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Main-Spessart
Glosse: Main-Spessart ist das Berlin Unterfrankens
Die Bayerische Eisenbahngesellschaft hat die Zugverbindungen in Main-Spessart als eine der unkomfortabelsten im Freistaat bewertet. Die Straßen stehen dem in nichts nach.
RE mit Ellok Baureihe 146 und Dosto bei der Fahrt durch Gemünden über die Saalebrücke (146 243)
Foto: DB Regio Bayern | RE mit Ellok Baureihe 146 und Dosto bei der Fahrt durch Gemünden über die Saalebrücke (146 243)
Martin Hogger
Martin Hogger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:31 Uhr

Jedes Jahr bewertet die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) ihre 31 Zugverbindungen im Freistaat. Im Großen und Ganzen geht es um den Fahrkomfort: Wie sauber sind die Wagen? Funktioniert die Ausstattung? Wie gut werden die Fahrgäste im Regel- und Störfall informiert? Und, und, und. Gut abgeschnitten hat der Kissinger Stern (Kissingen – Gemünden) auf Platz 2. Mittendrin, auf Platz 18, ist der Main-Spessart-Express (Würzburg – Frankfurt). Auf Platz 24, und damit gerade nicht in den Minuspunkten, ist die Mainfrankenbahn (Würzburg – Gemünden – Sinntal). 

Was sagt uns das? Man kommt zwar schnell und komfortabel nach Main-Spessart rein. Es scheint aber auch so, als würde einen die Bahn genauso schnell und komfortabel auch wieder aus dem Landkreis rausleiten. Sobald man im Inneren ist, wird's nämlich ungemütlich. Dabei schien sich die Mainfrankenbahn in den vergangenen Jahren gemausert zu haben. Von -4,3 von 100 Punkten im Jahr 2011 schaffte die Bahn die vergangenen Jahre über 20 Punkte. Jetzt ist man wieder runter auf etwa fünf. Wenigstens nicht im Minus, yeah!!!!

Und obwohl dieses Ranking von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft kommt, ist es schon fast so etwas wie die "Betenden Hände" von Albrecht Dürer: ein perfekte Skizze für den Zustand der gesamten Main-Spessarter Verkehrsinfrastruktur. Denn: Die Straßen stehen dem in nichts nach. Die Autobahnen im Westen und Osten streifen im Landkreis nur Marktheidenfeld und Arnstein mal kurz. Man ist so schnell im Landkreis, wie wieder draußen. Die eine Schnellstraße durch den Landkreis, die Strecke 46, wurde nie fertig. Die Brückenpfeiler stehen inzwischen unter Denkmalschutz. Ob die B26n – selbstverständlich aus vollkommen anderen Gründen – ein ähnliches Schicksal ereilen wird, steht noch in den Sternen. Ungehindert dessen, wird man weiterhin zu Walter Röhrl werden müssen, um heil über die Buckelpiste von Marktheidenfeld nach Karlstadt zu kommen – solange man sich vorher nicht in irgendeinem Ortskern verfahren hat.

Ein Symbol-Video:

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Arm aber sexy

Warum aber ist in so einem reichen Landkreis die Verkehrsinfrastruktur so schlecht? Immerhin sind wir 78. von 401 im Regionalranking des Instituts der deutschen Wirtschaft, yeah!!! Ganz einfach: Sie wird nicht gebraucht. 

Der ehemalige Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit hat über seine Stadt (auf Platz 132) mal gesagt: "Berlin ist arm aber sexy." Sabine Sitter könnte sagen: "Main-Spessart ist reich, sieht aber arm und sexy aus." Ist Main-Spessart deshalb das Berlin Unterfrankens?  

Dafür spricht einiges: Neben den erodierenden Brücken und ein paar Start-Up-Centern führt durch beide ein Fluss, gepflastert mit nicht realisierten Stadtstränden. Es gibt so hohe Mieten, dass die Menschen in die Peripherie ziehen müssen. In den Kernen treffen hochmoderne Bürogebäude auf Bauruinen. Und Politiker behindern sich mit all ihren guten Absichten beim Problemlösen so konsequent, dass am Ende gar nichts passiert – vielleicht weil wie Friedrichshain, Mitte, Prenzlauer Berg oder Kreuzberg auch in Main-Spessart vier Bezirke mit einem ordentlichen Ego von sich behaupten, der geilste Scheiß zu sein. Und wenn wie die Berliner kaum Main-Spessarter deshalb ihre Bezirke (Alt-Landkreise) verlassen wollen, werden auch die Verbindungen dazwischen vernachlässigt werden. Verdammt: Sogar die Mottos stimmen im Baubereich überein. Main-Spessart: Bunt ERleben. Berlin: BER. 

Etwas positives haben die Straßen und Züge in Main-Spessart aber dann doch. Wenn man dann wirklich mal mit 20 km/h nach Karlstadt fährt oder in Gemünden und Lohr auf den Main-Spessart-Express nach Frankfurt wartet, welcher sich laut BEG bei jeder fünften Fahrt verspätet: Man kann sich entspannen und ausgiebig die schöne Natur genießen. 

 
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  • C. H.
    Ja, und baut man die B26n ist Lohr wirklich wie Berlin.
    Dann führt die Transitstrecke zum Ende der Welt, von dem man nicht mehr weiter kommt.
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  • H. K.
    Ach wie wahr......sehr gut geschrieben.
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