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FRAMMERSBACH
Goldene Zukunft mit und in der Natur
Frammersbach ist Etappenort der Bike Trans Germany, hier ein Foto aus dem Jahr 2009.
Foto: Yvonne Vogeltanz | Frammersbach ist Etappenort der Bike Trans Germany, hier ein Foto aus dem Jahr 2009.
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:37 Uhr

„Es gibt ja bekanntlich solche zufälligen Ereignisse, die dich dann einfach nie mehr loslassen werden. 1980 stehe ich als junger Kerl im Frammersbacher Freibad und beobachte eine Handvoll Leute, die aus heutiger Sicht in ungewohnter Reihenfolge nach 20 km Laufen und 50 km Radfahren noch 1.000 m Schwimmen. Oder es eben versuchen. Jedenfalls standen sie dann sauber im Ziel. Gerade noch war aus den USA über unser Land die „Trimm-Trab“-Welle hergefallen und hatte dabei viele Lauftreffs hinterlassen. Und nun schon wieder was Neues? Oder war es gar nichts? Einfach nur die Spinnerei großer Jungs an einem für sie sonst langweiligen Sonntag Mittag?

1981, also genau ein Jahr später, sind die Sportler zur gleichen Zeit wieder im gleichen Schwimmbad und ich bin auch wieder da. Der „Frammersbacher Dreikampf“, direkter Vorläufer der Triathlonszene in Deutschland, war geboren und nun ein richtiger Wettkampf mit Sieger und Besiegten geworden. Ich kann es trotzdem nicht einordnen, was sie machen. Kein Wunder, denn weder gibt es den Begriff „Triathlon“ im deutschen Sprachgebrauch, noch existiert dieser Sport außerhalb meines kleinen Horizonts. Julie Moss sollte erst im nächsten Jahr in Hawaii recht spektakulär über die Ziellinie krabbeln.

Bis Ernst-Peter Berghaus in Essen den 1. Triathlon auf deutschem Boden austrägt, vergehen auch noch ein paar Monate. Und Normann Stadler sitzt im 30 km entfernten Wertheim vielleicht in der Schule und lernt gerade Lesen und Schreiben (bestenfalls) . . .

Der Triathlet Karsten Keßler hat diese Erinnerungen für die Plattform www.triathlon-szene.de niedergeschrieben. Es wundert nicht sonderlich, dass die Geburtsstunde des deutschen Triathlonsports gewissermaßen in Frammersbach schlug (wenn auch auf zwei Tage aufgeteilt) – drei Jahre nach dem ersten Ironman Hawaii, ein Jahr vor der ersten (bundes-)deutschen Meisterschaft im Ausdauerdreikampf. Denn die Frammersbacher haben ein herrliches Terrassenschwimmbad und als Mittelgebirgler mitten im Wald beste Trainingsmöglichkeiten fürs Radfahren und Laufen.

1982 absolvierte Keßler selbst seinen ersten Triathlon – zusammen mit Joachim Fischer, dem Zahnarzt aus Heigenbrücken, der vier Jahre später zum ersten Präsidenten der gerade neu gegründeten Deutschen Triathlon Union (DTU) gewählt wurde, und mit Gerd Amrhein, der 1989 den Deutschland-Cup gewann und Achter der Europameisterschaft wurde.

„Heute können wir zwei Dinge feiern: Der Dreikampf wird 20 Jahre alt und Triathlon ist olympisch. Die Frammersbacher Mission ist also erfüllt“ umschrieb Amrhein im Jahr 2000 die Vorreiter-Rolle des Ausdauerklassikers beim 20. Wettbewerb der Ausdauersportabteilung des TuS Frammersbach. Da war der Triathlon-Pionier und Bäckersohn aus Frammersbach Mitorganisator des Wettkampfes mit 322 Teilnehmern.

Den Triathlon gibt's nicht mehr. Die Ausdauersportler aber haben unentwegt weitergemacht. Ihr Spessart-Bike-Marathon gehört zu den zehn Top-Events der Mountain-Bike-Szene in Deutschland. 2007 kam der Frammersbacher Bike-Biathlon hinzu.

Und neuerdings haben die Bergrunterfahrer (Downhill) der Motorsportfreunde sogar den Skilift, den die TuS-Mitglieder 1970 am Sauerberg gebaut haben, für sich entdeckt und nutzen ihn zum Hinaufkommen – um dann mit ihren Mountainbikes ihren Hausberg hinabzurasen.

Nächster logischer Schritt in der Entwicklung des Freizeitsports war der Bikewald Spessart, dessen Geburtsstunde im 2004 schlug. Als hessisch-bayerische Kooperation waren acht Radrouten zwischen Frammersbach, Lohrhaupten, Wiesbüttsee, Mosborn und Habichsthal geplant. Geistiger Vater dieses Konzepts war der Frammersbacher Unternehmensberater Thomas Hofmann. Aktuell gibt es zwischen dem Landkreis Aschaffenburg, dem Großraum Lohr und Gemünden insgesamt 22 Routen mit 875 Kilometern Länge. Mit GPS-Hilfe durch den Wald – das hat was.

Wer glaubt, das wäre ein saisonale beschränktes Erlebnis, sieht sich getäuscht. Denn wenn genügend Schnee am liegt, dann wird der Rad-Lift wieder das, was er schon 45 Jahre lang ist, dann spuren die Frammersbacher wieder ihre Loipen durch den Wald.

Die Natur, so zeigt sich, gewinnt sogar an Wert, je mehr die Menschen in Ballungsgebieten nach Ausgleich streben. Einer aktuellen Studie des Bundesumweltministeriums und des Bundesamtes für Naturschutz zufolge gehört die Natur für 94 Prozent der Befragten zu einem guten Leben dazu, meldete die Deutsche Presseagentur erst vor zwei Wochen. Bewegungsangebote im Grünen, vom Wandern bis zum Downhill-Fahren, haben demnach Zukunft. Keine Frage. Zumal in Frammersbach.

Wie rasant die Entwicklung in 35 Jahren sein kann, macht auch der nächste Absatz in Karsten Keßlers Rückblick deutlich:

...

Es gibt noch kein Laktat, kein GA1, keine Triathlontrainer, keinen Puls- und Wattmesser, keine Powergels, keine Energieriegel, kein Koppeltraining, keinen Tri-Lenker und keine Klick-Pedale, keinen Neoprenanzug, keine Mountainbikes, keine DTU und keine ITU, keinen Solarer-Berg und kein Immenstadt, keine Aerolaufräder und keine Radhelme, kein Lanzarote und kein Mallorca, keine Tri-Einteiler und keine Kompressionsstrümpfe (Gott sei Dank!), keine Volksdistanz und keine Liga, keine Schwimmseminare und keine schlauen Internetforen. Auch keinen Balken in Wechselzonen, den man nicht überfahren darf, weil man sonst disqualifiziert wird. Es gibt nur eine duftige, grüne Wiese auf der wir alle stehen und jeder sich seinen eigenen Weg sucht ...

Taugt seit Jahrzehnten für Skifahrer, neuerdings auch für Downhill-Fahrer: Der Lift am Sauerberg, hier auf einer Archivaufnahme aus dem Jahr 1989.
Foto: Michael Wolf | Taugt seit Jahrzehnten für Skifahrer, neuerdings auch für Downhill-Fahrer: Der Lift am Sauerberg, hier auf einer Archivaufnahme aus dem Jahr 1989.
Schrieb mit an den ersten Kapiteln deutscher Triathlon-Geschichte: Gerd Amrhein aus Frammersbach, hier nach dem Zieleinlauf im Jahr 1998.
Foto: Klaus Werthmannn | Schrieb mit an den ersten Kapiteln deutscher Triathlon-Geschichte: Gerd Amrhein aus Frammersbach, hier nach dem Zieleinlauf im Jahr 1998.
Bikewald Spessart       -  Beliebt bei Bikern: Radtouren durch den Wald.
Foto: Johannes Ungemach | Beliebt bei Bikern: Radtouren durch den Wald.
 
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