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Laudenbach
Grabstein-Symposium im Haus der Ewigkeit
Der Geologieprofessor Roman Koch sprach über den Einfluss des Bodens und der verwendeten Steinarten auf die fortschreitende Verwitterung der Grabsteine.
Foto: Günter Roth | Der Geologieprofessor Roman Koch sprach über den Einfluss des Bodens und der verwendeten Steinarten auf die fortschreitende Verwitterung der Grabsteine.
Günter Roth
 |  aktualisiert: 16.10.2022 02:30 Uhr

Dass im Leben alles mit allem zusammen hängt und sich gegenseitig beeinflusst, wurde einmal mehr bei einer interdisziplinären Besichtigung des jüdischen Friedhofs in Laudenbach im Rahmen eines Symposiums zur Dokumentation jüdischer Friedhöfe in Bayern deutlich. Im Fokus standen dabei neben religiös-gesellschaftlichen Zusammenhängen vor allem die Besonderheiten, die Pflege und der gegenwärtige Zustand der Grabsteine sowie deren Inschriften. Veranstalter war das Bayerische Amt für Denkmalpflege.

"Bet Olam - Haus der Ewigkeit" bezeichnet die Vorstellung von jüdischen Begräbnisstätten, denn die Totenruhe gilt nach jüdischem Religionsgesetz als unantastbar, die Grabstätten sollen bis ans Ende der Tage bestehen. Übergriffe jeglicher Art auf die Friedhöfe wiegen daher besonders schwer und richten sich damit gegen die jüdische Bevölkerung als Ganzes.

Spuren von Übergriffen

Elisabeth Singer-Brehm befasst sich schwerpunktmäßig mit der Erforschung von Schändungen jüdischer Begräbnisstätten in Deutschland und berichtete, dass solche Taten bis heute nur selten Gegenstand der Antisemitismusforschung seien und verlässliche Daten über Häufigkeit, Täter und Hintergründe weitestgehend fehlten. Auch auf dem Laudenbacher Friedhof konnte sie den Besuchern derartige Übergriffe aufzeigen – beispielsweise einen Grabstein, bei dem jüdische Symbole zerschlagen und die Inschriften weitgehend zerstört worden sind.

Schabernack nach dem Krieg

Der Laudenbacher Betreuer Georg Schirmer wusste darüber hinaus noch von mutwilligen Taten. Als nach dem Zweiten Weltkrieg Männer aus dem Dorf von den Besatzungsmächten verpflichtet wurden, den teilweise verwüsteten Friedhof wieder herzurichten, hätten diese dort ihren Schabernack getrieben, Steine oder Tafeln verkehrt herum aufgestellt oder mutwillig vertauscht.

Verwitterungsformen

Jüdische Friedhöfe werden als "Orte der Ewigkeit" oftmals nicht wie hiesige gepflegt, sondern sich weitgehend sich selbst überlassen. Das setzt natürlich dann gerade den Grabsteinen erheblich zu. Professor Roman Koch von der Universität Erlangen zeigte anhand von Verwitterungsformen diese Folgen von der Entstehung bis zur Verwitterung für verschiedene Steinarten auf. Gerade die hier oft verwendeten Muschelkalk- oder Sandsteine sind je nach geologischem Vorkommen unterschiedlich anfällig.

Problematisch für die Grabsteine sind auch die meist fehlenden Sockel oder Fundamente, sie wurden oft einfach 30 bis 40 Zentimeter in den Boden eingelassen. So kann die Bodenfeuchtigkeit leicht per Kapillarwirkung im Stein hochsteigen und dort die Zersetzung beschleunigen.

Nathanja Hüttenmeister berichtet anhand eines Grabsteines zusammen mit Georg Schirmer über die Geschichte des Laudenbacher Bürgers Sandel Frank.
Foto: Günter Roth | Nathanja Hüttenmeister berichtet anhand eines Grabsteines zusammen mit Georg Schirmer über die Geschichte des Laudenbacher Bürgers Sandel Frank.

2.400 Grabsteine

Die historische Entwicklung des Laudenbacher Friedhofs belegte Susanne Klemm, die mit der Erfassung dieser Einrichtungen beim Landesamt betraut ist. Rund 2.400 Grabsteine markieren die Gräber teilweise mit Einfassungen auf dem 1,6 Hektar großen durch eine Steinmauer eingefriedeten Gelände auf dem Berg über Laudenbach. Das offensichtlich älteste Grabmal aus dem 17. Jahrhundert ist wegen der Verwitterung namentlich nicht erfassbar. Ein anderes von 1725 ist deutlich besser erhalten und verweist auf einen Mosche Rothenfels. Da aber Juden zu dieser Zeit noch keine Nachnamen hatten, könnte der Zusatz Rothenfels auch auf die Herkunft des Verstorbenen hindeuten.

Nathanja Hüttenmeister übersetzte die Inschriften jüdischer Grabsteine auf dem Laudenbacher Friedhof.
Foto: Günter Roth | Nathanja Hüttenmeister übersetzte die Inschriften jüdischer Grabsteine auf dem Laudenbacher Friedhof.

Grundsätzlich wurde für jeden Verstorbenen ein eigenes Grab angelegt und ein eigener Stein gesetzt. Familiengräber mit Mehrfachbestattungen waren unüblich. Deshalb sind die älteren Grabmale in der Regel einteilige gebogte Steinplatten, später kamen aber mehrteilige und letztendlich auch säulenartige dazu, die schon wie ein Denkmal wirken.

Nathanja Hüttenmeister ist studierte Judaistin, Übersetzerin und forscht schwerpunktartig zu jüdischen Friedhöfen. Gemeinsam mit Georg Schirmer zeigte sie am Grabmal des Laudenbacher Juden Sandel Frank die Form und Schreibweisen der Inschrift auf. Frank lebte ab 1846 in einer Zeit, die Schirmer als das "kurze Zeitfenster des achtsamen Umgangs miteinander" bezeichnete. Als wohlhabender und im Dorf hochgeschätzter Bürger war er nicht nur Ehrenvorsitzender der jüdischen Gemeinde, sondern auch Mitglied des Laudenbacher Gemeinderats.

Zur wissenschaftlichen Erfassung und Beurteilung des jüdischen Friedhofs in Laudenbach ließ Roland Linck vom Zentrallabor Geo-Erkundung des Landesamts eine Drohne aufsteigen, die das gesamte Areal vermessen sollte. Am Vormittag trafen sich die wissenschaftlichen Teilnehmer zu Impulsvorträgen mit anschließender Diskussion im Bürgersaal des Historischen Rathauses von Karlstadt.

Jüdische Grabsteine wurden auch auf dem Laudenbacher Friedhof geschändet. Hier wurden die Symbole und die Inschriften zerstört.
Foto: Günter Roth | Jüdische Grabsteine wurden auch auf dem Laudenbacher Friedhof geschändet. Hier wurden die Symbole und die Inschriften zerstört.
 
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