Marktheidenfeld wächst. In der Stadt ist Wohnraum knapp, zumindest bezahlbarer. Da bietet sich der Stadt eine höchst interessante Fläche an: das Areal an der Eichholzstraße, beidseits der Gradlstraße bis zur Bayernstraße, keinen Kilometer vom Rathaus entfernt.
Die Firma Scheer hat ihre Gebäude dort 2011 nach der Insolvenz aufgegeben, die Stadt das Grundstück zwei Jahre später gekauft. Die Straßenmeisterei nebenan ist nach Hafenlohr umgezogen. Die Fläche im Besitz des Freistaats möchte die Stadt gern dazu kaufen. Der Stadtrat will auf dem gesamten Areal Bauplätze für 31 Einfamilienhäuser schaffen – doch noch wirft die Regierung von Unterfranken ein prüfendes Auge auf das ehemalige Straßenmeisterei-Grundstück. Was die Behörden seit Monaten beschäftigt, mutet fast wie eine Hängepartie im Schach an. Die Stadt gibt den Läufer, der Schritt für Schritt auf seiner Linie bleibt. Die Regierung von Unterfranken hat sich als Springer in Position gebracht und das Staatliche Bauamt als Eigentümer des Straßenmeisterei-Geländes wartet wie ein Turm auf den Einsatz.
Die Stadt bewegt sich. Zuletzt befasste sich der Stadtrat mit der Bauleitplanung. Aus dem Mischgebiet im Norden und dem Gewerbegebiet im Süden der Gradlstraße soll ein reines Wohngebiet werden. Diesen Entwurf billigte der Stadtrat einstimmig. Die Verwaltung hat nun den Auftrag, die Behörden sowie die sonstigen Träger öffentlicher Belange zu beteiligen.
21 Bauplätze sollen auf dem alten Scheer-Gelände, zehn weitere auf dem ehemaligen der Straßenmeisterei entstehen. Beide Flächen zusammen, nur durch die Gradlstraße getrennt, umfassen rund 1,8 Hektar. Doch bislang gehören nur gut zwei Drittel der Stadt, das ehemalige Scheer-Gelände. Das Straßenmeisterei-Areal ist im Eigentum des Freistaats Bayern. Die Stadt signalisiert zwar schon seit langem Kaufinteresse, doch der Staatsbetrieb „Immobilien Freistaat Bayern“ hat die Fläche immer noch nicht ausgeschrieben.
Es wäre nachzuvollziehen, dass dies von einer Entscheidung auf einem ganz anderen Gebiet abhängt, nämlich der fast schon verzweifelten Suche der Regierung von Unterfranken nach Unterkünften für Flüchtlinge.
Der Druck ist enorm – übrigens auch in anderen Landkreisen. Dies zeigt der Notfallplan, den der Landkreis Main-Spessart vergangene Woche vorstellte: Er muss damit rechnen, ab 28. Juli bis zu 200 weitere Flüchtlinge zugeteilt zu bekommen. Vorläufig untergebracht werden sollen die Asylbewerber im ehemaligen Brauerinternat in Arnstein.
„Das Landratsamt prüft dennoch aktuell Alternativen“, hieß es bei der Pressekonferenz dazu. Und die Regierung von Unterfranken prüft mit. Dabei steht immer noch zur Debatte, Wohncontainer auf dem bisherigen Straßenmeisterei-Areal aufzustellen. Womit sich die Geschichte nahezu wiederholen würde: Denn keine 100 Meter entfernt wurden in den späten Kriegsjahren die Baracken für Flüchtlinge aus dem zerbombten Düsseldorf errichtet, die „Düsseldorfer Siedlung“, die zwischendurch für Kriegsgefangene genutzt und nach Kriegsende von Heimatvertriebenen belegt war.
Um Notkapazitäten zu schaffen, könnten dort Container für 100 Flüchtlinge aufgestellt werden, gab Johannes Hardenacke eine Größenordnung aus der „internen Planung“ preis. Technisch sei dies auf alle Fälle möglich, so der Pressesprecher der Regierung von Unterfranken weiter. „Wir prüfen nach wie vor die Wirtschaftlichkeit und rechtliche Aspekte.“ Dabei handele es sich nur um eine vorübergehende Nutzung, so Hardenacke. Dies zeitlich einzugrenzen, dürfte schwierig sein und wäre wohl auch unseriös. Jedenfalls könnte es der Planung der Stadt im Weg stehen – zumindest vorübergehend.
Wohl ist es denkbar, das Areal in zwei Bauabschnitten zu verwirklichen. Doch die Vermarktung wäre dann vermutlich schwieriger angesichts dieser Konstellation: Neue Eigenheime direkt neben Wohncontainern voller Flüchtlinge – das ist zumindest ein starker Kontrast.
Die Stadt weiß dies. Deshalb müht sie sich auch, dem Landkreis und der Regierung von Unterfranken Alternativen anzubieten, wie Elmar Kirchner, der Leiter der städtischen Bauabteilung bestätigt: noch unbebaute, aber erschlossene Grundstücke in Zentrumsnähe, die sich in privater Hand befinden. Noch in dieser Woche, so Kirchner, seien konkrete Gespräche anberaumt.