
„Erstes Haus am Platze“ – so war es in früheren Zeiten oft zu lesen, wenn ein Hotel für sich werben wollte. Solche individuellen Selbsteinschätzungen sind inzwischen einem ganzen Markt von Klassifizierungen, Zertifizierungen und Bewertungsportalen im Internet gewichen. Josef Deppisch, Ersatzvertreter des Gastronomiegewerbes im IHK-Gremialausschuss Main-Spessart, erläutert im Gespräch dazu seine Meinung.
Der 50-jährige Marktheidenfelder führt mit seiner Frau Elisabeth das Vier-Sterne-Hotel „Anker“ mit dem gleichnamigen Weinhaus und Restaurant im Herzen der Marktheidenfelder Altstadt. Sein Haus verfügt über 13 Einzel-, 22 Doppel- und drei Suiten. Es weist Besonderheiten wie den Weinverkauf aus dem Gut der Familie, einen Innenhof mit romantischer Atmosphäre oder eine Kleinkunstbühne im früheren Fasskeller auf.
Wonach sich der Gast richten kann
Der Hotelier lässt keinen Zweifel daran, dass er zunächst die Sterne-Klassifizierung nach den Richtlinien des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA für ein entscheidendes, zuverlässiges Kriterium für den Kunden hält. „Das ist eine eindeutige Positionierung auf dem Markt, auf die sich ein Gast einigermaßen verlassen kann“, meint Deppisch. Über den Preis für ein Zimmer sage dies jedoch wenig aus. „Preise werden auf den örtlichen Märkten gemacht. Da kann ein Drei-Sterne-Haus an einem touristischen Hot-Spot teurer sein als ein höher klassifiziertes Haus in der Provinz.“
Zu dieser grundlegenden Klassifizierung sei im Hotelgewerbe eine Vielzahl an Zertifizierungen und Siegeln getreten, über deren Bedeutung man streiten könne. Unwesentlich seien sie dennoch nicht. Deppisch verweist auf die Behindertenfreundlichkeit. In seinem Haus, das auf mehreren Ebenen in Bauten aus unterschiedlichen Zeiten eingerichtet ist, kann absolute Barrierefreiheit nur schwer erreicht werden. Da braucht man Kompromisse, die nicht mit jedem Siegel zu vereinbaren sind.
„Es kommt nicht darauf an, einen weiteren Aufkleber an die Eingangstüre heften zu können“, sagt der Hotelier. „Wichtig ist, dass man sich zusammen mit dem Personal mit diesen Themen befasst.“ Wo immer möglich, würden Umbauten durchgeführt. Sein Haus verfügt über einen Lift und andere Hilfsmittel. Aber entscheidend sei, dass Menschen mit Beeinträchtigungen beim Gastgeber auf offene Ohren stoßen.
Die Zugehörigkeit zum Verband Christlicher Hoteliers ist Deppisch und seiner Frau Elisabeth besonders wichtig. Das Wesentliche ist eine christliche Unternehmensführung, die sich von einer rein gewinnorientieren Verhaltensweise gegenüber Gästen und Mitarbeitern unterscheidet. Bibel und Kreuz im Zimmer sind Zeichen dafür.
Wichtig sei auch die Anerkennung des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs als fahrradfreundlicher Gastbetrieb entlang des Maintalradwegs. Dafür benötige man Dinge wie Unterstellmöglichkeiten, Ladestationen für E-Bikes oder eine Werkstatt mit Zubehör und Werkzeug.
Es gebe weitere Zielgruppen, denen man sich mit Zertifizierungen zuwenden könne. Familienfreundlichkeit sei ein selbstverständliches Thema und als hundefreundlich gilt das Hotel „Anker“ auch. Das betrifft manchmal nur Kleinigkeiten, wie Wasser- und Fressnäpfe oder einen Haken für Bellos Hundeleine am Tresen der Rezeption.
Bewertungsportale im Internet
Wichtiger erscheinen Deppisch andere Kriterien im Sinne seiner Gäste wie die Einordnung als Tagungshotel oder eine Nachhaltigkeitsauszeichnung. Dabei gehe es um die Verwendung von Produkten aus fairem Handel, die Vermeidung von Abfällen und Einwegartikeln, die verwendeten Reinigungs- und Putzmittel oder die Arbeit in der Hotelwäscherei.
Was freilich eine immer größere Rolle für das Hotelgewerbe spiele, seien die Buchungs- und damit verbunden Bewertungsportale im Internet. Auch sie zählt Deppisch zu den zuverlässigen Informationsquellen für seine Kunden. Der Hotelier bittet seine Gäste jedenfalls gerne um entsprechende Bewertungen. Je mehr davon auf den Portalen zu finden seien, umso mehr runde sich das Bild über ein Hotel. Deppisch verfolgt mit einigem Zeitaufwand das, was im Internet über sein Haus zu finden ist.
Er scheut sich nicht, für gute Einträge persönlich Dank zu sagen und Negatives geradezurücken. Denn er weiß: „Auch die Kommunikation ist für den Erfolg im Gastgewerbe entscheidend.“
Die Vergabe der Hotel-Sterne in Deutschland
Die Hotelklassifikation wird in Deutschland vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) durchgeführt. Sie ist freiwillig, kostenpflichtig und gilt für drei Jahre. Dabei werden im Vergleich zu anderen Ländern relativ hohe Maßstäbe angelegt.
Die fünf Sterne-Kategorien:
* Tourist (einfache Ansprüche),
** Standard (mittlere Ansprüche),
*** Komfort (gehobene Ansprüche),
**** First Class (hohe Ansprüche) und
***** Deluxe (höchste Ansprüche).
Das Zusatzprädikat „Superior“ bedeutet für die vier unteren Bewertungsstufen, das der entsprechende Betrieb signifikant über den Forderungen der jeweiligen Leistungsstufe liegt, die nächste Kategorie aber nicht völlig erreicht.
Im Ausland erfolgt die Sternevergabe völlig anders und ist deshalb wenig vergleichbar. Auch innerhalb Deutschlands ist die Sternevergabe nicht geschützt. So werben auch hierzulande Hotels mit Sternen, die nicht von der DEHOGA vergeben wurden. Die unabhängigen, von der DEHOGA beauftragten Prüfer arbeiten für die Klassifizierung eines Hotels umfangreiche Kriterienkataloge hinsichtlich der Größe und Ausstattung der Zimmer sowie des ganzen Hauses ab.
Für die unterste Stufe sind zum Bespiel schon Zimmer mit Dusche/WC oder Bad/WC sowie ein erweitertes Frühstücksangebot erforderlich. Zur Erteilung eines weiteren Sterns gehören unter anderem ein Frühstücksbuffet, Badetücher oder Kartenzahlung zu den Kriterien. Zu den gehobenen Ansprüchen mit drei Sternen zählen zweisprachige Mitarbeiter (deutsch/englisch) in einer rund um die Uhr erreichbaren Rezeption, ein Getränkeangebot auf den Zimmern oder Internetzugang.
Für vier Sterne ist eine Hotelbar erforderlich, außerdem ein A-la-Carte-Restaurant und eine deutlich verbesserte Ausstattung der Zimmer. In der Luxusklasse sind besondere Serviceleistungen wie Pagen, Wagenmeister, ein Safe im Zimmer, Bügelservice oder ein Spa-Bereich erforderlich. Bei den von der DEHOGA klassifizierten deutschen Hotelbetrieben überwiegen inzwischen die Kategorien mit drei und vier Sternen. maha