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GEMÜNDEN
Hoffnung auf ein Leben in Freiheit
Auf der Suche nach Freiheit: Der iranische Asylbewerber Morteza ist Zeuge Jehovas und lebt seit einigen Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft in Gemünden.
Foto: Björn Kohlhepp | Auf der Suche nach Freiheit: Der iranische Asylbewerber Morteza ist Zeuge Jehovas und lebt seit einigen Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft in Gemünden.
Von unserem Redaktionsmitglied Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 07.01.2016 15:23 Uhr

Hähnchenflügel mit sehr flüssiger Chilisoße ohne Messer und Gabel zu essen, ist etwas ungewohnt. Dazu gibt es auf Extratellern Joghurt, Zwiebeln, Gurken und Tomaten – und frisch in der Pfanne gebackenes Fladenbrot, das sich Chapati nennt. Yaheya und Yawar, zwei pakistanische Asylbewerber in der Gemeinschaftsunterkunft in der Gartenstraße, haben spontan zum Mittagessen eingeladen. Es ist nicht nur nötig, sondern aus geschmacklichen Gründen sogar wichtig, die Finger abzuschlecken, sagt der 26-jährige Yaheva. Ein interessantes geschmackliches Erlebnis ist auch Colamilch: halb Cola und halb Milch.

Die beiden Männer sind zwei von rund 40 pakistanischen Asylbewerbern in Gemünden. Daneben leben zwei pakistanische Frauen und ein Kind sowie acht Iraner und eine katholische, irakische Familie in der renovierten Gemeinschaftsunterkunft, die seit 1. März wieder Flüchtlinge beherbergt.

Yaheya und Yawar gehören wie fast alle der Pakistaner in der Gartenstraße der 1889 gegründeten muslimischen Ahmadiyya-Gemeinschaft an. Die Ahmadiyya sieht sich als pazifistische Reformgemeinde und gilt als konservativ und streng. Ahmadi-Muslime sind in Pakistan nicht wohlgelitten, nachdem sie 1974 offiziell zu Nicht-Muslimen erklärt wurden. Der 26-jährige Yaheya erzählt in bestem Englisch, dass die Ahmadis im zunehmend religiös aufgeheizten Pakistan ständigen Schikanen ausgesetzt seien. Er selbst sei bereits zweimal von vollbärtigen sunnitischen Fanatikern zusammengeschlagen worden.

Die Regierung schaue weg, es sei sogar legal, die Ahmadis zu verfolgen. Seit dem Rücktritt des pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf im Jahr 2008 habe sich die Lage für die Ahmadis verschlechtert, erzählt er. Im Februar habe ein sunnitischer Mob eine Ahmadiyya-Moschee, die sie so aber bei Strafe nicht nennen dürften, in seiner Heimatstadt Rawalpindi zerstört – ohne dass die Polizei eingeschritten sei.

Nach Deutschland ist Yaheya gekommen, weil es hier bereits eine große Ahmadiyya-Gemeinde gibt. 14 000 bis 15 000 Euro habe seine Flucht nach Deutschland gekostet. Seine Mutter und die Geschwister musste er zurücklassen. Vor allem um die Mutter macht er sich Sorgen, weil die Familie wegen Schikanen nicht mehr in ihrem Haus leben kann. Der 26-Jährige stammt aus einer gebildeten Familie, seine Mutter war Englischlehrerin. Er selbst hat Wirtschaft studiert. Hauptsächlich per E-Mail hält er nun Kontakt zu seiner Familie.

Yaheya würde gerne Geld verdienen und sich selbst versorgen. Als Asylbewerber darf er jedoch die ersten zwölf Monate nicht arbeiten. Er fürchtet auch, in eine Zwickmühle zu geraten: So könne ihm vorgeworfen werden, dass er als Asylbewerber dem Staat nur auf der Tasche liege; arbeite er, könnten Menschen behaupten, er nehme anderen die Arbeit weg. Yaheya möchte gerne mehr Deutsche kennenlernen, aber als Asylbewerber sei er schon auf Ablehnung gestoßen.

Ein weiterer junger Mann in der Gemeinschaftsunterkunft ist Morteza. Der groß gewachsene 33-Jährige aus dem Iran trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Olympische Spiele München 1972“ und findet es interessant, dass das so auffällt. Morteza hat in den neun Monaten, die er in Deutschland verbracht hat, leidlich Deutsch gelernt, obwohl er keinen offiziellen Deutschunterricht erhält, sondern nur ehrenamtlich beim Netzwerk Asyl unterrichtet wird.

Der gelernte Elektriker stammt aus der Millionenstadt Isfahan. Kein Wunder, dass er Gemünden als „ruhige Stadt“ beschreibt. Er habe im Iran ein gutes Leben gehabt, mit einem guten Haus und Teppichen, erzählt er. Was ihm fehlte, war Freiheit. Immer wieder sagt er das. Nach Deutschland sei er gekommen, weil er gehört habe, dass hier Asylbewerber gut behandelt würden. Schlimmes habe er hingegen von Griechenland gehört.

Im Iran hat er mit Hi-Fi- und Elektronikartikeln für Autos gehandelt. Das Regime habe es ihm übel genommen, dass er auch Satellitenanlagen verkauft habe. Denn Satellitenschüsseln hätten vor allem die Anhänger von Oppositionsführer Mussawi gekauft, die sich über Satellit unabhängig vom iranischen Staatsfernsehen informieren wollten. Er selbst sei jedoch völlig unpolitisch, betont Morteza.

Der Zeuge Jehovas berichtet, dass es vor der Herrschaft der Mullahs in Teheran einen Salon der Zeugen gab, wie sie ihr Gebetshaus nennen. Ein mit ihm in einer der insgesamt acht Wohngemeinschaften in der Unterkunft lebender protestantischer Landsmann, der ein Kreuz auf dem Oberarm tätowiert hat, erklärt, dass im Iran mit Christen nicht gerade zimperlich verfahren werde.

In der Wohngemeinschaft von Yaheya und Yawar steht in einer Ecke ein Cricketschläger. Cricket ist Nationalsport in Pakistan. Ob man nicht demnächst mal ein Spielchen wagen wolle, fragen die beiden.

Legal verfolgt: Der aus Pakistan stammende Yaheya.
| Legal verfolgt: Der aus Pakistan stammende Yaheya.
 
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