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MAIN-SPESSART
Heimat im Wandel: Parteien ohne Mitglieder
Interesse an Parteiarbeit lässt nach: Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit, heißt es im Artikel 21 des Grundgesetzes. Dazu stellen sie Kandidaten auf. Das wird aber immer schwieriger, wenn es immer weniger Parteimitglieder gibt.
Foto: Jens Wolf | Interesse an Parteiarbeit lässt nach: Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit, heißt es im Artikel 21 des Grundgesetzes. Dazu stellen sie Kandidaten auf.
Von unserem Redaktionsmitglied Klaus Gimmler
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:07 Uhr

Die Heimat ist im Wandel, daher sind es auch die Parteien. Bundesweit klagen vor allem CDU und SPD über dramatische Mitgliederverluste. Wie ist es im Landkreis Main-Spessart? Haben die Kreisverbände auch deutlich an Mitgliedern in den letzten Jahrzehnten verloren? Gibt es die Probleme mit der Vergreisung und mangelndem Nachwuchs in der Ortsverbänden des Landkreises? Eine Recherche zu diesem Thema erwies sich allerdings als schwierig. Einige Kreisverbände taten sich schwer, aktuelle Daten herauszugeben.

Zunächst zur mit Abstand größten Partei im Landkreis, der CSU: Kreisvorsitzender Thorsten Schwab gibt die Zahl der Mitglieder mit 2295 an. Davon seien ungefähr 2000 Mitglieder bei der CSU, hinzu kämen noch etwa 300 bei der Jungen Union, Frauen-Union und Senioren-Union, wobei, wie er betont, es sich dabei nicht um Doppelmitgliedschaften handelt.

Mitgliederschwund durch Tod

Vergleichszahlen zu früher will Schwab nicht nennen. Er gibt aber zu, dass die Kreis-CSU in den letzten Jahrzehnten Mitglieder verloren hätte. Allerdings sei das nicht dramatisch, wiegelt er ab. Es gäbe mehr Eintritte als Austritte. Durch die Sterbefälle sei die Zahl der Mitglieder jedoch leicht rückläufig. Seiner Meinung nach liegt das noch an der Gebietsreform vor 40 Jahren. Diese hätte aufgrund persönlicher Betroffenheit zu einem Höchststand bei den Mitgliederzahlen geführt, der so nicht zu halten gewesen war.

Wie ist es bei der SPD? SPD-Kreisvorsitzender Harald Schneider sagt, dass die SPD im Kreis etwa 850 Mitglieder habe. Im Vergleich zu 1990 hätte die SPD damit etwa 200 Mitglieder verloren. Das Schlimme daran: Der Altersdurchschnitt der SPD-Mitglieder liege bei etwa 60 Jahren. „Die wenigen jungen Leute, die wir gewinnen, arbeiten nur über einen kurzen Zeitraum hinweg mit“, sagt Schneider. Sie müssen oft wegen Arbeitsplatzwechsel oder Studium sehr flexibel sein. Zudem hätten manche jungen Leute überzogene Vorstellung von Parteiarbeit. „Nach dem Motto Kreissaal, Hörsaal, Plenarsaal sehen sich viele schon gleich als Abgeordnete, ohne auch nur eine Stunde Kärrnerarbeit geleistet zu haben.“

Persönliche Betroffenheit

Schneider sagt weiter, dass es schwieriger geworden ist, die Jugend für Politik zu begeistern. Es spiele die persönliche Betroffenheit eine ganz große Rolle. Als Beispiel nennt er die Studiengebühren. Hier waren plötzlich einige Studenten da, die sich aber nur in diesem speziellen Problemfeld eingebracht haben. Nur über die persönliche Betroffenheit kämen junge Menschen in die Partei und dann oft aber nur für eine kurze Phase. Er appelliert an die Bürger, sich für Politik einzusetzen. Er sei selbst über die Arbeit in verschiedenen Bürgerinitiativen zur Politik gekommen. „Meckern am Stammtisch oder Leserbriefe schreiben allein genügt nicht“, sagt er. Er habe jedenfalls sein Engagement in der Politik zu keiner Zeit bereut.

Eine mächtige Gruppierung im Landkreis sind die Freien Wähler, die den Landrat und auch viele Bürgermeister stellen. Allerdings lässt sich ihre Stärke nicht an Mitgliederzahlen messen, denn die Freien Wähler sind von ihrem Selbstverständnis frei. Von Altlandrat Armin Grein stammt der Satz, „die Freien Wähler scheuen das Parteibuch wie der Teufel das Weihwasser“. Einige Informationen über die Stärke der Freien Wähler in Main-Spessart gibt es aber in der Landesgeschäftsstelle in München. Dort sind für den Landkreis 21 Ortsverbände gemeldet, in denen insgesamt 860 Personen organisiert sind, sagt Leiter Michael Fischl. Die Zahl von 860 ist allerdings nicht durch Mitgliedsausweise gesichert – die gibt es ja nicht –, sondern sie setzt sich aus den Angaben zusammen, die die Ortsverbände selbst über die Zahl ihrer aktiven Mitstreiter machen. Da nach deren Höhe auch die Beiträge des Ortsverbands an den Landesverband festgelegt wird, glaubt Fischl, dass die Zahl in Wirklichkeit eher höher als niedriger ist.

Im Kreisverband Main-Spessart sind nach Angaben von Fischl 200 Freie Wähler organisiert. Dann gibt es noch die Bundesvereinigung der Freien Wähler, die zu den überregionalen Wahlen antritt. In dieser sind für den Landkreis Main-Spessart 45 Mitglieder gemeldet.

74 Mitglieder der Grünen

Die Grünen in Main-Spessart haben derzeit 74 Mitglieder, sagt Kreisvorsitzender Gerhard Kraft. Das sei bei den Grünen für den ländlichen Raum normal und diese Zahl sei vom Höchststand von um die 80 nicht weit entfernt. Auch Kraft weist darauf hin, dass der Kreisverband durch den Wegzug von Studenten immer wieder junge Mitglieder verliert. Starke Ortsverbände haben die Grünen in Lohr und Karlstadt, zudem gibt es einen weiteren in Zellingen. Auch in Marktheidenfeld hat es mal einen Ortsverband gegeben, allerdings ist dieser zum Bedauern des Kreisvorsitzenden Kraft nicht mehr aktiv.

Traditionell schwach ist die FDP im Landkreis Main-Spessart, die nach dem Austritt von Kreisrat Volkmar Göbel noch nicht einmal im Kreistag mit einem Mandat vertreten ist. Wieviel Mitglieder die FDP im Landkreis genau hat, war nicht zu erfahren. Es seien unter 50, sagte der zum Zeitpunkt der Anfrage noch amtierende Kreisvorsitzende Alexander Goldberg. Die FDP im Kreis Main-Spessart sei schon immer ein kleiner Verband gewesen, der Bestand sei aber relativ konstant. Daran hätten auch die beiden verlorenen Wahlen in diesem Jahr nichts geändert. Goldberg hat allerdings inzwischen den Liberalen auch selbst den Rücken gekehrt. Zum neuen Kreisvorsitzenden der Partei wurde, wie berichtet, Helge Schneider aus Esselbach gewählt.

Abschließend zu den Linken: Die Partei hat nach Angaben von Kreisgeschäftsführer Georg Kehrer elf Mitglieder im Landkreis. Er verweist darauf, dass die Linke eine noch junge Partei ist, die sich aus dem gewerkschaftlichen Milieu speist. Viele seien ehemalige SPD- und Grünen-Wähler, die aber nach der Agenda 2010 oder den ersten Kriegseinsätzen der Bundeswehr mit diesen Parteien gebrochen haben. Nachwuchsprobleme gibt es auch bei den Linken. „Zu einem Engagement vor Ort gehört, dass man für sich eine Zukunft vor Ort sieht“, meint Kehrer. Dies sei bei den jungen Leuten aufgrund des Zwangs, mobil zu sein, oft nicht gegeben.

Große Parteien als Verlierer

Fazit: Vor allem die großen Parteien haben einen deutlichen Mitgliederrückgang erfahren. Über die Gründe wird auch in der Wissenschaft diskutiert. Eine mögliche Erklärung ist, dass es einen gravierenden Wandel in der Bereitschaft gibt, einer Partei beizutreten. Reine Unterstützungs- und Bekenntnismitgliedschaften waren früher, als es nur drei im Bundestag vertretene Parteien gab, gang und gäbe. In den letzten Jahrzehnten haben sie an Bedeutung verloren. Es treten verstärkt nur noch solche Menschen in politische Parteien ein, die sich dort auch aktiv beteiligen wollen. In der Folge sinkt die Zahl der Parteieintritte.

ONLINE-TIPP

Alle Texte der Serie „Heimat im Wandel“ finden Sie im Internet unter www.mainpost.de/heimat

Bundesweite Mitgliederzahlen der Parteien

Die Volksparteien haben in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch an Mitgliedern verloren. Sie zählen damit auch zu den großen Verlierern des demografischen Wandels.

Der SPD gehörten 1990 bundesweit noch 943 400 Mitglieder an, 2012 waren es nur noch 477 000. Damit ist die Partei in den 22 Jahren um die Hälfte geschrumpft.

Bei der CDU gibt es eine ähnliche Entwicklung. Die Christdemokraten sind von 790 000 (1990) auf 476 300 Mitglieder (2012) gesunken. Auch die CSU hat verloren – von 186 000 (1990) auf 148 000 Mitglieder (2012).

Die FDP hat in den vergangenen drei Jahren mächtig Mitglieder eingebüßt und sank bundesweit Ende 2012 auf 58 675 Mitglieder. 1990 waren es noch 168 000 Mitglieder gewesen.

Die Grünen vermelden als einzige Partei Zuwächse. 2012 lag die Mitgliederzahl knapp unter 60 000. 1990 waren es noch 41 300 gewesen.

Bleibt die Linke: Sie hatte 2012 63 700 Mitglieder, wobei der Großteil in Ostdeutschland beheimatet ist und früher der PDS angehörte. 2007 kam es zum Zusammenschluss mit der „Wahlalternative für Arbeit, Soziales und Gerechtigkeit“. gi

 
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