Familienunternehmen, dessen Zylinder in der ganzen Welt zum Einsatz kommen. Das Bild zeigt sie am Ende eines Zylinderrohres.
Foto: Fotos (2): Johannes Ungemach | Durchblick in der Welt der Großzylinder: Ingrid Hunger führt das Lohrer Familienunternehmen, dessen Zylinder in der ganzen Welt zum Einsatz kommen. Das Bild zeigt sie am Ende eines Zylinderrohres.
Riesig: Die Geschäftsführerin der Hunger KG an einem der Zylinder, die in den Lohrer Werkshallen gefertigt werden.
| Riesig: Die Geschäftsführerin der Hunger KG an einem der Zylinder, die in den Lohrer Werkshallen gefertigt werden.
Gigantischer Koloss: Bei diesem Schwertransporter auf dem Weltraum-Bahnhof in Florida halten Hunger-Zylinder die Plattform in der Waage.
Foto: Hunger KG | Gigantischer Koloss: Bei diesem Schwertransporter auf dem Weltraum-Bahnhof in Florida halten Hunger-Zylinder die Plattform in der Waage.
 
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