
Die Lupine gilt heute als invasive Pflanze, die sich auch im Naturschutzgebiet Sinngrund breitmacht. Früher aber war der Sinngrund eine Hochburg des Lupinenanbaus. Was heute der Christbaumanbau ist, war für den Sinngrund früher die Lupine. Vor 150 Jahren, im Jahr 1874, wurden dort über 1800 Tagwerk, rund 600 Hektar, mit Lupinen bestellt und durch den Verkauf 32.000 Gulden erlöst. Einige Orte im Sinngrund, so schrieb ein Autor Spieß 1875 im "Wochenblatt für Land- und Forstwirthschaft, hätten ihren Wohlstand "einzig und allein dem Lupinenanbau zu danken", den im Jahrzehnt zuvor ein Gutspächter begonnen habe. Aber ihr Anbau wurde damals von Landwirtschaftsexperten auch als problematisch betrachtet.
Heute gilt die Lupine vor allem für den Naturschutz als problematisch. Im Herbst 2023 teilte der Naturpark Spessart mit, dass er gemeinsam mit der unteren Naturschutzbehörde Main-Spessart den Kampf gegen den Eindringling aufgenommen hat. Zum damaligen Zeitpunkt beschränkte sich das Vorkommen im Sinngrund auf einen kleinen Bereich bei Rieneck. Hier standen jedoch bereits Tausende Exemplare, hieß es in der Pressemitteilung. Allerdings handelt es sich hierbei um die aus Nordamerika stammende Vielblättrige Lupine, auch Stauden-Lupine genannt. Im Sinngrund angebaut wurde hingegen die Süßlupine, die in Südeuropa, Nordafrika und Vorderasien heimisch ist.
Hohenroths Gutpächter Heinrich Strecker war der Lupinen-Pionier
Es war Heinrich Strecker, ab etwa 1856 rund zwei Jahrzehnte lang Pächter des Hofguts Hohenroth, der die Lupine in den Sinngrund brachte. Er baute sie im Fruchtwechsel mit Kartoffeln und Winterroggen an – die gelbe für Heu und Schafbeweidung, die blaue zur Körnergewinnung. Von Hohenroth aus breitete sich der Anbau im Sinngrund aus, schrieb das landwirtschaftliche Kreiscomité für Unterfranken und Aschaffenburg in seinem Jahresbericht 1874. Damals wurden in neun Gemarkungen Lupinen angebaut, der Zentner wurde mit dreieinhalb bis vier Gulden bezahlt. Rund 8500 Zentner Lupinenkörner wurden damals verkauft. Unter anderem in Obersinn saßen Großhändler.
Der Anbau der Lupine spielte bei der Überführung von sogenannten Berg- und Wildfeldern in Dauerackerland eine wichtige Rolle, da mit ihrer Hilfe dem Boden genug Nährstoffe in Form von Gründünger zugeführt werden konnten, schrieb der aus Mittelsinn stammende Ludwig Reusch 1959, der geografische Studien über seine Heimat verfasste.
Der begeisterte Autor des Aufsatzes im "Wochenblatt" nannte die Lupine 1875 denn auch "das Gold der Wüste für arme Sandgegenden". Er selbst kaufe aus dem Sinngrund Lupinensamen als stickstoffreichen Leckerbissen für seine Schafe während der Lammzeit. "Die Lupinen bilden im ganzen Sinngrund für die dicht bevölkerte Gegend einen allgemein verbreiteten, sehr einträglichen Handelsartikel", schrieb er und gab Hinweise zum Anbau. Da beim Einfahren der getrockneten Pflanzen die Schoten gerne aufspringen, sei es ratsam, die Wagen mit Tüchern zu belegen, so sein Tipp.
Lupinen ermöglichten Steigerung beim Getreideertrag
Die Lupine gedieh damals wie heute prächtig auf dem mageren Bundsandsteinboden des Sinngrunds. Sie wurde damals oft auf brach liegenden Grundstücken angebaut, deren Böden durch vorherige Kulturen ausgelaugt waren. "Die Lupinen liefern hier nicht nur ganz befriedigende Erträge, sondern der Roggen und Hafer gedeihen nunmehr auch wieder, wenn die Lupinen als Gründünger untergepflügt wurden", hieß es im Comité-Jahresbericht. Die Getreidemenge habe sich dadurch im Sinngrund beträchtlich gesteigert.

"Allein zu bedauern bleibt trotz all der augenblicklichen, günstigen Erfolge, daß unsere Lupinenbauer nicht wissen, was sie thun, wenn sie Lupinen verkaufen, statt sie selbst zu verfüttern oder grün unterzupflügen", hieß es vom landwirtschaftlichen Kreiscomité vor 150 Jahren. Denn durch die tiefwurzelnden Lupinen würden sie nun den Untergrund ebenso ausrauben wie ihre Vorfahren einst den Ackerboden. "Sie verkaufen jetzt in den Lupinen ihr seither im Untergrunde unverzinslich gelegenes Grundkapital."
Lupine laugte den Untergrund aus
Zu einem dauernden Segen werde daher der Lupinenanbau im Sinngrund nicht, so die Vorhersage. Das würde nur geschehen, wenn man Lupinen nur zum Verfüttern oder zum Unterpflügen anbaute. Davon würden alle Kulturpflanzen profitieren. Die Jauche sei ebenfalls sorgfältig einzusetzen. So wäre dem Sinngrund "für alle Zeiten geholfen". "Bei dem jetzigen Verfahren aber werden seine Bewohner später unausbleiblich inne werden, daß auch für die Lupine, wenn man sie mißbraucht, das Sprüchwort gilt, daß sie reiche Väter und arme Kinder mache." Der Autor im "Wochenblatt" schilderte jedoch, dass Rinder Lupinen nicht gerne fressen, da sie bitter schmeckten. Pionier Strecker gewöhnte seine Kälber mit zunächst kleinen Mengen an die Lupine.
Das Komitee rechnete vor, welchen Verlust an Kali, Phosphorsäure, Natron und dergleichen die verkauften 8500 Zentner Lupinen für den Boden bedeuteten. Insgesamt 280 Zentner "Aschenbestandtheile" seien die Bedingung der Fruchtbarkeit des Bodens für die Lupinen gewesen. Mit den Nährstoffen ließen sich 8000 Zentner Roggen erzeugen, hieß es. Irgendwann, so prophezeite das Komitee vor 150 Jahren, werde der Untergrund auch für die Lupine erschöpft sein. "Derselbe ist alsdann schlechter als vorher, denn sein Untergrund ist nunmehr für tiefwurzelnde Pflanzen ebenso unfruchtbar, wie es seine Ackerkrume für die flachwurzelnden schon längst war."
Der Sinngrund war führend im Lupinenanbau
Die im Sinngrund mit Lupinen bestellte Gesamtfläche betrug 1893 717 Hektar – weit über die Hälfte der im ganzen Regierungsbezirk Unterfranken bestehenden Lupinenanbaufläche, so Reusch. Der Lupinenanbau im Sinngrund boomte bis zum Ersten Weltkrieg. Dann verlor er durch den vermehrten Einsatz von Kunstdünger allmählich an Bedeutung.