Es kam von heute auf morgen. Ganz plötzlich und ohne Vorwarnung. Beim Obersinner Thorsten Becker wurde das Hanta-Virus diagnostiziert. Ein Infekt, der zu einer schweren Erkrankung führen kann, die im Landkreis Main-Spessart keine Seltenheit ist. Denn die ganze Region gilt als Risikogebiet.
Urplötzlich litt der Obersinner Thorsten Becker an einem Fieber. Es wurde stärker und stärker. Sein Zustand wurde nach einem Tag bereits so gravierend, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als den ärztlichen Notdienst zu rufen. Seine Hausärztin kam sofort und stellte die Diagnose: Hanta-Virus.
Der 46-Jährige kam sofort in die Notaufnahme des Krankenhauses in Schlüchtern. Auch hier kam die Bestätigung, dass es sich um das Hanta-Virus handele.
Es entwickelte sich ein hämorrhagisches Fieber, Becker hatte so gut wie keine roten Blutplättchen mehr. Die Infektion griff sein Innenleben an, seine Nierenwerte gingen rapide in den Keller. Zwei Wochen lang spielte das Fieber quasi Achterbahn, sank und stieg wieder.
Infusion reihte sich an Infusion, seine Ärzte waren zutiefst besorgt. Und beinahe wäre es zum schlimmsten Fall gekommen: Nierenversagen und damit Dialyse. „Das ist Gottlob nicht passiert“, erinnert sich Becker.
Doch nach den zwei Wochen war die Infektion für den Burgsinner noch lange nicht vorbei: „Es hat sehr, sehr lange gedauert, bis ich wieder auf dem Damm war.“ Seine Genesung zog sich über mehrere Monate hin, wobei er auch Rückschläge wegstecken musste. Sein Körper machte schlapp, er fühlte sich komplett kraftlos. Der Obersinner wollte sich bewegen, konnte es aber nicht. „Ich habe so etwas noch nie erlebt. Ich musste mich zum Trinken regelrecht zwingen“, erzählt Becker. Seine Erlebnisse schildert er ruhig und sachlich. Doch gerade der Punkt, dass der Körper schwächer war als der Geist, lässt seine Stimme aufgeregt klingen.
Letztlich war es einfach Zeit, die er brauchte. Langsam, nach Monaten der Ruhe, hatte sich sein Körper von den Strapazen erholt. Mittlerweile kann er wieder sein ganz normales Leben führen. Der Fall Becker zeigt einen vergleichsweise schweren Fall des Hanta-Virus. Das erklärt auch Stephan Roth. Der Mediziner ist Leiter des Gesundheitsamtes im Landratsamt Main-Spessart und mit den Tücken des Virus vertraut. Es sei schwer zu diagnostizieren, die Symptome unspezifisch, so der Experte. Der Infekt sei ähnlich einer Grippe – Fieber, Kopf- und Bauchschmerzen. Oft fühle sich der Patient gar nicht so krank. „Nur die schweren Erkrankungen werden im Zweifel auch diagnostiziert“, erklärt Roth.
Das Virus ist weltweit verbreitet, seinen exotischen Namen verdankt es dem koreanischen Fluss Hantan, wo während des Koreakrieges viele Soldaten an der Infektion erkrankten. Das Hanta-Virus in der Region gehört zur Unterart „Puumala“. Nach Angaben von Roth sei dessen Verlauf relativ gutartig.
Schlimmster Fall: Nierenversagen
Hämorrhagisches Fieber und meist reversibles Nierenversagen sind die schlimmsten Auswirkungen. Andere Unterarten des Virus, in Asien oder Amerika, können gar tödlich enden. So starben zum Beispiel 2012 in den USA drei Touristen, nachdem sie sich in einem Nationalpark infiziert hatten.
Für das Hanta-Virus gibt es keine direkte Behandlung. „Das ist nur symptomatisch“, erklärt Roth. Auch Thorsten Becker konnte im Krankenhaus quasi nur vor der Austrocknung bewahrt werden. Den Rest musste sein Körper alleine schaffen. Auch eine Impfung gibt es nicht. Doch wie kam es überhaupt zur Infektion? Experten sehen die Rötelmaus als Auslöser. Im Kot der infizierten Mäuse befinden sich die Viren und werden dann als Staub eingeatmet.
Becker vermutet, dass er sich beim Umschichten von Brennholz infiziert hat: „Gerade das ist auch das Heimtückische. Man sieht es ja nicht“, sagt der Obersinner. Das bestätigt auch der Chef des Gesundheitsamtes. Doch im Grunde könne es überall passieren, auch beim Joggen, so Roth. Eine Ansteckung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich.
Vor allem waldreiche Gebiete, in denen die Rötelmaus heimisch ist, gelten als Risikogebiet. So auch der Landkreis Main-Spessart. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts wurden 2015 in ganz Bayern 134 Infektionen gemeldet. Im Landkreis zählte das Gesundheitsamt 2015 34 Fälle. Die Zahl der Infektionen schwankt stark und ist von der Population der Nager abhängig. Einen hundertprozentigen Schutz gegen das Hanta-Virus gibt es nicht. Doch wer weiß, dass er in Berührung oder in die Nähe von Mäusekot kommen könnte, sollte einen Mundschutz und Handschuhe tragen.
„Damit kann man die Last schon deutlich reduzieren“, so der Mediziner. Gerade bei Arbeiten im Stall, Schuppen, oder – wie im Fall Becker – im Wald. Überall, wo sich die kleine Rötelmaus wohlfühlt.
Das kann nur jemand schreiben, der noch nie im Wald etwas gearbeitet hat.