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MICHELRIETH/VEITSHÖCHHEIM
Große Leidenschaft für süße Handarbeit
Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:57 Uhr

Einfach den nächstbesten Schokoriegel im Supermarkt kaufen und reinbeißen? Andreas Stegmeier würde das sehr schwer fallen. „Ich kann nicht mehr normal Süßigkeiten essen“, sagt er. Bevor er die Leckereien im Mund verschwinden lässt, guckt er sich erst einmal die Inhaltsstoffe auf der Rückseite der Verpackung an.

Eine Berufskrankheit – oder besser eine Ausbildungskrankheit: Im Sommer 2015 hat Andreas Stegmeier seine Ausbildung zur Fachkraft für Süßwarentechnik, Fachrichtung Schokolade beendet. Und das nicht einfach nur so. 28 Lehrlinge beendeten bundesweit im Prüfungszeitraum Winter 2014 und Sommer 2015 ihre Ausbildung, vier davon kamen aus dem Bereich der IHK Würzburg-Schweinfurt. Andreas Stegmeier landete mit seinem Prüfungsergebnis dabei auf einem ersten Platz.

Wie es dazu kam? „Ich fand das Thema „Lebensmittel“ schon immer interessant“, erzählt Andreas Stegmeier, der aus Michelrieth stammt. Also fing er nach der Schule eine Lehre im Triefensteiner Backhaus in Lengfurt an. Kurz vor seinem Ausbildungs-Ende musste der Traditionsbetrieb Insolvenz anmelden, Andreas Stegmeier sich in Windeseile einen neuen Ausbildungsbetrieb suchen.

Fündig wurde er bei der Bäckerei und Konditorei Brandstetter in Würzburg, wo er seinen Abschluss machte.

Allerdings reichte ihm der eine Beruf nicht aus, Stegmeier wollte weiterlernen, mehr wissen. Über das Arbeitsamt kam er zu den Frankonia Schokoladenwerken in Veitshöchheim. Nach einer Woche Probearbeit war die Zusammenarbeit geritzt.

Frankonia bildet seit 25 Jahren aus

Durchschnittlich einen, maximal zwei Auszubildende bildet das Unternehmen aus. „Wir wollen die Leute auch gern übernehmen“, begründet das Ausbilder Ludwig Schmer. Vor 25 Jahren haben die Frankonia Schokoladenwerke mit der Lehrlingsausbildung angefangen und die jungen Leute in die Kunst der Schokoladenherstellung eingewiesen.

Dabei durchlaufen die Azubis alle Abteilungen des Betriebs: Über die Entwicklungsabteilung, in der die Rezepturen festgelegt werden, den Rohbetrieb, wo die Grundmassen zusammengestellt werden, bis hin zur Herstellung, dem Gießen der Produkte und der Verpackung. Gerade in den letzten Abteilungen ist technisches Verständnis gefragt, denn hier geht es um die richtige Einstellung der Maschinen, die letztlich den Schokoriegel, die Praline oder die Tafel produzieren.

„Wir haben zum Beispiel rund 100 Riegel-Rezepturen, angefangen von Neun-Gramm-Riegel bis zum 100-Gramm-Riegel“, erklärt Ausbilder Schmer. Insofern müssen die Maschinen regelmäßig umgerüstet werden, teilweise wird auch per Hand gearbeitet. Das ist vor allem der Fall, wenn die Frankonia Schokoladenwerke mal wieder eine Sonderedition für eine Fremdmarke produziert.

Viele namhafte Schokoladenhersteller lassen ihre Sondereditionen im Veitshöchheimer Werk produzieren. Hintergrund ist, dass der Aufwand, die Produktion in den großen Schokoladenfabriken für eine Sonderedition einzurichten, sehr aufwendig und teuer ist. „Zumal die Hersteller oft nicht wissen, wie sich das Produkt am Markt etabliert“, erläutert Schmer.

Tüfteln gehört zum Handwerk

In solchen Fällen wird die Produktion an kleinere, flexiblere Häuser wie die Frankonia Schokoladenwerke ausgelagert. Deshalb gehört das Tüfteln an den Maschinen und manchmal auch das Nacharbeiten per Hand bei manchen Aufträgen dazu. Ganz abgesehen von der Herstellung der eigenen Produkte aus dem Hause Frankonia, über die die Auszubildenden ebenfalls eine Menge wissen müssen. So produziert das Unternehmen rund 100 verschiedene Riegel sowie 150 andere Produkte, wie gefüllte oder ungefüllte Schokoladentafeln, Waffelschnitten oder Pralinen.

Rund 40 verschiedene Zuckerarten spielen hier teilweise eine Rolle. Daneben produziert das Unternehmen spezielle Produktschienen wie Vegan, Bio oder Lactosefreie Schokolade.

Neben dem Wissen über die Inhaltsstoffe muss der Facharbeiter aber auch wissen, wie sie reagieren. Dabei spielt das Temperieren eine wichtige Rolle – für die spätere Konsistenz. „Eine gute Schokolade darf nicht in der Hand schmelzen“, beschreibt Ausbilder Schmer. Ein weiteres Indiz für gute Schokolade: Wenn sie bricht, muss es knacken und es sollte einen glatten Bruch geben. Sonst ist etwas schief gelaufen.

Kreativität und Köpfchen

Andreas Stegmeier hat es besonders in der Entwicklungsabteilung bei Frankonia gefallen. „Hier wird noch alles von Hand gemacht“, beschreibt er. Zudem geht es um Kreativität und Köpfchen: Wie könnte man was herstellen, damit es folgendermaßen schmeckt? Oft geht es hier auch um spezielle Kundenwünsche, die umgesetzt werden sollen.

Auch in seiner Prüfung musste Andreas Stegmeier erfinderisch werden: Er sollte ein Eigenprodukt entwerfen und herstellen – egal in welchem Format. Bei dem Michelriether wurde es eine Sommerschokolade mit zweierlei Füllung: Auf Himbeer-Fruchtmark gab er eine Himbeermilchcremfüllung und ummantelte alles mit weißer Schokolade. Die Herausforderung: „Das Produkt muss so angelegt sein, dass es an einer Maschine zu produzieren ist“, erklärt Stegmeier. Durfte er sich die Rohstoffe bei Frankonia zusammensuchen, stellte er die Schokolade schließlich in seiner Berufsschule in Solingen her, wo auch die Prüfung stattfand.

Neben dem Eigenprodukt musste er dabei auch noch eine Kakaomasse und eine Schokoladenmasse herstellen, eine Tafelanlage inklusive Verpackungsanlage bedienen sowie einen „geschminkten Hohlkörper“ herstellen, zum Beispiel einen Weihnachtsmann, der von außen mit Details wie rote Mütze, Bart, Mantel und Stiefel verziert wird. Wie gut ihm die Prüfung gelang, zeigt sich im Ergebnis.

Und doch will sich Andreas Stegmeier jetzt nicht auf seiner guten Ausbildung ausruhen. Er möchte weiterlernen. Vielleicht seinen Meister oder Techniker machen. Vielleicht aber auch einmal in die Schokoladenproduktion im Ausland schnuppern. Das nächste Jahr bleibt er allerdings noch in Veitshöchheim, bei Frankonia und in seiner Wohnung, die er mittlerweile in der Nähe seines Arbeitgebers bezogen hat.

Was er allen raten würde, die mit einer ähnlichen Ausbildung liebäugeln? Ein echtes Interesse an Lebensmitteln, beschreibt er. In seinem Fall vor allem an Schokolade – schließlich müssen die selbst hergestellten Produkte auch regelmäßig geschmacklich kontrolliert werden.

Ob er nach Feierabend überhaupt denn selbst noch gerne Schokolade isst? „Ja“, sagt er, aber er sei wählerischer geworden.

 
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