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LOHR
Hans Stegers Gespür für Pferde
Hans Steger und sein Pferd Athene.
Foto: Markus Rill | Hans Steger und sein Pferd Athene.
Markus Rill
Markus Rill
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:29 Uhr

Lohr in den 50er Jahren: Beim Krabbeln fällt der kleine Hans immer auf die Nase. Durch einen Geburtsfehler ist sein rechter Arm verkürzt, er kann sich darauf nicht abstützen und verliert ständig sein Gleichgewicht. Laufen zu lernen, fällt ihm ebenfalls schwer. Also setzt ihn sein Vater auf eines der Holzrückepferde der Familie. „Da ist es mir instinktiv gelungen, meine Balance zu finden“, erzählt der heute 66-Jährige. „Deshalb spüre ich eine besondere Beziehung zu Pferden. Sie nehmen Menschen vorbehaltlos an.“

Auf den Holzrückepferden lernte er Reiten und gewann Selbstvertrauen. Seine drei Brüder spielten Fußball, Handball, Tennis – Hans war der beste Reiter. „Später habe ich meine Lehrlingsgehälter gespart, um mir ein eigenes Pferd zu kaufen“, erzählt Hans Steger. Er war 13, als der Lohrer Reitverein gegründet wurde. Steger war sofort dabei und schaffte es als Wettkampfsportler trotz seiner körperlichen Einschränkung bis zur Teilnahme an Bayerischen Meisterschaften.

Höchste Qualifikation

„Als ich Ende 30 war und schon an die 15 Jahre Wettkampfreiter, wurde ich angesprochen, ob ich nicht Wettkampfrichter werden wolle“, so Steger. „Dadurch konnte ich dem Sport und den Pferden verbunden bleiben, also habe ich das gemacht.“ Nach einer zweijährigen „Eleven-Zeit“ bestand Steger die Prüfung. Zahlreiche Lehrgänge und Weiterbildungen folgten, heute ist Steger einer von rund 150 Wettkampfrichtern im bayerischen Pferdesport.

Für das Springreiten hat er die höchste nationale Qualifikation; auch beim Deutschen Championat war er schon mehrfach eingesetzt. „Für internationale Wettkämpfe bräuchte ich eine zweite Fremdsprache, aber Französisch spreche ich nicht“, so Steger.

Reittherapie am Lohrer BKH

Hans Steger als Bub mit einem der Arbeitspferde der väterlichen Landwirtschaft.
Foto: Fotos (2): Sammlung Steger | Hans Steger als Bub mit einem der Arbeitspferde der väterlichen Landwirtschaft.

Der Reitsport war und ist seine Leidenschaft, beruflich war Hans Steger nach seiner kaufmännischen Ausbildung im Controlling-Bereich des Bezirkskrankenhauses Lohr angestellt – „nicht wahnsinnig aufregend“, sagt er mit einem Schmunzeln. Doch als der Gutshof des BKH, auf dem die Patienten Landwirtschaft betrieben, geschlossen wurde, sah Steger die Möglichkeit, dort eine Reittherapie aufzubauen.

Gesagt, getan – mit Unterstützung der Klinikleitung, die Stegers Ausbildung zum Reittherapeut genehmigte. Die 1992 gestartete Lohrer Reittherapie wurde zum Vorzeigeprojekt des Freistaats. „Wieder zeigte sich, dass die Pferde die Menschen ohne Vorbehalte annehmen“, so Steger. „Als Körperbehinderter hatte ich das ja selbst erlebt.“

Geistig eingeschränkte Menschen, Suchtkranke und Forensik-Patienten kümmerten sich um die Tiere. „Auch Hartgesottene waren fürsorglich. Und das Reiten bereitete ihnen große Freude.“ Steger zweifelt nicht an der therapeutischen Wirkung. Die Reittherapie wird auch nach seiner Verrentung vor zwei Jahren fortgeführt.

Olympiasieger beurteilen und beobachten

Beruflich half er psychisch Kranken, als Wettkampfrichter im Reitsport hatte er schon mit Olympiasiegern, Welt- und Europameistern wie Ludger Beerbaum und Otto Becker aus Großostheim (Landkreis Aschaffenburg) zu tun. Auch in der Dressur, für die Steger als Richter bis zum mittleren Niveau qualifiziert ist, beurteilte er bereits Olympiasieger wie Ingrid Klimke. „Diese Top-Sportler reiten bei kleineren Turnieren dann eben nicht ihre Spitzenpferde, sondern jüngere Tiere“, erklärt der Lohrer.

Hans Steger zu seiner Zeit als aktiver Wettkampfreiter.
Foto: Sammlung Steger | Hans Steger zu seiner Zeit als aktiver Wettkampfreiter.

Bei großen Turnieren sitzen die Richter ums Karree verteilt und beurteilen die einzelnen Dressur-Lektionen mit Noten von 0 bis 10. Eine Schreibkraft notiert die Bemerkungen der Richter. „Bei Dressur geht's gar nicht so sehr ums Dressieren, sondern ums Gymnastizieren der Pferde. Die natürlichen Möglichkeiten der Tiere werden vom Reiter abgerufen“, erklärt Steger. Die Piaffe sei beispielsweise ein natürliches Imponiergehabe eines Hengstes gegenüber einer Stute.

Beim Spring- und Geländereiten sei die Aufgabe des Richters eher beobachtend; beurteilt werde allerdings das Verhalten des Reiters – auch schon beim Aufwärmen auf dem Anreitplatz. „Der Tierschutz und die Fairness sind in den letzten Jahren stark in den Mittelpunkt gerückt“, so Steger. Für „pferdeunfreundliches oder unfaires Verhalten“ des Reiters kann der Wettkampfrichter die gelbe oder rote Karte zeigen. Die Ausrüstung der Reiter wird in Hinblick auf die Tierfreundlichkeit untersucht, die Dopingproben werden von den Richtern begleitet.

Fairness gegenüber Tier und Mensch

Ab Donnerstag ist Hans Steger beim großen Reitturnier in Remlingen (Landkreis Würzburg) eingesetzt. Vier Tage lang, jeweils von 7 bis 19 Uhr. Bei rund 20 Turnieren im Jahr ist Steger zugange, selbst in Berlin oder im tiefsten Niederbayern. Geld verdient er dabei nicht. „Wir erhalten nur Reisekosten, Unterkunft und Spesen“, sagt er. Es sei also schon „viel Enthusiasmus, Passion und Liebe“ nötig. Aber: „Es macht mir Spaß, das Heranreifen von Pferden mitzuerleben.“

Und die Hauptaufgabe der Richter sei es, „junge Leute, die in den Reitsport einsteigen, zu begleiten und zur Fairness gegenüber Tieren und Kontrahenten anzuleiten“. Bei seiner Tochter Barbara gelang dies; sie ist heute selbst Reitlehrerin. Deshalb wird Hans Steger noch einige Jahre lang als Richter tätig bleiben und seine Tierliebe auch als Trainer im Lohrer Reitverein vermitteln.

Ausleben kann er sie täglich: Jeden Morgen gegen 8 Uhr besucht und pflegt er seine Stute „Athene“ auf dem BKH-Hof. Er reitet sie täglich. „Ich vertraue dem Pferd und ich spüre, dass sie mir vertraut“ – vorbehaltlos.

 
 
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