Großer Beifall brandete auf, als Henning Scherf im Karlstadter Rathaussaal den Wandel betonte, den Deutschland seit dem Krieg vollzogen hat. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass in den Nachkriegsjahren hier so viel Offenheit entsteht, auf die Nachbarn zuzugehen.“
Deutschland sei geprägt von Verständnis und Neugierde – und das in einem Land, in dem es zunächst so viel Zustimmung zum Kurs der Nazis und so wenig Gegenwehr gegeben hatte. Von außerhalb werde Deutschland viel heute positiver gesehen als im eigenen Land – nach Krieg, Leid, Teilung und Not.
In seinem Vortrag ging es im Wesentlichen darum, wie Menschen ihr Alter gelingend gestalten können, nämlich durch Aktivsein und indem sie füreinander da sind. Der frühere Bremer Bürgermeister breitete seine „Sehnsuchtsfantasie“ aus, „dass wir eine Zivilgesellschaft werden können, in der alle in gegenseitigem Respekt einander beistehen“.
Seine besondere Zuneigung zu Menschen drückte er vor Beginn seines Vortrags aus, indem er durch die Stuhlreihen ging und sämtliche knapp 200 Zuhörer persönlich per Handschlag begrüßte. Dabei merkte er sich sogar einzelne Personen. Beispielsweise steuerte er bei der späteren Fragerunde auf Reinhold Möller zu, von dem er sich eingeprägt hatte, dass er früher Retzstadter Bürgermeister war.
Scherf sieht darin, dass Menschen aufeinander zugehen und sich zusammentun, die beste Möglichkeit Altersdepression vorzubeugen. Es komme nicht nur auf Ärzte an, „die an Symptomen kurieren und dies und jenes wegschnippeln“, sagte er überspitzt. Die mentale Verfassung des einzelnen Menschen spiele eine enorme Rolle für sein Wohlergehen.
In seinem Vortrag hatte er geschildert, wie eine Bremer Grundschule mit extrem hohem Migrationsanteil eine der besten in Deutschland geworden sei. Zuhörer Günther Maier wollte dann aber doch wissen, weshalb Bremen eine hohe Arbeitslosigkeit habe und die Schulbildung nicht als die beste gilt.
Scherf erklärte die schlechten Beschäftigungszahlen mit zwei Faktoren: Erstens seien wesentliche Industriezweige wie etwa der Schiffbau weggebrochen. Zweitens würden Großstädte generell Menschen mit schlechteren Perspektiven anziehen – so etwa Migranten oder Arbeitslose. „Arbeitslosigkeit kann man auf dem Dorf schlechter verstecken als in der Großstadt.“ Er gab auch zu bedenken, dass Bremen prozentual die meisten Millionäre und ein hohes Bruttoinlandsprodukt hat. Mehr als 60 Prozent der Schulkinder hätten Migrationshintergrund. Das erschwere die Arbeit in den Schulen.
Der Vortrag mit dem Thema "Alter & Gesundheit, (Wie) geht das?" war der Auftakt zur Kampagne „Meine Gesundheit – mein Freiraum“ des Bayerischen Gesundheitsministeriums im Landkreis Main-Spessart. Veranstalter waren die Volkshochschule Karlstadt und das Gesundheitsamt Main-Spessart. Ausführliches Interview siehe Meinungsseite dieser Zeitung vom Mittwoch.