Als das auserwählte Volk nach entsetzlichen Entbehrungen die Wüste Covid durchquert hatte, als es mit sehnsüchtigem Blick hinterm Horizont das nahe Ende seines Leidens wähnte und sich Geimpfte, Getestete und Genesene voller Dankbarkeit auf eine Handvoll Manna und einen Schluck Quellwasser freuten, da fuhr urplötzlich mit Trara ein kunterbunter Bus um die Düne. Was machten da alle für Glotzaugen! Es war tatsächlich ein Verkaufswagen, dessen Luke sich mit Schellenklang öffnete und hinter dessen Lade sich die Lobpreisungen drängten mit Limonade, Eis und Büstenhalter, Bratwurst, Bockbier und Bastelbedarf jedweder Art.
Kein Wunder, dass sich mancher Main-Spessarter – denn um nichts anderes handelt es sich beim auserwählten Volk – regelrecht überfahren fühlt angesichts des Überflusses. Erst dreht sich ewig nichts, dann drehen alle durch. Alles an einem einzigen Sonntag: Oktobermarkt in Karscht, Martinimarkt in Hädefeld, Herbstmarkt in Gemünne, Tag der Regionen in Binsfeld, die Martinsbräu lässt das Bockbier aus dem Fass und wir können sicher sein: das ist noch längst nicht alles. Es kann hier sowieso nicht alles aufgezählt werden.
Ihr habt Lohr vermisst? Die Schlaumeier halten sich an diesem Sonntag schön raus und ernten ihre Rambouräpfelchen erst zum Ende des Monats. Alleinstellungsmerkmal nennt man das. Aber natürlich setzen die Mopper und Schnüdel auch an diesem Wochenende eine Duftmarke, die uns beim ersten Lesen die Nase hochsteigt: Sie lassen ihre Möpse raus. Damit wir uns nicht falsch verstehen – es geht um die beiden Hundeskulpturen des Künstlers Roland Schaller. Sie hören auf die Namen "Wurstklau" und "Pinkler", wobei der Erstere am Samstag um 11 Uhr seinen Platz vor dem Schloss findet, der "Pinkler" aber sein Geschäft später an einer Laterne in der Anlage gegenüber vom Rewe-Markt verrichten muss. Angeblich wollte Bürgermeister Paul den putzigen Mops nicht auf dem Schlossplatz haben – man könnte ja meinen, dass er das Rathaus und seine Belegschaft anpinkele.
Klar, dass dem Lohrer Bürgermeister angesichts der finanziellen Situation seiner Stadt ein Dukatenscheißer am Rathaus so wie in Goslar viel lieber wäre. Aber wenn einer einen Dukatenscheißer ans Rathaus kriegt, dann der Bürgermeister von Marktheidenfeld. Dessen Kämmerin fliegen die Gewerbesteuerdukaten wieder mal um die Ohren, dass es eine wahre Pracht ist. Gut, dass das heutzutage alles digital geht und nicht säckeweise in der Stadtkasse abgeladen wird. Das könnte mit der Tiefgarage darunter sonst echt Probleme geben.
Problemlos überstanden hat trotz Höhenangst neulich der angehende Bräutigam Elias seinen Verlobungsflug mit der auserwählten Miriam über die Äcker an der Karlsburg. "Willst mich heiern?" hat er in bestem Fränkisch ins Feld gegrubbert und da konnte und wollte sie nicht anders und sagte Ja. Solche Geschichten braucht das Leben. Und sie machen uns Main-Spessarter liebenswert. Wie liebenswert wir sein können, davon kann sich jeder morgen überzeugen – in Karscht, in Hädefeld, in Gemünne oder Binsfeld, ach was – einfach überall in Main-Spessart.