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Marktheidenfeld
Hinsehen, wo es schmerzhaft wird
Weibliche und multimediale Kunst im Franck-Haus: bei der Eröffnung (von links) Laudatorin Karina Chernenko, Künstlerin Joey Arand und Dritte Bürgermeisterin Susanne Rinno.
Foto: Martin Harth | Weibliche und multimediale Kunst im Franck-Haus: bei der Eröffnung (von links) Laudatorin Karina Chernenko, Künstlerin Joey Arand und Dritte Bürgermeisterin Susanne Rinno.
Martin Harth
Martin Harth
 |  aktualisiert: 10.02.2023 02:36 Uhr

Was bis Mitte März im rückwärtigen Ausstellungsbereich des Franck-Hauses in Marktheidenfeld zu sehen ist, sorgt sicher für Gesprächsstoff. Denn die Ausstellung "Entre deux" von Joey Arand ist anders als oftmals gewohnt: multimedial, digital, jung und vor allem unerhört weiblich. Da passte es gut, dass es Marktheidenfelds Dritter Bürgermeisterin Susanne Rinno vorbehalten blieb, die Künstlerin vor etwa 90 Gästen zu begrüßen.

Sie erinnerte daran, dass die 1990 geborene Joey Arand aus Karlstadt stammt. Sie absolvierte an der Kunsthochschule Kassel, an der sie heute unterrichtet, ein Studium der Visuellen Kommunikation. Schon in jungen Jahren machte die Künstlerin beim Jugendkulturpreis "Justi" der Jugendstiftung des Landkreises Main-Spessart auf ihr kreatives Talent aufmerksam. Rinno dankte den Sponsoren Bürger-Kultur-Stiftung, Rotary Club Lohr-Marktheidenfeld, Raiffeisenbank Main-Spessart und Bauunternehmen Schäfer & Geis, dass sie die Umsetzung des Projekts im Franck-Haus ermöglichten.

Ein Kopftuch das Künstlerin Joey Arand aus Echthaar webte.
Foto: Martin Harth | Ein Kopftuch das Künstlerin Joey Arand aus Echthaar webte.

Zu der ganz anders gelagerten Ausstellung "Stadtansichten" der Vhs, die zeitgleich im Galeriebereich des Kulturzentrums gezeigt wird, besteht eine Verbindung. In einem Gespräch mit der Internetplattform "Kunst und Kaviar" weist Arand darauf hin, dass sie in Kinderkursen der Vhs Karlstadt zum Interesse an der Kunst geführt wurde.

Neun Werke auf drei Ausstellungsebenen

Die drei Ausstellungsebenen im Franck-Haus nutzt Künstlerin Arand zur Installation von neun Werken. Dabei lässt sie ihren multimedialen Arbeiten mit Fotografie, Film und Ton in ihrer ersten großen Einzelausstellung bewusst viel Raum. Dadurch werden ihre persönliche Auseinandersetzung mit Themen wie Identität, weiblicher Körper, Zwänge und Vergänglichkeit wirkungsvoll zur Geltung gebracht.

Im Erdgeschoß rückt zunächst ein Thema in den Blick, das wohl viele beschäftigt: das gegenwärtige Leiden von Frauen im Iran, einem Land, das Joey Arand 2015 selbst besuchte. Sie erlebte den Kopftuchzwang als schmerzhaft und karikiert ihn mit ihrem "Haartuch" oder ihrem bedruckten "Kopftuch". Die Fotoserie "Schwalm" ist bewusst zu diesen Tüchern in Kontrast gesetzt, zeigt sie doch, dass die Hauben der Schwälmer Tracht in früherer Zeit ebenso Frauen einengten und symbolisch ihren Lebensweg offenbarten.

Bettwäsche mit fiktiven Telefonanrufen

Die Natur und ihre Bedrohung sind Inhalt eines Experimentalfilms im Obergeschoß, der ein inszeniertes "Archiv" von Pflanzenresten aus einem Kasseler Hinterhof mit 35 Stills aus den Aufnahmen begleitet. Im Untergeschoss setzen sich zwei bedruckte Bettwäschegarnituren auf einer Wäscheleine verbunden mit Toneinspielungen fiktiver Telefonanrufe unter den Titel "Wilde Ehe" mit dem gesellschaftlichen Zwang zur Heirat von Paaren auseinander. An anderer Stelle rückt die lebensgroße Installation "Ne me regarde pas" den männlichen Blick und die weibliche Scham schonungslos in den Fokus.

Hauben der nordhessischen Schwälmer Tracht engten einst Frauen ein, wie Joey Arand eindrucksvoll im Franck-Haus zeigt.
Foto: Martin Harth | Hauben der nordhessischen Schwälmer Tracht engten einst Frauen ein, wie Joey Arand eindrucksvoll im Franck-Haus zeigt.

Den nachhaltigsten Eindruck hinterließ bei vielen Eröffnungsgästen wohl der bereits mehrfach prämierte Kurzfilm "21:71 Uhr" aus dem Jahr 2021. Darin wird subtil das bisweilen tabuisierte Thema der Demenz aufgegriffen. Ohne Kommentar werden der drohende Verlust der Identität und die wachsende Entfremdung von der Alltagswelt im Alter einfühlend aufgezeigt.

"Hinsehen, wo es schmerzhaft wird", das sei ein Anliegen der Künstlerin Joey Arand, hob die Kunsthistorikerin Karina Chernenko hervor. Die Kasseler Kunst-Influencerin von "Kunst und Kaviar" lud in ihrer Einführungsrede zur genauen, konzentrierten Betrachtung der gezeigten Werke in einer Welt der täglichen Bilderflut ein. Für Joey Arand stehe der Mensch im Mittelpunkt und damit die Beziehung zu sich selbst, zu anderen und eben auch zur Natur.

Die Ausstellung "Entre deux" von Joey Arand ist bis 19. März im rückwärtigen Ausstellungsbereich des städtischen Kulturzentrums Franck-Haus (Untertorstraße 6) in Marktheidenfeld zu sehen, Mittwoch bis Samstag von 14 bis 18 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr.

 
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