
Was ist sinnvoller, auf Äckern Landwirtschaft zu betreiben oder Photovoltaikanlagen? Bislang ist bei dieser Frage das Ringen um Flächen oft vorprogrammiert. Das könnte sich ändern. Denn zunehmend stößt eine Methode auf Interesse, die den Flächenkonflikt teilweise auflösen könnte: Agri-Photovoltaik (PV). Bei ihr ist die Technik der Solarnutzung so konstruiert, dass auf der Fläche gleichzeitig Ackerbau betrieben werden kann. Im Lohrer Stadtrat wurde das Konzept nun vorgestellt. Es gäbe in Lohr tatsächlich eine Fläche, auf der Agri-PV sinnvoll möglich wäre. Doch ob sie dort kommt, ist offen.
Bereits vor rund eineinhalb Jahren hat die Stadt per Gutachten mögliche Flächen für PV-Nutzung auf Freiflächen ausdeuten lassen. Allerdings war man betont vorsichtig, was die Umsetzung angeht. Schließlich, so erklärte Bürgermeister Mario Paul jetzt in der Sitzung des Stadtratsausschusses für Stadtentwicklung, könne der Bau klassischer PV-Anlagen Landwirten durch den Flächenverlust ernste Probleme bereiten oder gar Betriebe gefährden. Denn bei PV-Anlagen mit starr aufgeständerten Modulen ist darunter allenfalls Obstbau oder Beweidung möglich, jedoch kein Ackerbau.
Raum zwischen den Modulen
Bei Agri-PV wäre das anders. Das stellte Marco Mielenz von der Münchner Firma Feldwerke Solar GmbH den Ratsmitgliedern vor. Das junge Unternehmen projektiert laut Mielenz aktuell zehn Agri-PV-Anlagen mit Flächengrößen zwischen zehn und 80 Hektar.
Das Besondere an Agri-PV ist, dass auf der Fläche weiterhin Ackerbau möglich ist. Erreicht wird dies laut Mielenz, indem zwischen den Reihen der auf 2,8 Meter Höhe montierten Solarmodule rund zwölf Meter frei bleiben für landwirtschaftliche Nutzung.
Großteil bliebe für Ackerbau
Auf diese Weise blieben 85 Prozent der Ackerfläche weiterhin nutzbar, auch für landwirtschaftliche Fördergelder. Die Solaranlage nehme nur rund 15 Prozent der Fläche ein, liefere aber bis zu 70 Prozent der Ausbeute einer klassischen PV-Anlage, so Mielenz. Erreicht werde dies dadurch, dass die Module dem Sonnenstand folgend geschwenkt werden. Die Zahl der Volllaststunden erhöhe sich dadurch deutlich.
Die Beschattung der Ackerfläche durch die Module halte die Bodenfeuchtigkeit höher, außerdem böten die Module Schutz vor Extremwetter. Erfahrungswerte zeigen laut Mielenz, dass der auf Agri-PV-Flächen erzielte landwirtschaftliche Ertrag in trocken-heißen Jahren teils sogar über dem vergleichbarer Ackerflächen ohne Solarnutzung liege. Hinzu komme, dass unter den PV-Modulen ein Streifen unbewirtschaftet bleibe als "Biodiversitätsfläche".
Da Agri-PV die Kombination von Ackerbau und Energienutzung erlaube, sei die Akzeptanz in der Bevölkerung höher als bei klassischen Solarfeldern, so Mielenz weiter. Für die Landwirte sei das Konzept finanziell reizvoll. Der Pachterlös für die PV-Anlage übersteige in der Regel den landwirtschaftlichen Ertrag, wobei dem Landwirt zusätzlich noch der Großteil dieses Ertrages bleibe, da ja kaum Fläche verloren gehe. Überdies, so Mielenz, erhalte der Landwirt eine Umsatzbeteiligung an der Stromproduktion.
Pacht- und Steuereinnahmen
Die Kommune profitiere einerseits durch die Gewerbesteuer, die zu 90 Prozent in der Kommune bleibe. Außerdem erhalte sie einen Anteil an der EEG-Abgabe. Insgesamt, so rechnete Mielenz vor, könnten so je nach Größe der Anlage pro Jahr mehrere Zehntausend Euro in die Gemeindekasse fließen.
Mit Blick auf das Lohrer Stadtgebiet sagte Mielenz, dass sich aufgrund von Schutzgebieten, Hanglagen und der erforderlichen Mindestgröße von zehn Hektar lediglich ein einziger Bereich für eine Agri-PV-Anlage eigne. Er liegt zwischen Halsbach und der Staatsstraße von Steinbach nach Wiesenfeld.
Bürgermeister Mario Paul betonte angesichts des gezeigten Lageplans, dass es noch keinerlei konkrete Überlegungen gebe. Es gehe lediglich um eine "Info, wie sowas aussehen könnte". Die Stadt fungiere im Fall der Fälle auch nicht als Vermittler zwischen Projektierer und Flächeneigentümern. Stattdessen, so Mielenz, würden Grundbesitzer in der Regel von den Projektierern solcher Anlagen angesprochen.
30 Jahre oder länger
Die Firma Feldwerke habe Interesse, eine solche Anlage zu bauen und zu finanzieren, wobei sich Bürger beteiligen könnten, erklärte Mielenz. Die Anlagen stünden in der Regel 30 Jahre oder länger. Der Rückbau werde vertraglich geregelt. Ebenso vertraglich zu regeln seien Modalitäten der landwirtschaftlichen Nutzung. Der Landwirt erhalte eine "Fernsteuerung", um die Solarmodule für eine leichtere Bewirtschaftung des Feldes hochklappen zu können. Allerdings brauche es "Spielregeln", etwa dazu, wie oft die Module verstellt werden dürften.
In der Regel würden Agri-PV-Anlagen eingezäunt, sagte Mielenz auf Nachfrage des Halsbacher Stadtrats Michael Ullrich (CSU), den die Akzeptanz unter Jägern beziehungsweise Jagdpächtern umtrieb. Michael Kleinfeller (CSU), selbst Jäger und Jagdpächter, warnte davor, den Eindruck zu erwecken, dass die Grünröcke solche Anlagen generell ablehnen. Ohnehin sei bei einem solchen Thema die Jagdgenossenschaft gefragt, also der Zusammenschluss der Eigentümer bejagbarer Flächen. Würde eine Agri-PV-Fläche eingezäunt, wäre sie der bejagbaren Fläche in der Regel entzogen.
Stadt hält sich raus
Mit Blick auf die Potenzialfläche bei Halsbach wäre laut Mielenz der nächste Schritt, dass man das Interesse der Grundbesitzer auslotet. Paul betonte, dass dies eine Sache zwischen Projektierer und Eigentümern wäre: "Die Stadt wird nicht aktiv auf Menschen zugehen." Sollte sich aber ein konkretes Interesse von Projektierer und Eigentümern am Errichten einer Agri-PV-Anlage bei Halsbach ergeben, wäre die Stadt am Zug. Sie müsste dann einen Bebauungsplan für das betreffende Areal aufstellen. Dabei, so Paul, wäre dann aber doch zu prüfen, wie groß der Nutzungskonflikt zwischen Energiegewinnung und Landwirtschaft in diesem konkreten Fall sein würde.
