Nicht feierliche Klänge schallten am Samstag über den Weihnachtsmarkt: "Meck, meck, meck, Betonpflaster weg" oder "Alle Betonierer sind die Wahlverlierer". Gut 30 Anwohner des Fischerviertels haben sich mit einer Demonstration für den Erhalt des historischen Kopfsteinpflasters in der Fischergasse eingesetzt.
Angekündigt worden war der Protestzug als "Gelbwesten-Demo" in Anlehnung an die Proteste im Nachbarland Frankreich gegen die Reformpolitik von Präsident Macron. Doch an die dortigen, meist gewalttätigen Demos erinnerte in Lohr nur die gelbe Warnweste, die jeder Zugteilnehmer trug.
Auf dem Weg vom Schlossplatz über die Kellereigasse, Hauptstraße, Turmstraße und Fischergasse zur Schlusskundgebung am Fischerbrunnen blieb es absolut friedlich. Die beiden Polizisten, die den Zug in ihrem Auto begleiteten, hatten nichts zu tun. Demonstranten verteilten Dominosteine als Pflastersteine.
Bescheid des Landratsamts
Bereits auf dem Schlossplatz hatte Gottfried Walter, einer der Anwohnersprecher in der Fischergasse, als offizieller Veranstaltungsleiter der Demonstration (Co-Sprecher Christoph Zschocke war sein Stellvertreter) den Teilnehmern den Bescheid des Landratsamts vorgelesen. Darin wurde im schönsten Bürokratendeutsch festgelegt, was die Demonstranten zu beachten hatten.
Walter machte klar, worum es den Demonstranten ging: Sie wollten eine Erhaltung des historischen Pflasters. Durch die Aussagen des Bürgermeisters werde das "aktuelle Geschehen" nicht gestoppt. Damit bezog sich Walter auf den gültigen Stadtratsbeschluss, der für den "Komfortweg" im Fischergassenpflaster eine Ausbaubreite von 3,5 Metern vorsieht.
Leere Versprechungen?
Damit würde an manchen Stellen der Fischergasse kaum noch historisches Pflaster rechts und links vom Weg übrig bleiben. Bürgermeister Mario Paul hatte bei einem Ortstermin mit Pflasterbemusterung und in der vergangenen Woche in einer Pressemitteilung angekündigt, dieser Beschluss werde nicht umgesetzt und die Stadt werde prüfen lassen, wie der "Komfortweg" deutlich schmaler ausfallen könne.
Doch darauf wollte Walter nicht bauen: Das "aktuelle Geschehen" sei in der Vergangenheit auch anderswo in Lohr nicht durch Versprechungen gestoppt worden – deshalb der Demonstrationszug als Bekräftigung der Anwohnerforderungen. Diese wurden nicht nur mit einer Papiertüte als improvisiertem Megafon vor-, sondern auch auf Protestplakaten mitgetragen.
Darauf hieß es unter anderem: "Keine Betonsteine in der Fischergasse", "Unser Pflaster einzigartig und toll, diese Individualität ist wundervoll", "Bürgerbeteiligung statt Ballingbeteiligung". Letzter Spruch bezog sich auf das mit der Planung beauftragte Würzburger Ingenieurbüro Balling, das wohl am wenigsten für den Streit verantwortlich und in Lohr zwischen die Fronten geraten ist.
An Pflasterwahl beteiligen
Bei der Schlusskundgebung am Fischerbrunnen machte Christoph Zschocke klar, dass die Anwohner sich dafür einsetzten, den "Eingang zur schönen Stadt Lohr so zu belassen, wie er ist". Sie seien für einen möglichst schmalen "Komfortweg" und wollten, dass der Stadtratsbeschluss für eine Ausbaubreite von 3,5 Metern zurückgenommen werde.
Zudem forderten sie bei der Pflasterauswahl eine echte Bürgerbeteiligung. "Das bloße Anschauen von Pflaster ist keine Beteiligung", so Zschocke. Nach dem offiziellen Ende, den von Gottfried Walter intonierten Sprechchor "1, 2, 3 – danke Polizei", gab es Glühwein für alle.