Historismus, Jugendstil, Biedermeier, Heimatstil: Geschmäcker, Moden und Trends ändern sich im Lauf der Zeit. Dies zeigt eindrucksvoll die neue Sonderausstellung „Kunsthandwerk aus Holz im Spessart“ im Spessartmuseum, die am Mittwochabend eröffnet wurde.
Wie Leiterin, Barbara Grimm, und Leonhard Tomczyk, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums, erläuterten, werden in der Ausstellung künstlerisch gearbeitete Gebrauchsobjekte aus fast sechs Jahrhunderten gezeigt. So unterschiedlich diese auch sind, zwei Dinge haben sie gemeinsam: Sie sind alle aus Holz hergestellt und in der Region entstanden.
Das älteste Teil, das zu sehen ist, ist ein Tisch aus Kreuzwertheim aus dem 16. Jahrhundert. Eines der jüngsten ist ein extravaganter Couchtisch aus dem 21. Jahrhundert, gefertigt aus einem fast naturbelassenen Holzstamm. Aus der Zeit dazwischen stammen Schränke, Tische, Truhen, Stühle, Lampen, Krippenfiguren, Urnen und vieles mehr.
Gezeigt wird auch, was man aus Holz so alles herstellen kann: Da ist tatsächlich ein hölzerner Hut zu sehen, aber auch ein Trinkpokal und ein Joystick für den Gabelstapler, wie ihn die Firma Linde einsetzt. Für Kinder gibt es eine Murmelbahn, an der man spielerisch etwas über Holz lernen kann. Außerdem ist eine Spielküche zu sehen, die Museumstechniker Andreas Eich für seine eigenen Kinder gefertigt hat und an einer Sägestation können sich die Besucher gegen eine Spende ein Pferdchen sägen.
Die Palette der Techniken, mit denen das rohe Holz in die gewünschte Form gebracht wurde und wird, ist groß: Sie reicht vom Drechseln über das Schnitzen, Schreinern, Beizen, Brennen, Biegen, Bemalen und Einlegen bis hin zum Vergolden. Auch etliche Werkzeuge, die beim Herstellen von Holzgebrauchsgegenständen zum Einsatz kamen, kann sich der Ausstellungsbesucher ansehen – und mit einem modernen Schreinerkoffer vergleichen.
Näher eingegangen wird in der Ausstellung auf die kunsthandwerklich ausgerichtete Schreinerei Fleckenstein, die um 1886 von August Franz (1861 bis 1933) in Sackenbach gegründet wurde und bis 1967 bestand. Der Lohrer Künstler Hermann Amrhein (1901 bis 1980) ging dort von 1915 bis 1919 in die Lehre; diese Ausbildung war Grundlage seiner Karriere als Bildhauer. Von Amrhein ist in der Ausstellung ein anthroposophisches Wohnzimmerensemble zu sehen.
Ferner wird die 1880 in Lohr gegründete Holzschnitzschule beleuchtet, die zur Verbesserung der Erwerbsmöglichkeiten im Spessart beitragen sollte. Die Schüler lernten dort, einfache Geräte für den täglichen Gebrauch aus Holz anzufertigen. 1882 wurde die Schule nach Lichtenau und 1885 in das Gut Neuhammer im Elsavatal verlagert. 1901 wurde die Schule zu einer staatlich anerkannten „Lehrwerkstätte für das Holzschnitz- und Schreinergewerbe“ erhoben.
Außerdem gibt es in der Ausstellung Informationen über die Möbelfabrik Sebastian Herbst in Bad Soden. Herbst (1866 bis 1946) war gelernter Bildhauer und gründete 1892 in Bad Soden eine Möbelfabrik. Ende der 1920er Jahre beschäftigte er rund 170 Mitarbeiter, verkauft wurde deutschlandweit. 1942 wurde die Möbelfabrik von den NS-Machthabern enteignet, die Nachfolgefirma Ernst & Emmert stellte die Produktion in den frühen 1950er Jahren ein.
Öffnungszeiten des Spessartmuseum: Dienstag bis Samstag 10 bis 16 Uhr und Sonn- und Feiertags von 10 bis 17 Uhr.
