Vor etwa 60 Zuhörern stellte am Dienstag der Arbeitskreis Heimat und Geschichte der Volkshochschule seine neueste Veröffentlichung vor. „Lohrer Handel und Handwerk in den Nachkriegsjahren – ein Querschnitt“ ist als Folge 61 der Schriftenreihe des Geschichts- und Museumsvereins„ Lohr erschienen.
Der Titel lässt auf eine etwas trockene Darstellung der Wirtschaftsgeschichte, aber dieser erste Eindruck täuscht. Dafür sorgt unter anderem die Ausstattung mit zahlreichen Bildern, die nicht bei älteren Lesern Erinnerungen an Eindrücke ihrer Jugend wachrufen, sondern sicher auch das Interesse der Jüngeren wecken, die manches bisher nur aus den Erzählungen von Eltern und Großeltern kennen.
Auswirkungen auf Stadtbild und Verkehr
Karl-Heinz Schroll, der Leiter des Arbeitskreises, und Dr. Sabine Fiedler-Conradi gaben mit Bildern und mit Ausschnitten aus der Biografie einiger erfolgreicher Lohrer Geschäftsleute einen Einblick in das, was die Arbeitskreis-Mitglieder als Ergebnis ihrer Recherchen in den Zeitungen, in Fotoarchiven und durch die Befragung von Zeitzeugen zusammengetragen haben: Bereits in den 1920er und 1930er Jahren setzte eine Entwicklung ein, die nicht nur eine Umstrukturierung in Industrie, Handwerk, Gewerbe und Handel mit sich brachte, sondern auch große Auswirkungen auf das Stadtbild und vor allem auf den Verkehr in der Stadt hatte. Nach dem Krieg setzte sich diese Entwicklung fort und beschleunigte sich noch.
Viele kleine Geschäfte und Handwerksbetriebe sind inzwischen ganz oder teilweise von Handelsketten oder Konzernen verdrängt oder mussten aufgeben, weil die nächste Generation nicht bereit war, sich das Arbeitspensum der Eltern und Großeltern zuzumuten.
Erstaunlich breites Sortiment im Einzelhandel
Staunend konnte man auf alten Aufnahmen sehen, welches breit gefächerte Sortiment mancher Einzelhändler in der Innenstadt vor Jahrzehnten seinen Kunden auf engstem Raum anbot.
Schroll gab auch einen Einblick in die geradezu detektivische Arbeit, die erforderlich ist, um undatierte alte Fotografien zeitlich einzuordnen. Wann ist zum Beispiel welches Modell einer bestimmten Automarke zugelassen worden, das auf dem Bild zu sehen ist? Einschlägige Kenntnisse können ebenso hilfreich sein wie das Wissen, wann in der Stadt Lohr die staubfreie Müllabfuhr eingeführt wurde oder wann ein bestimmtes Haus gebaut oder umgebaut wurde.
Eine Quellensammlung ersten Ranges
Aber von solchen Einzelfragen ganz abgesehen, liegt die Bedeutung auch dieser neuen Veröffentlichung des Arbeitskreises Heimat und Geschichte vor allem darin, dass sie eine Quellensammlung ersten Ranges für die Wirtschaftsgeschichte der Stadt darstellt, aus der auch noch kommende Generationen schöpfen können, wenn die Zeitzeugen nicht mehr zur Verfügung stehen.
Das würdigten auch Dr. Gisela Schlemmer, die Leiterin der Volkshochschule Lohr-Gemünden und der 2. Vorsitzende des Geschichts- und Museumsvereins Lohr, Josef Harth, deren besonderer Dank den Mitarbeitern an dem Band galt. Das sind außer den bereits Genannten Adele Hauck, Sigrid Imgrund, Brigitte Krautwald, Hermann Kübert, Helmut Röttinger, Günther Schipper, Hans-Joachim Wirthmann und der inzwischen verstorbene Hermann Daus.
„Lohrer Handel und Handwerk in den Nachkriegsjahren – ein Querschnitt“ ist 423 Seiten stark mit zahlreichen Bildern und faksimilierten Anzeigen und Dokumenten. Ein übersichtliches Inhaltsverzeichnis und ein Namensregister erleichtern die Nutzung des Buches als Nachschlagewerk. Erhältlich ist es für 29,90 Euro in der „Bücher-Ecke“. (ISBN 978-3-944413-150).