
"Unsere Heimatstadt wurde gestern von einem hohen Besuch beehrt. Ein ebenso seltener, als willkommener Gast stellte sich unverhofft, wenn auch nur für kurze Minuten, ein. Pünktlich um die Mittagsstunde um 12 Uhr hörte man ein dumpfes Surren, man wagte noch nicht recht den Gedanken an den Zeppelin, da war er auch schon da. In majestätischem Fluge überquerte das herrliche stolze Luftfahrzeug unsere Stadt. Freude, Jubel und Begeisterung allerorten. Schnell füllten sich alle Straßen mit Zuschauern, die dem Luftschiff freudig zuwinkten."
Unter der Schlagzeile "Graf Zeppelin über Lohr" berichtete die Lohrer Zeitung voller Stolz über den Flug des Luftschiffes am Montag, 4. August 1930, über die Spessartstadt. Das Foto-Atelier Schäfer hat den Moment in einer aussagekräftigen Aufnahme festgehalten. Das Luftschiff LZ 127 "Graf Zeppelin" befand sich auf einer Landungsfahrt von seinem Heimathafen Friedrichshafen am Bodensee nach Darmstadt und überflog in einer elfstündigen Fahrt das Rhein-Main-Gebiet, Taunus, Odenwald und die Städte Frankfurt, Hanau und Mainz. Gesteuert wurde das Luftschiff von Kapitän Ernst August Lehmann. 32 Passagiere waren an Bord der Gondel, darunter Bernhard Adelung, ein sozialdemokratischer Politiker und der Staatspräsident des Volksstaates Hessen.
Auf die schriftliche Anfrage eines Lohrers teilte die Luftschiffbau Friedrichshafen Anfang September noch Folgendes mit: Überflughöhe 650 Meter, Geschwindigkeit 104 Kilometer in der Stunde, angetrieben von vier (der fünf) Maybach-Motoren.
Sensationsmeldung
35 Tage zuvor hatte "Graf Zeppelin" schon einmal Lohr überflogen. Am 25. Juni 1930 wurde er in der Frühe um vier Uhr beobachtet: "Vom Beilstein her nahm er seinen Weg über die Stadt in Richtung Heilanstalt, den Main entlang, über Pflochsbach", berichtete die Lohrer Zeitung in einer Sensationsmeldung. LZ 127 befand sich damals auf der Rückfahrt von Berlin nach Friedrichshafen.
Das Starrluftschiff LZ 127 "Graf Zeppelin" wurde am 18. September 1928 in Dienst gestellt. Benannt wurde es nach dem Firmengründer Ferdinand Graf von Zeppelin (1838 – 1917), unter dessen Ära über 100 Luftschiffe gebaut wurden. LZ 127 "Graf Zeppelin" war das erste Luftschiff, das nach dem Ersten Weltkrieg wieder für die zivile Nutzung gebaut werden durfte. Zur Finanzierung hatte Zeppelins Nachfolger Hugo Eckener 2,3 Millionen Reichsmark Spenden von der deutschen Bevölkerung erhalten. Der Spenden-Zeppelin gilt als das erfolgreichste Verkehrsluftschiff seiner Zeit. Es erwies sich als so zuverlässig, dass es bald durch zahlreiche spektakuläre Fahrten berühmt wurde, wie die 139 Atlantik-Überquerungen, die 20-tägige Weltfahrt und die Polarfahrt.
In Sekundenschnelle explodiert
Am 6. Mai 1937 ereignete sich auf den nordamerikanischen Flughafen Lakehurst bei New York die tragische Katastrophe der LZ 129 "Hindenburg". Die größte Schwachstelle der Zeppeline, die Nutzung des brennbaren Wasserstoffgases als Tragmittel, ließ den Zeppelin beim Landeanflug in Sekundenschnelle explodieren und bedeutete auch das Ende der Luftschiffära. 13 Passagiere und 22 Besatzungsmitglieder der insgesamt 96 Insassen des Schiffes und ein Mitglied der Haltemannschaft am Boden kamen ums Leben. Unter den Toten war auch Kapitän Ernst A. Lehmann, der sich als Beobachter mit an Bord befand.
Das Luftschiff Graf Zeppelin wurde am 19. Juli 1937 außer Dienst gestellt und mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1940 verschrottet.