
Im Ausland zu arbeiten und zu leben – was das heißt, erfuhren 25 Schüler und vier Lehrer der Berufsschule Main-Spessart bei einem von der EU geförderten Praktikum in Portugal. Ihre dabei gesammelte Auslandserfahrung dokumentiert der Europäische Mobilitätspass. Den erhielten die Schüler nun im Rahmen einer Feier in der Berufsschule in Karlstadt überreicht.
„Ein Bub flog weg und ein Mann kam zurück“, zitierte Berufsschullehrer Andreas Tergemann, der das Projekt betreute, die Freundin eines Teilnehmers. Das zeigt, dass nicht nur fachliches Wissen vermittelt wurde, sondern auch die Persönlichkeit jedes einzelnen reifte: Selbstständigkeit, Verantwortung, Selbstbewusstsein und das Überwinden von Sprachbarrieren, neudeutsch auch „Soft Skills“ genannt, profitierten.
Zwei ehemalige Schüler versäumten gar die Feier, weil sie längst wieder im Ausland arbeiten. Einer gründete ein Geschäft in Indien, ein anderer ging nach dem Praktikum und Lehrzeitverkürzung direkt in die USA, wo er für seinen Arbeitgeber gerade eine Brauerei repariert.
In Portugal ist die berufliche Bildung anders organisiert. Es gibt keine dualen Ausbildung durch Betrieb und Berufsschule wie in Deutschland, sondern reine Ausbildungsfirmen. Cenfim in Trofa in Portugal ist eine solche Ausbildungsfirma mit landesweit 13 Trainingscentern. „Leonardo da Vinci“ heißt das von der EU geförderte Berufsbildungsprogramm, mit dem die fachliche und persönliche Entwicklung der Teilnehmer gefördert werden soll.
In vier Gruppen vor Ort
Die 25 Schüler aus Main-Spessart reisten in vier Gruppen von 2009 bis 2011 nach Portugal. In den drei Wochen besuchten sie Kurse aus den Bereichen Hydraulik und Pneumatik, zerspanende Metallbearbeitung sowie Schweißen und technisches Englisch. Für die Lehrer dauerte das Auslandspraktikum eine Woche. Verständigen mussten sie sich dabei und in den Gastfamilien vor allem auf Englisch.
Von einem bestens ausgestatteten Trainingscenter in Portugal berichtete die erste Gruppe. Doch auch die Freizeit kam nicht zu kurz – von einem Fußballspiel des FC Porto über die Besichtigung einer Kirche bis zum Besuch der Niederlassungen der deutschen Firmen Preh und Leica.
Schulleiter Bernd Büttner freute sich bei der Veranstaltung, dass man mit Cenfim einen kompetenten Partner gefunden habe. Das Programm „Leonardo da Vinci“ stehe für lebenslanges Lernen.
Den Wert der Europass-Mobilität könne eigentlich nur ermessen, wer die Erfahrungsberichte der Teilnehmer kenne, meinte Landrat Thomas Schiebel. Er ist sich sicher, dass alle Teilnehmer profitierten.
Auch wenn in den letzten Wochen die Euro-Finanzkrise in aller Munde sei, dürfe nicht vergessen werden, dass der europäische Gedanke viel mehr sei, sagte Maria Walter, leitende Regierungsschuldirektorin an der Regierung von Unterfranken. Das höchste Gut sei der Friede zwischen den Mitgliedsländern. Schon Robert Schuhmann habe gewusst: „Europäer wird man nicht durch Geburt, sondern durch Bildung.“
Fernando Branco da Fonseca Rodrigues, der ehemalige Direktor von Cenfim in Trofa bedauerte, dass er keine Schüler nach Main-Spessart bringen kann. Die jungen Leute seien die Baumeister des künftigen Europas. 43 Jahre sei er in Portugal in der Berufsausbildung tätig gewesen. Zur Zusammenarbeit der Völker sagte er: „Wir sind verschieden, ihr seid verschieden, wo ist das Problem?“
Zum Praktikum in Portugal
Die Teilnehmer: Martina Senger, Lohr (KFZ-Mechatronikerin, Automobilcenter Grampp GmbH, Karlstadt); Sandro Bock, Lohr (Kfz-Mechatroniker, BMW Autohaus Fuchs, Lohr); Matthias Büttner, Karlstadt, Marco Eckardt, Karlstadt, Tobias Frauhammer, Karsbach, Michelle Fuchs, Frammersbach, Florian Goßmann, Frammersbach, Sebastian Koch, Weyersfeld (alle Mechatroniker, Bosch Rexroth AG, Lohr); Martin Fuchs, Dorfprozelten (Mechatroniker, SEHO Systems GmbH, Kreuzwertheim); Mario Hammer, Birkenfeld, Lukas Kaufmann, Tiefenthal, Markus Rötz, Hafenlohr, Daniel Schebler, Birkenfeld (alle Mechatroniker, P&G Braun GmbH, Marktheidenfeld); Sara Hofmann, Wülfershausen (Mechatronikerin, Preh GmbH, Bad Neustadt); Tobias Kleinhans, Schwarzach (Konstruktionsmechaniker, Abtei Münsterschwarzach, Münsterschwarzach); Dietmar Knöll, Burgsinn (KFZ-Mechatroniker. Omnibusverkehr Franken GmbH, Gemünden); Simon Maksielyas, Erlenbach, Julia Roos, Triefenstein, Christian Schwab, Bischbrunn (alle Mechatroniker, Schneider Electric Automation GmbH, Marktheidenfeld).
Lehrkräfte: Christian Booms (Elektrotechnik, Englisch), Thomas Galleitner (Metalltechnik), Heike Regulin (Metalltechnik) und Winfried Reischl (Metalltechnik).