Im Mordprozess gegen einen ehemaligen Patienten der Lohrer Forensik hat der psychiatrische Gutachter dem mutmaßlichen Täter Schuldunfähigkeit bescheinigt. Wie berichtet wird der 28-Jährige beschuldigt, in einer Nacht im März 2014 im Wachsaal einer Station für psychisch kranke Straftäter einen 78-jährigen Mitpatienten im Schlaf erstickt zu haben.
Massive Störung des Sozialaverhaltens
Am Montag, dem vierten Verhandlungstag vor dem Landgericht Würzburg, sprach der Gutachter davon, dass der Angeklagte aufgrund seiner Intelligenzminderung und einer massiven Störung des Sozialverhaltens das Unrecht einer solchen Tat nicht erkennen könne.
Der 28-Jährige hatte die Mordermittlungen durch seine eigene Aussage überhaupt erst ins Rollen gebracht. Denn ein Arzt hatte zuvor bereits bescheinigt, dass der stark demente und gebrechliche Senior an Herzversagen gestorben sei. Der 28-Jährige jedoch schilderte einer Mitpatientin am Tag nach dem Vorfall, dass er den Bettnachbarn erstickt habe. Die Frau wandte sich an die Polizei. Eine Obduktion erbrachte tatsächlich Hinweise auf ein Ersticken.
Mitpatienten drohten Angeklagtem mit Tod
Der Angeklagte hat rund die Hälfte seines Lebens in psychiatrischen Kliniken verbracht. In der gefängnisähnlich gesicherten Lohrer Forensik, in der suchtkranke und psychisch kranke Straftäter therapiert werden, war er etliche Jahre untergebracht. Nach dem Vorfall im März 2014 wurde er in die Forensik nach Werneck verlegt. Mitpatienten hatten ihn nach dem Mordvorwurf mit dem Tod bedroht, weil das mutmaßliche Opfer auf der Station beliebt war. Der psychiatrische Gutachter, der den Angeklagten seit Jahren kennt, bescheinigte diesem vor Gericht einen „bunten Strauß an psychopathologischen Auffälligkeiten“. Bereits im Kindesalter sei eine Intelligenzminderung festgestellt worden. Der 28-jährige habe seit jeher Schwierigkeiten, seine aggressiven Impulse zu steuern.
Stimmen befahlen Brandstiftung
Seit 2002 höre der Angeklagte immer wieder Stimmen, die ihm beispielsweise befohlen haben sollen, Brände zu legen. Der größte Schaden im nahezu sechsstelligen Bereich entstand dabei, als der heute 28-jährige 2006 in einer Stadt in Main-Spessart das Wohnhaus seiner Großeltern in Brand steckte. Aber auch in diversen psychiatrischen Kliniken lebte der Angeklagte mehrfach seine pyromanische Veranlagung aus, teilweise mit beträchtlichem Schaden.
Die Liste der vom Gutachter aufgezählten Verfehlungen war jedoch noch deutlich umfangreicher: Diebstähle, Exhibitionismus, Lügen, Vergewaltigungs- und Mordgedanken – all dies spielte über Jahre im klinischen Umfang mit dem 28-Jährigen eine Rolle.
Eindeutig negative Kriminalprognose
Der Gutachter sprach von einer andauernden psychiatrischen Störung und einer eindeutig negativen Prognose. Als positiven Aspekt könne er lediglich anführen, dass sich die Adoptivfamilie sehr um den 28-jährigen kümmere, der die ersten Lebensjahre in einem osteuropäischen Kinderheim verbrachte.
Trotz Therapie und medikamentöser Behandlung seit der Angeklagte nach wie vor in hohem Maße auffällig. Der Gutachter sprach von einer „eindeutig negativen Kriminalprognose“ und einer andauernden Gefährlichkeit des 28-Jährigen.
Urteil wird für 2. August erwartet
Die vom Angeklagten seit Jahren angestrebten Lockerungen seiner Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen wäre daher „überhaupt nicht tragbar“, ließ der Gutachter erkennen, dass der 28-Jährige unabhängig vom Ausgang des Prozesses so schnell wohl nicht mehr in Freiheit kommen wird.
Die Verhandlung wird am 25. Juli fortgesetzt. Mit einem Urteil ist am 2. August zu rechnen.