Seit 2011 leitet der 41-jährige Bernhard Lermann die Küche des Marktheidenfelder Weinhauses "Anker". Dort absolvierte er als junger Mann seine Ausbildung unter Hermann Kerscher. Nach dieser führte ihn sein Weg zu Jörg Müller nach Sylt, zu Paul Haeberlin ins Elsass bis hin ins Luxushotel "Shangri-La" in der chinesischen Hauptstadt Beijing. Dass der Mann sein Handwerk versteht, zeigt die erneute Auszeichnung der Küche mit dem "Bib Gourmand" des Guide Michelin.
Im Gespräch legt der Küchenchef großen Wert darauf, dass er den "Anker" nicht als einen abgehobenen Luxustempel der Sterne-Küche verstehen will. Gourmet-Küche, das sei für ihn zunächst eine Küche, in der gute Zutaten, Tradition und Fachwissen eine Rolle spielten. "Wenn man so will, könnte auch eine ordentlich gemachte Pizza oder ein Döner in diesem Sinn ein Genuss sein", meint er mit Augenzwinkern. Es gehe nicht um Trüffel, Kaviar oder gar Blattgold auf dem Teller. Seine handgerollte Rindsroulade mit einer selbstgezogenen Soße sei ein wirklicher Genuss, die man im "Anker" zu einem annehmbaren Preis genießen könne.
Strenger Tester schaut genau hin
Genau in diesem Spektrum ist auch der "Bib-Gourmand" des Guide Michelin im Gegensatz zu den Sterne-Restaurants angesiedelt. Ein Maximum an Schlemmerei bis 37 Euro mit guten, schön zur Geltung gebrachten Produkten will der Gastro-Führer auszeichnen. Zur Aufnahme in den "Bib-Gourmand" schaut ein strenger Tester des Guide Michelin vorbei. Dieser gibt sich auch als solcher zu erkennen, denn er arbeitet neben seiner Test-Mahlzeit mit dem Küchenchef auch einen ausführlichen Fragebogen genau ab.
Bernhard Lermann umschreibt seine Küche als saisonal, frisch und regional, letzteres aber nicht ausschließlich. "Ich schätze so etwas wie den Mainfisch von unserem Fischer Brod oder das Rehwild unserer Jäger für ein Ragout", schwärmt Lermann. Sein Stil beruhe aber im Grunde wie überall auf dem Fachwissen der französischen Küche. "Ich neige nicht dazu, jedem aktuellen Trend nachzulaufen, auch wenn ich das natürlich verfolge", fasst er zusammen.
Bio-Produkte seien durchaus einzubeziehen, wenn ihre Qualität den Ansprüchen standhalte und der Preis vergleichbar bleibe. Ein vegetarisches oder veganes Angebot auf der Karte gehöre heute zum Geschäft, wobei dies im "Anker" eher wenig in Anspruch genommen werde.
Regionale Küche mit Einflüssen aus vielen Ländern
In seine "fränkische" Küche fänden natürlich andere Einflüsse Eingang. "Unverzichtbar ist da zum Beispiel ein italienisches Risotto", betont Lermann. Feine Gewürze hat er vor allem auch in Asien zu schätzen gelernt und aus der Molekularküche könne man auch beim Abbinden von kalten Saucen vielleicht besondere Qualitäten finden. "Aber wie gesagt, alles als fachliche Ergänzung und nicht nur als modischen Schnickschnack", betont der Küchenchef.
Zum Thema Regionalität hat Restaurantleiter Wolfgang Engelhardt, der einst ebenso im "Anker" die Ausbildung absolvierte, seine eigene Beobachtung gemacht. In 80 Prozent der Fälle ist natürlich Wein im Weinhaus das Getränk der Wahl. Aber niemand blamiere sich heute, wenn er ein frisch gezapftes Bier zum Menü genießen wolle. Interessant sei, dass die touristischen Gäste eher auf der Suche nach einem fränkischen Wein seien, wogegen die heimischen Stammkunden eher zum Wein aus anderen Ländern griffen.
Gewisser Standard ist unverzichtbar
Einig sind sich Lermann und Engelhardt, dass ein freundlicher, fachkundiger Service und ein ordentlich gedeckter Tisch unerlässlich sind. Wobei große Gedecke und weiße Tischwäsche heute schon manchen jüngeren Gast regelrecht abschreckten. Trotzdem bleibe ein gewisser Standard unverzichtbar. Aber drei Kellner, die unablässig um einen Gast herumschwirrten, seien heute wirklich nicht mehr gefragt.
Jetzt aber zieht es Bernhard Lermann wieder in seine Küche. Mit seinem Küchenteam von acht Personen an sieben Tagen mittags und abends immer auf gleichbleibend hohem Niveau die Gäste zufriedenzustellen, das ist schon eine Herausforderung.