Die Wurzeln der bekannten Schriftstellerin Gertrude Stein liegen in Weickersgrüben. Ihre Großeltern Stein wanderten aus Weickersgrüben aus und wurden 1841 in den USA registriert. Das berichtete Bernhard Münzel dem Förderverein Alte Kirche Gräfendorf. Der studierte Journalist stellte Herkunft und Werke der Schriftstellerin, Verlegerin und Kunstmäzenin Gertrude Stein vor.
Gertrude Stein wurde am 3. Februar 1874 in Allegheny als jüngstes von fünf Kindern in eine ,wohlhabende und hochachtbare bürgerliche Familie‘, wie sie in ihrer Autobiografie schrieb, hineingeboren“, referierte Münzel. Die Großeltern väterlicherseits, Michael und Hannah Stein, waren deutsche Juden, die 1841 Weickersgrüben mit dem Ziel Amerika verließen, wo sie politische Freiheit und wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten zu finden hofften, die ihnen in der Heimat versagt waren. Gertrudes Vater Daniel Stein kam mit Eltern und drei Geschwistern am 2. September 1841 in Baltimore an. Er heiratete 1864 die deutsch-jüdische Amelia Keyser.
Fleischer und Gemeinderat
Michael Stein war Fleischer und Gemeinderat in Weickersgrüben. Hannah Stein und die vier Kinder wollten auswandern und ein besseres Leben in Nordamerika finden. Der Vater wollte allerdings im Ort bleiben, ließ sich aber im letzten Moment vor der Abreise seiner Frau mit den Kindern umstimmen und verließ schweren Herzens Weickersgrüben. Diese Tatsachen hat Gertrude Stein in ihrem 1000-seitigen Werk „The Making of America“ im ersten Teil der Familiensaga festgehalten, referierte Münzel.
Im Kapitel „Vorfahren in der neuen Welt“ schreibt sie von der Abreise, den Schwierigkeiten, der Auswanderung, dem Trennungsschmerz und der Heimatliebe des Vaters. Parallelen zur Geschichte fand der ehemalige Bürgermeister von Weickersgrüben, Rudolf Fischer, auf Anfragen eines englischen Forscherteams 1977 in den Unterlagen des Gemeindearchivs in Weickersgrüben.
Ein seltenes deutsches Exemplar von Steins Buch hat der verstorbene Reinhold Müller besorgt und der Gemeinde für das Archiv gestiftet. Der deutsche Titel lautet „Geschichte vom Werdegang einer Familie“ und entstand in den Jahren 1908 bis 1911 in Paris. Darin wird die Geschichte der Großfamilie und Mittelstandsfamilie in Amerika erzählt. Wie Münzel meinte, weist die Geschichte sicher Parallelen zur Familie des zukünftigen amerikanischen Präsidenten Donald Trump auf, dessen Großeltern als Familie Trumpf aus dem Rheinland auswanderten.
Familie Stein fasste Fuß in Handel und Verwaltung. Michael Stein machte ein kleines Vermögen als Wollgroßhändler und Vizepräsident einer Verkehrsgesellschaft. Auch Daniel Stein, der Vater von Gertrude, erwirtschaftete ein Vermögen und ermöglichte seinen fünf Kindern ein sorgenfreies Leben.
Gertrude Stein wurde als fünftes Kind geboren und war das Nesthäkchen der Familie. Sie studierte an verschiedenen Universitäten mit wechselndem Erfolg und folgte ihrem Bruder Leo nach Paris. Dort gründeten sie einen Künstlerkreis in der Rue de Fleurus. Sie unterstützte Pablo Picasso materiell und überredete Ernest Hemingway, seinen Beruf als Journalist aufzugeben und Schriftsteller zu werden.
Im September 1933 erschien Steins bekanntestes Werk, „The Autobiography of Alice B. Toklas“ (Autobiographie von Alice B. Toklas) in New York, das eigentlich ihre Autobiographie ist, aber den Namen ihrer Lebensgefährtin trägt. Gertrude Stein starb am 27. Juli 1946 in Paris und galt zu der Zeit als eine der populärsten modernen Autoren der Welt. „Sie gilt als die am wenigsten klare, aber am meisten berühmte Künstlerin“, erklärte Bernhard Münzel in seinem Vortrag.
Von ihr sind mehr als 26 Bücher bekannt und der Wert ihrer und ihres Bruders Bildersammlung betrage nach heutiger Schätzung über eine Milliarde Euro.
Der Film Midnight in Paris von Woody Allen aus dem Jahr 2011 spielt teilweise im nachgestellten Salon von Gertrude Stein in der Rue de Fleurus 27. Die Hauptfigur begegnet dort unter anderem Gertrude Stein (gespielt von Kathy Bates). Gertrude Stein erkundete nie die Wurzeln der Familie in Franken.