Seit Jahren ist die Stadt Lohr knapp bei Kasse. Nun muss sie gar die finanztechnische Notbremse ziehen: Bürgermeister Mario Paul hat für das Rathaus eine Haushaltssperre verhängt. Grund ist, dass die Stadt unerwartet und in größerem Umfang Gewerbesteuereinnahmen zurückzahlen muss, die teils aus länger zurückliegenden Jahren stammen.
Zu Hintergründen und Höhe der Rückforderungen schweigt das Rathaus mit Verweis auf das Steuergeheimnis. Einen Anhaltspunkt gab es jedoch in der Stadtratssitzung am Mittwochabend: Das Gremium folgte per einstimmigem Beschluss der Empfehlung der Verwaltung, den Haushalt unter anderem durch das Aufschieben von geplanten Ausgaben (siehe Infokasten) kurzfristig um 2,2 Millionen zu entlasten. Die Haushaltssperre bedeutet auch, dass nun im Rathaus alle nicht vertraglich bedingten Ausgaben über 200 Euro von Amtsleitern und Kämmerei abgesegnet werden müssen.
Sperre schon seit 10. Mai
Paul hatte die Haushaltssperre bereits mit Wirkung zum 10. Mai verhängt, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfuhr. Er begründete dies gegenüber der Redaktion damit, dass es sich bei einer Haushaltssperre um einen internen Verwaltungsakt handle. Man habe die Stadträte damals jedoch zeitnah in nicht öffentlicher Sitzung informiert. Auch am Mittwoch hatten Paul und die Verwaltung das Thema unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten wollen. Doch eine klare Mehrheit der Stadträte sorgte diesmal per Beschluss dafür, dass der Tagesordnungspunkt in den öffentlichen Teil der Sitzung gehoben wurde.
Dort erklärte Kämmerer Uwe Arnold, dass im Haushaltsvollzug "unvorhersehbare Entwicklungen" eingetreten seien. Der Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben sei "gefährdet". Bürgermeister Paul sprach von einer "sehr, sehr, sehr ernsten Lage". Mit der Haushaltssperre könne sich die Stadt etwas Zeit verschaffen. "Doch es darf damit nicht getan sein", sagte Paul. Stattdessen müsse sich die Stadt durch eine grundlegende Verbesserung ihrer Finanzsituation "freischwimmen", um wieder agieren und investieren zu können.
Paul um Optimismus bemüht
Zur Erinnerung: Erst im vergangenen Jahr hatte der Stadtrat, wenn auch nur auf massiven Druck des Landratsamtes, kräftige Erhöhungen bei Grund- und Gewerbesteuer beschlossen. Man habe damals die "berechtigte Hoffnung gehabt, den Knoten durchschlagen zu haben", blickte Paul zurück.
Doch dann habe die Corona-Pandemie unter anderem durch Steuerausfälle ein Loch von über vier Millionen Euro in den städtischen Haushalt 2021 gerissen. Das führte dazu, dass die Stadt ihr Investitionsprogramm auf das Nötigste zusammenstreichen und noch gut vier Millionen aus dem Sparstrumpf nehmen musste, um überhaupt über die Runden zu kommen.
Paul mühte sich am Mittwoch dennoch, Optimismus zu verbreiten. Lohr habe eigentlich "wunderbare Aussichten", sagte er mit Blick auf das örtliche Gewerbe und den geplanten Bau der neuen Zentralklinik des Landkreises. Es sei wichtig, dass Investitionen und Infrastruktur mit diesen Entwicklungen Schritt hielten. Dafür benötige man jedoch eine freie Finanzspanne. Paul appellierte an den Stadtrat, den "Schulterschluss über alle Fraktionen zu suchen, um aus dieser extrem schwierigen Situation rauszukommen".
Gedanken darüber, wie die Stadt grundlegend Ausgaben senken und Einnahmen steigern könnte, will sich der Stadtrat schon lange machen. Doch mehrfach haben die Räte strukturelle Entscheidungen vertagt. Für dieses Jahr waren interne Workshops geplant. Terminiert sind sie offenbar noch nicht.
Bürgermeister Paul sagte am Tag nach der Sitzung, dass er sich nun zunächst mit seinen Stellvertretern und der Verwaltungsspitze beraten werde. Es habe sich gezeigt, dass alle bisherigen Ideen zu Einsparungen nicht die finanziellen Effekte hätten, die es brauche, um die Stadtfinanzen spürbar zu verbessern. Laut Paul ist ein "sechsstelliger Betrag das absolute Minimum", das man im Haushalt freischaufeln müsse.
Skepsis bei Steuereinnahmen
Daran, dass wieder höhere Gewerbesteuereinnahmen die Lage verbessern könnten, glaubt manches Ratsmitglied wohl nicht. Sie wisse von Unternehmen, denen es nach der Gewerbesteuererhöhung des vergangenen Jahres "gelungen" sei, in Lohr keine Steuern mehr zu zahlen, sagte Brigitte Kuhn (CSU). Auch Brigitte Riedmann (Freie Wähler) hatte "nicht die Hoffnung, dass sich die Situation bei den Steuern ändert".
Eric Schürr (Bürgerverein) erklärte, dass er seit etlichen Jahren Einschnitte bei Ausgaben und das Bemühen um höhere Einnahmen fordere. "Doch es wird einfach nicht gemacht", sagte er mit Blick auf jüngste Entscheidungen zum Stadtbus oder auf die Stadthalle. Paul indes erklärte mit Verweis auf das neue Baugebiet in Sendelbach, den Verkauf von städtischen Immobilien oder das digitale Gründerzentrum, dass es dieses Bemühen sehr wohl gebe.
Wie es nun kurzfristig mit dem städtischen Haushalt weitergeht, wird sich kurz nach der Sommerpause des Stadtrats zeigen. Dann werde man bilanzieren, ob die Haushaltssperre den gewünschten Effekt hatte, sagte Kämmerer Arnold. Paul kündigt unterdessen an, dass sich der Stadtrat demnächst mit spürbaren Einschnitten in den Haushalt befassen werde.
Ob in einem nichtöffentlichen Workshop oder in öffentlicher Sitzung, das sei noch offen.