zurück
Karlstadt
Glosse Sack Zement: Was sagt die Wahlkampfsprache über die Kandidaten?
Eine Analyse von Werbung und Pressemitteilungen im Kommunalwahlkampf.
Wahlwerbung in Karlstadt.
Foto: Markus Rill | Wahlwerbung in Karlstadt.
Markus Rill
Markus Rill
 |  aktualisiert: 19.02.2020 02:11 Uhr

Die Wahl lässt uns nicht los. Wir entschuldigen uns dafür, schon wieder eine Glosse den Kommunalpolitikern zu widmen,  aber das sind zurzeit nun mal die lustigsten Menschen, die öffentlich im Landkreis auftreten – allen Närrinnen und Narrhalesen zum Trotz.

Ein Lehrer wies die Redaktion dieser Tage darauf hin, dass ein ordentlicher deutscher Satz aus Subjekt, Prädikat und bitteschön einem Objekt zu bestehen hat. Die auf Karschter Wahlkampfplakaten zu lesende Parole "Zuhören. Entscheiden. Umsetzen." führe ob ihrer eigenwilligen Interpretation der grammatischen Regeln bei Germanisten zum Aufrollen der Zehennägel. Tja, nun, dann haben Pediküre-Anbieter in der Kreisstadt dieser Tage eben Hochkonjunktur. "Würde Jesus das wollen?" heißt es dazu auf einem anderen Wahlplakat.

Andererseits, wenn wir mal nicht päpstlicher als ein Deutschlehrer sein wollen, suggeriert der Punkt nach jedem substantivierten Verb ein Innehalten, womöglich gar ein Überlegen. Und nach dem Zuhören sowie vor dem Umsetzen mal zu überlegen, kann nun wirklich keinem Politiker schaden. 

Anders verhält es sich bei dem Slogan "Miteinander. Karlstadt. Bewegen." Da erkennen wir zwar Rudimente von Satzbau, aber die Zeichensetzung wirft Fragen auf. Signalisiert der Punkt auch hier ein Innehalten und Überlegen? Wusste der Kandidat nicht, wie's weitergehen soll? Erwog er nach "Miteinander. Karlstadt." zunächst andere Optionen wie "Zerstören.", "Ruinieren." oder "Erregen."? Schwer zu sagen.

Ist aber auch schwierig, auf einem Plakat in wenigen Worten die gesammelten Ambitionen, Ziele und Pläne für die Zukunft der Stadt rüberzubringen. Dafür gibt's Broschüren und Pressemitteilungen der Wahlkämpfer, in denen sie sich erklären können. Und, ganz ehrlich, da steht bei den im Stadtrat vertretenen Parteien durchaus noch Gehaltvolleres drin als "Ärmel hochkrempeln", "Aufs Rad setzen" oder die oben genannten Parolen.

Anders verhält es sich bei den Voldemorts der deutschen Politik, bei denen, die neulich in Thüringen nicht ihren eigenen Kandidaten, sondern den der FDP gewählt haben. Zu dieser inhaltlichen Bankrotterklärung passt die völlige sprachliche Pleite ihrer MSP-Vertreter in einer Pressemitteilung. Darin fordern sie nämlich die "Bekämpfung von Altersarmut und in Not geratener Mitmenschen, die trotz jahre- bzw. jahrzehntelanger geleisteter Arbeit mit erheblichen Problemen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes konfrontiert sind".  Ach, ihr Kleingeister. Da gebt ihr euch solche Mühe mit einem über viele Zeilen laufenden Satz und Wörtern wie "Bestreitung", begreift aber nicht, dass eure Satzkonstruktion suggeriert, ihr hättet vor, die in Not geratenen Menschen ebenso zu bekämpfen wie die Altersarmut.

Schon mal drüber nachgedacht, statt in die Politik in den Nachhilfeunterricht zu gehen? Der oben genannte Deutschlehrer hat noch Kapazitäten. Geschichte bietet er auch an. 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Karlstadt
Markus Rill
Altersarmut
Deutschlehrer
FDP
Kommunalpolitiker
Lehrerinnen und Lehrer
Nachhilfeunterricht
Not und Nöte
Politische Kandidaten
Probleme und Krisen
Wahlkämpfer
Werbung
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • C. L.
    Der Kommentar übertrifft die Glosse
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. H.
    Liebe Karschter Kandidaten, als Exil-Karschter, der jahrelang in der hohen Politikberatung tätig war, würde ich euch gerne unterstützen (egal wen, ich bin Profi), aber es hat mich ja keiner gefragt. Hier aber trotzdem mein ultimativer Vorstellungstext, in ganzen deutschen Sätzen:

    Karschter und -innen!

    Eigentlich hab ich ja keinen Bock auf den Job, so wie die meisten von Euch auch. Ich sitz lieber einfach so da, trink en Schoppe und ess mei Brotzeit. Schö Weiße, Rote und Leberwurscht, mit Kümmeli und en Schraudekipf dazu. Und ich maul scho mal gern über die im Rathaus, die wo ja eh nix gebacke kriege. Aber irgend jemand muss die Ärwet ja mach. Und da wärs dann doch am Gscheidste wenn ihr mich wählt! Schon damits kein anderer macht! Ich find, Karscht soll so bleib wie's is, bloß besser!

    Entscheid tut ja eh München, der Schwenk und es Straßenbauamt! Und am liebste hätt ich ja eigentlich n Kruck oder n Eugen. Aber die trete ja nit an.

    Wer zuerst zugreift, darf den Text haben! Also?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten