
Eine Krise jagt derzeit die nächste und so gerät die Flutkatastrophe im Ahrtal, die sich am 15. Juli zum ersten Mal jährte, schnell in Vergessenheit. Mehr als 14 Monate sind die Mitglieder der Initiative "Helmstadt - für das Ahrtal" für die Menschen in Dernau im Einsatz und wissen – es braucht noch viele Jahre, bis dort wieder Normalität einkehren kann. Besorgt sehen sie, dass das Interesse der Menschen nachlässt und damit auch die Spendenbereitschaft. Am liebsten möchten die Mitglieder der Initiative es laut in die Welt schreien: "Vergesst uns das Ahrtal nicht".
Auch über ein Jahr nach der Flut leben noch viele Menschen in Containern, haben in ihren zerstörten Häusern noch keine funktionierende Heizung oder es fehlt einfach das Baumaterial, berichtet Kerstin Bauer. Gehbehinderte Menschen sind aufgeschmissen, Barrierefreiheit ist ein Luxus. Die Infrastruktur wurde in weiten Teilen nur behelfsmäßig wieder hergestellt. Viele Betroffene erzählen von Problemen mit den Versicherungen, die immer wieder neue Gutachten anfordern. Die von der Politik zugesagte "schnelle finanzielle Hilfe" komme nicht an.
"Wir hören von vielen Problemen", berichtet Evelyne Kemmer. Die Behörden seien zur Normalität zurückgekehrt. Anträge wären kompliziert und eine Antwort dauere. Der Herbst steht vor der Tür, Preissteigerungen und Materialmangel tue das Übrige. Alles dauere unheimlich lange, zu lange, um schnell ein Stück Normalität für die Flutopfer zu schaffen. Es brauche aber schnelle Hilfe, um den Menschen im Ahrtal wieder Hoffnung zu geben. Reinhard Gabel ist davon überzeugt, dass es noch Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte brauche, bis die Narben in der Landschaft und die Narben an den Seelen der Menschen verheilt sind.
Aus dem Helfer-Duo wurde schnell eine ganze Initiative
Überwältigt von den Eindrücken, von der unvorstellbaren Naturgewalt die den Menschen in Dernau ihre Vergangenheit mit in die Fluten gerissen hat, engagieren sich die Helmstadter auch weiterhin. Bereits wenige Tage nach der Flut hatten sich Gerald Wiegand und Elmar Bauer auf den Weg in das Katastrophengebiet gemacht, um zu helfen. Erschüttert vom Ausmaß, von den Eindrücken und dem Leid, das sie gesehen haben, war beiden klar, hier braucht es sofort Hilfe.
Schnell wurde aus dem Duo eine Initiative, die gezielt im Katastrophengebiet half. Die Helmstadter organisierten Helferbusse und fuhren mit Werkzeug nach Dernau, einem knapp 1800 Einwohner starken Dorf an der Ahr, das schwer von der Flut zerstört wurde. Es wurden Netzwerke mit anderen Initiativen und Menschen vor Ort gegründet, um die Hilfe gezielt zu organisieren. In den ersten Tagen mussten Keller und Häuser vom Schlamm befreit werden. Dann ging es ans Aufräumen, Abreißen und Aufbauen.
Organisation und Logistik sind für die Initiative sehr wichtig
Die Initiative wurde immer mehr zur logistischen Zentrale, die, nach den Aufträgen der Helfer im Ahrtal, Sach- und Geldspenden in Helmstadt und den Nachbargemeinden organisierten oder Handwerker für die Einsätze im Katastrophengebiet ehrenamtlich motivierten. Um schneller und gezielter Helfer und Sachspenden ins Ahrtal zu bringen, finanzierte die Initiative über einen Sponsor einen Sprinter. Er erleichtert den Helfern die Fahrten ins Katastrophengebiet. Sollte er in einigen Jahren nicht mehr gebraucht werden, erklärte Kerstin Bauer, wird er dem Ahrtal zur Verfügung gestellt oder für ein Projekt dort versteigert.
Es sind die kleinen Dinge, die den Menschen in Dernau Hoffnung geben. Gerald Wiegand erzählt vom Einrichten von Büroräumen, die ein berufliches Weitermachen möglich machten. "Wir haben gezielt bei den Firmen in der Region nachgefragt, die Möbel auf den Laster gepackt und sind zum Aufbauen nach Dernau gefahren. Das ist nur ein Beispiel, wie die Helmstadter die Hilfe organisieren. Die vielen einzelnen Aktionen der Initiative könnten bereits nach einem Jahr ein ganzes Buch füllen. Wie die Gestaltung eines Gartens, der durch die Mitglieder in vielen Stunden harter Arbeit und mit viel Herzblut wieder zum Blühen gebracht wurde. "Er wirkt irrational in einer von der Natur zerstörten Straße und zeigt den Menschen doch, es geht weiter." Denn es sind die Hoffnung und der Glaube an eine Zukunft, die die Menschen im Ahrtal so dringend brauchen.