
Dass Martin Luther dies tatsächlich so gesagt hat, ist eher unwahrscheinlich. Sein Auftreten vor dem Wormser Reichstag im Jahr 1521 ist aber in jedem Fall ein Meilenstein. Beim Dienstagstreff in der evangelischen Kirchengemeinde Lohr im November nahm Dekan Till Roth "500 Jahre Wormser Reichstag – Martin Luther und die Berufung auf das Gewissen" in den Blick. "Ich werde mit Ihnen heute tief bohren", betonte Dekan Till Roth mit einem Augenzwinkern. Locker, gut verständlich und wie versprochen mit Tiefgang brachte Roth den Zuhörenden nicht nur ein Stück Kirchengeschichte näher.
Nach geselligem Zusammensein zu Beginn, vorbereitet und organisiert von Wilma Schwarz, und nach passenden musikalischen Beiträgen von Martin Henning am Flügel kam man ins Gespräch über das Gewissen und wie es geprägt wird. Dekan Roth führte im Impulsvortrag zügig von Luthers Thesenveröffentlichung "… zur Klärung der Kraft der Ablässe" (1517) über dessen reformatorische Hauptschriften "An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" und "Von der Freiheit des Christenmenschen" (1520) zur Betrachtung des bekannten Luther-Zitats. Martin Luther wäre nur bereit gewesen, sich durch die Heilige Schrift oder vernünftige Gründe widerlegen zu lassen und berief sich auf sein Gewissen, das in Gottes Wort "gefangen" sei. Mit recht undiplomatischen Worten, die mit "Gott helfe mir, Amen" endeten, lehnte der Reformator den Widerruf seiner Schriften vor dem Wormser Reichstag ab.
Mit Verantwortung zu tun
"Was ist das Gewissen?", mit dieser Frage lockte Roth die Teilnehmenden in den Austausch. "Eine innere Stimme, die zu mir spricht, die mir sagt, was gut und böse oder falsch und richtig ist." "Es hat etwas mit Verantwortung zu tun." "Das Gewissen ist getrennt von mir und meinen Gedanken." Das Gewissen als unabhängige Instanz im menschlichen Bewusstsein wurde von verschiedenen Seiten beleuchtet. Die Dienstagstreff-Besuchenden tauschten Überlegungen aus, inwieweit das Gewissen geprägt und wovon es beeinflusst wird. Das Gewissen als Mitwisser? Abhängig von gesellschaftlichen Normen oder ethischer Orientierung? In freier Entscheidung eines Einzelnen gebunden an die Bibel? Weiterdenken wurde angeregt. Roth stellte der Aussage Luthers die sorgfältig formulierte Erklärung des erst 21-jährigen Kaisers Karl V. gegenüber. Damit bekannte sich jener junge Herrscher zur tausendjährigen Tradition seiner Kirche, zur Tradition seiner Vorfahren über Generationen hinweg und zur Treue gegenüber dem Papst.
Das in den Erklärungen anklingende unterschiedliche Kirchenverständnis der evangelischen und römisch-katholischen Kirche wurde bedacht und führte zum Austausch persönlicher Erfahrungen. Eine thematische Fortsetzung lag in der Luft und wird sicher bei Gelegenheit in Angriff genommen.
Von: Carolin Esgen für die evangelische Kirchengemeinde