zurück
MITTELSINN
Hochkonjunktur im Christbaumdorf Mittelsinn
Von unserem Redaktionsmitglied Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 09.10.2016 16:55 Uhr

Aus dem Sinngrund werden in den Wochen vor Weihnachten anhänger-, ja sogar lastwagenweise Christbäume abgekarrt. Vor allem aus Mittelsinn. Der Ort hat sich in den letzten Jahren zum bayerischen Zentrum des Christbaumanbaus entwickelt. 30 bis 40 Anbauer ziehen in den Kulturen aus kleinen Setzlingen ausgewachsene Weihnachtsbäume, die sie vor Weihnachten in ihren Höfen an einzelne Kunden oder an Händler verkaufen.

Der größte Mittelsinner Produzent und auch bayernweit ein Schwergewicht ist der 40-jährige Uwe Klug. Rund 80 000 Christbäume bringt allein er im Jahr in den Handel. Mit dem Geschäft dieses Jahr ist er zufrieden: „Es läuft sehr gut.“ Das muss es auch, denn Klug lebt von dem Geschäft mit den Bäumen. Er lebt von Weihnachten. Zwar produziert er das ganze Jahr über auch Schnittgrün und Trauerkränze, aber sein Hauptgeschäft sind die Christbäume.

Klug verkauft seine und auch zugekaufte Bäume an größere und kleinere Händler in Mengen von 50 bis zu 10 000 Stück. Ab und zu kommen auch Privatkunden vorbei, die einen Baum fürs Wohnzimmer wollen. In der Woche vor Weihnachten hat Klug nur noch wenige Bäume auf dem Lagerplatz. Ende November ist die Zeit, in der es auf dem Hof rappelt. Dafür schlägt er jedes Jahr schon um den 5. November herum die ersten Bäume, zu 95 Prozent Nordmanntannen. Dabei ist Nordmanntanne streng genommen ein irreführender Begriff, stammen die Samen der Bäume doch aus dem Kaukasus.

Seit 1976 Nordmanntannen

Die Christbaumproduzenten beziehen die drei- bis vierjährigen Setzlinge von Baumschulen. Dann wächst so ein Bäumchen noch einmal rund acht Jahre, bis es eine Größe von zwei Metern erreicht hat. Der 69-jährige Ludwig Richter, der an Privatkunden und kleine Händler verkauft, sagt, er sei 1976 der erste in Mittelsinn gewesen, der Nordmanntannen gesetzt habe. Früher habe er wie die anderen Produzenten im Ort Landwirtschaft betrieben. Als sich das nicht mehr rentierte, stiegen viele nach und nach auf Christbäume um.

Einer davon ist der 78-jährige Werner Wolf. Der weiß zu erzählen, dass ursprünglich Fellen und Wohnrod die Nase vorn hatten in Sachen Christbaumanbau. Auf drei, vier Hektar baut der Rentner heute Bäume an. Und die wachsen nicht von alleine: „Man hat den ganzen Sommer in den Kulturen zu tun.“ Gras und Unkraut gilt es fernzuhalten, die Bäume zu schneiden und richten, damit sie gerade wachsen und ein dichtes volles Nadelkleid bekommen. Die Arbeit sei mit der von Winzern vergleichbar.

Großproduzent Klug beobachtet eine immer stärkere Regionalität im Weihnachtsbaummarkt. Seien früher viele Bäume aus Dänemark gekommen, könne Deutschland heute seinen Bedarf zu 80 Prozent selbst decken. Zudem blieben 90 Prozent seiner Bäume im Umkreis von 150 Kilometern. Er selbst, Kassenwart im Bundesverband der Weihnachtsbaum- und Schnittguterzeuger, habe das Etikett „Weihnachtsbaum aus deutschem Anbau“ entwickelt. In Zukunft könnte er sich eine lokalere Vermarktung seiner Bäume und für Mittelsinn den Slogan „Das Christbaumdorf im Spessart“ vorstellen.

Um der Kritik am Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Christbaumkulturen zu begegnen, habe er ein größeres Institut mit Nadelanalysen beauftragt, so Klug. Institutsmitarbeiter hätten verschiedene Nadeln stichprobenartig mitgenommen und untersucht. Das Ergebnis: Es hätten sich in den Nadeln Rückstände erlaubter Mittel in Höhe von zehn Prozent der in Grundnahrungsmitteln zugelassenen Menge gefunden. „In Brot oder Salat ist mehr erlaubt“, so Klug. Überhaupt hätten Studien gezeigt, dass Christbaumkulturen die ökologisch saubersten Umbrechkulturen, also sauberer als Ackerwirtschaft, seien und sogar Lebensraum für Tiere wie Heidelerchen böten.

2000 Bäume gestohlen

Immer wieder ein Thema sind im Sinngrund Christbaumdiebstähle. Davon kann auch Ludwig Richter ein Lied singen: Bei ihm seien vergangenes Jahr 2000 kleine Bäumchen gestohlen worden. Richter: „Die Lumpen, die traurigen.“ Kollege Klug meint, dass manchmal bei den Leuten ein Unrechtsbewusstsein fehle. Auch Tannenwedel werden in seinem Betrieb noch genutzt und können nicht einfach mitgenommen werden. „Ich gehe doch auch nicht einfach in Gärten und hole mir gelbe Rüben“, sagt Klug. Bei größeren Diebstählen vermutet er Diebe im gewerblichen Bereich. Noch mehr als Diebe fürchten die Anbauer jedoch Frostschäden im Frühjahr wie die letzten beiden Jahre.

Überall in Mittelsinn werden Christbäume angebaut: Ludwig Richter zeigt in einer Kultur einen Baum mit Vogelschutz, der im Frühjahr die frische Spitze schonen soll.
Foto: Björn Kohlhepp | Überall in Mittelsinn werden Christbäume angebaut: Ludwig Richter zeigt in einer Kultur einen Baum mit Vogelschutz, der im Frühjahr die frische Spitze schonen soll.
Ein gewohnter Anblick: Vor Weihnachten kann man in Mittelsinn in vielen Höfen Christbäume kaufen.
| Ein gewohnter Anblick: Vor Weihnachten kann man in Mittelsinn in vielen Höfen Christbäume kaufen.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Diebe
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top