Seit dem Kauf des Hegewaldgeländes zwischen Friedhof und Campingplatz ist die Stadt Karlstadt im Besitz eines Areals mit wechselvoller Geschichte. Es wird spannend zu sehen, wie das Grundstück entwickelt wird. Im 19. Jahrhundert entstand hier die erste Fabrik des bis dahin von Bauern und Handwerkern geprägten Städtchens. Die Firma Schürer ließ hier Zigarren wickeln.
Zuvor war dort das Gelände der Ziegelhütte. Aus der Schürerschen Chronik geht hervor, dass es im Ostteil ein einstöckiges Fabrikationsgebäude gab, dazu eine Trockenhalle, einen Stall, eine Remise und andere Nebengebäude. Auch ein gepflegter Nutz- und Baumgarten sowie ein bewohnbares Gartenhaus gehörten dazu. Dabei muss es sich um das Buntsandsteingebäude handeln, das jetzt auf dem oberen Campingplatz als Sanitärgebäude dient. Es ist offenbar das älteste erhaltene Bauwerk diese Areals.
Keine sozialistischen Strömungen
Der Fabrikant Joseph Schürer hatte in Würzburg bereits eine Zigarrenfabrik. 1871 kam es zu personellen Engpässen bei der Zigarrenproduktion mit ihren enormen Zuwachsraten, heißt es in der Schürerschen Chronik. Schürer suchte in der Umgebung nach einem Gewerbegrundstück in einer Gemeinde mit guter Verkehrsanbindung und mit "genügend jüngeren Frauen, die ortsgebunden und unbeeinflusst von sozialistischen Strömungen gerne eine regelmäßige Arbeit annahmen" – und das zu günstigen Lohnkosten. Zufällig wurde südlich von Karlstadt ein Areal mit 12 000 Quadratmetern Fläche angeboten.
Im Juli 1873 kaufte Schürer für 9800 Gulden das Grundstück von der Gasse an der Friedhofsmauer bis hinunter zum Leinritt. Der Main reichte damals noch bis zum Baggertsweg. Schürer errichtete eine Filiale seiner Würzburger Zigarrenfabrik. Im Juni 1874 waren die Abriss-, Bau- und Umbauarbeiten abgeschlossen. Offenbar stammen das längliche Gebäude mit den auffälligen Gauben und das Buntsandsteingebäude trotz des unterschiedlichen Baustils gleichermaßen aus dieser Zeit. Auf einem alten Stich hat das als Maschinenhaus bezeichnete Buntsandsteingebäude einen wesentlich höheren Kamin als heute. Und das längliche Gebäude wird als Produktionsgebäude bezeichnet, an das wohl 1877 das Faktorhaus angebaut worden war – mit Büro im Erdgeschoss und der Wohnung darüber.
Arbeitsplätze für Frauen
Schürer warb junge Männer und Frauen aus Karlstadt, Mühlbach und Laudenbach an. Ein Jahr später war mit 65 Beschäftigten, davon 60 Prozent Frauen, der geplante Personalstand erreicht. Wegen Problemen in der Zigarrenbranche – Heimarbeit wurde eine starke Konkurrenz – wurde die Fabrik jedoch 1880 schon wieder stillgelegt. Drei Jahre später folgte mit anfänglich 20 Leuten ein Neuanfang.
Parallel dazu wurde in Karlstadt 1880 die Brücke fertiggestellt. Linksmainisch begann die Zementproduktion. 1885 wurden rechtsmainisch die ersten Industrieanlagen der Portland-Cementfabrik erreichtet.
In der Nacht vom 19. zum 20. Februar 1914 kam es zu einem Großbrand in der Zigarrenfabrik Schürer. Mit großen Mengen von getrockneten Tabakblättern, fertigen Zigarren und den Holzeinrichtungen fanden die Flammen reichlich Nahrung und loderten schon weit über das Dach hinaus. Die zu dem Zeitpunkt 75 Beschäftigten hatten dadurch keinen Arbeitsplatz mehr. Doch schon eine Woche später wurde der Betrieb wieder aufgenommen – bei der Wirtsfamilie Riedel in Mühlbach und in Räumen des Zementwerks.
Schürer verkauft an Hegewald
Im März 1918 äußerte die Firma Schürer Verkaufsabsichten ihrer Zigarrenfabrik. Das geht aus der von Manfred Schneider zusammengestellten "Karlstadter Chronologie" hervor. Ingvelde Hegewald, die das Gelände jetzt an die Stadt verkauft hat, sagt, die Stadt habe des Gelände kurzzeitig zwischenerworben. Der Verkauf an ihren Großvater Simon Hegewald sei genehmigt worden mit der Maßgabe, dass es an die Stadt zurückfällt, wenn die Familie Hegewald es einst verkauft. Damit sei das städtische Vorkaufsrecht besiegelt gewesen.
Für 105 000 Mark kaufte Simon Hegewald das Gelände. Der Tiefbohrunternehmer aus Nürnberg hatte seinen Wohnsitz nach Karlstadt zu verlegen und sein Geschäft ausnahmslos von hier aus zu betreiben. Die Brunnenbohrfirma wurde bis 1969 von der Familie Hegewald betrieben. Dann führte Adolf Hartmann aus Bühler den Brunnenbau einige Zeit weiter.
Die neuere Geschichte
Eine intensive Nutzung erfuhren die Gebäude mit dem Einzug des aus Aschfeld stammenden Waldemar Adelmann und seiner Schlosserei. Er übernahm auch Beschäftigte der Brunnenbohrfirma, baute an das Buntsandsteingebäude die bis heute erhaltene offene Blechhalle an und errichtete auf dem Gelände ein großes Zelt. Von Adelmann produzierte Pferdeführanlagen, die ein wenig an Karussells erinnerten, lagerten noch längere Zeit in der länglichen Halle.
Josef "Ebbo" Spies, der in Würzburg in einem Handel für Farben, Tapeten und Bodenbeläge arbeitete, wohnte im Hegewaldgebäude und machte sich 1981/82 in dieser länglichen Halle zunächst mit demselben Sortiment selbstständig. Nach Anfängen in dem kleinen vorderen Raum nahm er bald auch Autozubehör ins Programm auf und expandierte in die große Halle. 1987 übernahm Günther Rosenberger das Geschäft, das er später an einen Händler aus Wertheim weitergab.
Gegenüber im Buntsandsteingebäude zog die Schreinerei Appel und Kompagnon ein. Mehr und mehr wurde das Areal zu einem Unterstellplatz für Wohnmobile oder Boote und zum Parkplatz für Autos. Mehrere Fertiggaragen befinden sich auf dem Gelände.