Norbert Mattis hatte alles penibel vorbereitet: Nur erfahrene Biker hatte er eingeladen, solche, die gut fahren können und ihre Maschinen aus dem Effeff kennen. Zudem gab's tags zuvor zum Warmrollen noch eine kurze Spritztour von Morlesau zur Kissinger Hütte. Paul Jung, der Mitorganisator aus Zellingen, hatte am Abend Zeit genug, mit Hilfe von Wasser und Kieselsteinchen den Rost aus dem Tank seines Oldtimers zu lösen. Nur eines hatte der 59-jährige Erlacher übersehen: Zwei der 21 Harley Davidsons, die am Samstag auf einer 175-Kilometer-Schleife durch den Spessart unterwegs waren, hatten kleinere Tanks als alle anderen.
Die Folge: Das Grüppchen Freunde, das den knatternden Tross auf dem Schlossplatz in Lohr erwartete, musste sich eine Stunde länger gedulden als geplant. Am Engländer musste Mattis für einen Tankstopp umdisponieren. Doch dann kamen alle wohlbehalten an. „Keiner hat gemurrt, obwohl wir bis zu vier Stunden lang im Sattel gesessen waren“, freute sich Mattis. „Die Rückmeldungen waren sehr positiv.“
320 organisierte Harley-Fans in Europa
Der Privatier und Fan antiker Motorräder hatte diese Fahrt mit Motorrädern ausschließlich der Marke Harley Davidson erstmals mitorganisiert. Mindestens 35 Jahre alt muss die Maschine sein, wenn sich deren Halter um eine Mitgliedschaft im Chapter Europe des Antique Motorcycle Club of America (AMCA) bemühen will. 11 000 Mitglieder zählt der AMCA laut Homepage weltweit, davon 320 in der europäischen Sektion.
Mattis ist Harley-Fan durch und durch. Damals, 1977, sei er der erste in Lohr gewesen, der eine dieser Kult-Motorräder gefahren habe, ist er sich sicher. Vor zehn Jahren kam er dann auf Umwegen zu einer der ältesten Maschinen in diesem Tross. Mit Baujahr 1937 ist sie 21 Jahre älter als er selbst.
Nazis verboten den Import
Die Nationalsozialisten hatten die Einfuhr der amerikanischen Maschinen schon 1935 verboten, nach dem „Anschluss“ Österreichs, also der Eingliederung des Bundesstaates Österreich in das nationalsozialistische Deutsche Reich im Jahr 1938, dann auch dort. Seine Harley sei damit eine der letzten, die in Wien importiert worden war, erzählt Mattis. Alle für den Export bestimmten Harleys seien damals mit der militärgrünen Farbe und mit Kilometer-Zähler (also nicht mit amerikanischem Meilen-Zähler) ausgeliefert worden.
Die meisten der stattlichen Maschinen werden von ebensolchen Männern gefahren. Männern mit Bärten und Bäuchen, eher in Lederhosen denn in Lederkluft. Was man ihnen nicht ansieht: Meist sind es auch Männer, die ein bisschen Kleingeld übrig haben oder die letzten Kröten zusammenkratzen für ihre Leidenschaft. Denn für solche betagte Modelle, wie sie Mattis durch den Spessart geleitete, müssen Harley-Freunde schon satte fünfstellige Summen locker machen.
Internationaler Freundeskreis
Aus der Schweiz, Österreich und Südtirol hatten Mattis und Jung Freunde eingeladen, aus England, Holland und Frankreich. Wäre den Schweden und Norwegern nicht etwas anderes dazwischen gekommen, wäre die Truppe noch internationaler geworden. Doch nach der gelungenen Premiere haben sie noch eine Chance: Wenn es nach Mattis geht, wird es in zwei Jahren eine zweite Auflage geben.