Betrat man am Wochenende das „Hotel zur schönen Aussicht“, fand man sich in einem Gewimmel aus Menschen jeden Alters wieder. Im großen Saal und in einem Zelt im Hof des Hotels standen Tische; darauf waren weiße Plastikschalen in Gruppen zusammengestellt. Interessiert betrachteten die Besucher die Becher. In jeder Schale befand sich ein mit Wasser getränktes Wattepad, das Blatt einer Grünpflanze und eine „Anura“. Das ist der wissenschaftliche Name für den Froschlurch.
Seit zehn Jahren findet immer im Herbst die Tagung der „Arbeitsgruppe Anuren“ (AG), einer Sparte der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT), in Marktheidenfeld statt. Hier treffen sich Hobbyzüchter und Fachpersonal zum Informationsaustausch. Außerdem werden auf einer Froschbörse Amphibien direkt von den Züchtern zum Verkauf angeboten.
Die Aussteller zeigten vor allem farbenfrohe Anuren der Familie der Baumsteigerfrösche. Diese Sorten sind aufgrund der vielfältigen Hautfarben und -muster in der Terrarienhaltung besonders beliebt. Außerdem werden sie meistens nur zwölf bis 50 Millimeter groß. Neben den Tieren waren auch Pflanzen, Terrarien-Zubehör und Fachliteratur zum Kauf angeboten. Insgesamt 56 Aussteller präsentierten in diesem Jahr ihre Waren.
Ulrich Schmidt (53 Jahre) aus Grevenbroich, Vorsitzender der AG Anuren, betonte ausdrücklich, dass alle Froschlurche, die angeboten werden, aus Nachzuchten stammen. „Unser Ziel ist es, die Einführung von Tieren zu vermindern – oder noch besser: abzuschaffen“, sagte er. Preislich sei es sogar günstiger, die Frösche auf der Börse anstatt im Zoohandel zu erstehen. Das Personal dort habe zudem meist wenig Ahnung von der Haltung der hoch spezialisierten Tiere.
Tierischer Pflanzenschutz im Gewächshaus
Auf der Börse hingegen treffe man Züchter, die sich seit vielen Jahren mit ihren Fröschen beschäftigen. Eine davon war Angela Liebich, die zwölf Arten hat. „Ich finde die Tiere einfach knuddelig“, sagte sie. „Mich faszinieren die bunten Farben und Muster auf der Haut.“ Die Baumsteigerfrösche hält sie in ihrem Orchideengewächshaus. „Ich brauche keine Pflanzenschutzmittel, das erledigen alles meine Tiere.“ Nach dem Gießen bedanken sich die Männchen mit ihrem Gesang. Das könne sich – je nach Art – wie ein surrender Rasierapparat anhören oder wie das Läuten des Telefons; nicht umsonst ist eine der Arten nach dem Apparat benannt.
Verkauf an Terraristen
Daniela Rößler aus Trier war gemeinsam mit einer Freundin zur Froschbörse angereist. Die beiden Studentinnen haben eine Doktorarbeit über chemische Signalstoffe von Kaulquappen geschrieben. Dazu züchteten sie insgesamt etwa 50 Froschlurche. „Wir sind keine typischen Züchter. Wir verkaufen die Tiere auf der Börse an Terraristen, weil wir sie nicht mehr benötigen“, sagte Rößler.
Manfred Kraus aus Nürnberg besitzt zu Hause ein großes Terrarium. Doch der Glaskasten ist seit einigen Jahren verwaist. Zur Froschbörse nach Marktheidenfeld kam er, um neue Froschlurche zu erstehen. „Es ist für mich eine Leidenschaft, solche schönen Tiere zu besitzen. Ich komme einfach nicht davon los“, gesteht er.
Die DGHT hat ihren Verwaltungssitz in Mannheim, ist aber bundesweit aktiv. „Wir sind nicht örtlich gebunden“, sagte Ulrich Schmidt. „Ein Großteil der Börsen-Besucher ist aus Süddeutschland, einige aber auch aus der Schweiz, aus Italien, aus den Niederlanden oder beispielsweise aus Großbritannien“, wusste Mitveranstalter Ralf Schmitt (47 Jahre) aus Essen. Marktheidenfeld liegt nicht nur verkehrsgünstig an der Autobahn, sondern die Familie Roth, die das Hotel betreibt, ist der Börse gegenüber sehr aufgeschlossen. Schmitt sagte, man komme gerne hierher.
Neben der Börse in Marktheidenfeld, die für viele Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft, aber auch andere Interessenten, ein fester Termin im Jahreskalender ist, findet in Deutschland nur eine einzige vergleichbare Veranstaltung statt: im Frühjahr in Rüsselsheim. Außer der Tausch- und Verkaufsbörse für Amphibien und Zubehör fanden am vergangenen Wochenende auch Vorträge für Terrarienbesitzer und Fachpersonal statt. 80 bis 100 Besucher kämen hierzu jährlich. Themen waren beispielsweise die Durchführung von Erhaltungszuchten oder aktuelle Forschungsprojekte in der Amphibienanlage des Museums Koenig in Bonn.
Mitglieder der AG Anuren reisen regelmäßig nach Panama, Costa Rica oder Kolumbien, um die natürlichen Lebensräume der Frösche zu erforschen. Die AG Anuren hat zudem bereits mehrere Studenten bei ihren Dissertationen unterstützt. Viele konnten sich hochspezialisieren und liefern wertvolle Informationen für die Züchter. Ralf Schmitt: „Die Terraristen halten nicht nur ihre Tiere, sondern interessieren sich zum Beispiel auch dafür, was die optimalen Lebensbedingungen der Frösche sind.“
Baumsteigerfrösche
Froschlurche werden landläufig kurz als „Frösche“ bezeichnet. Weltweit gibt es schätzungsweise 6000 verschiedene Arten der Wirbeltiere. Je nachdem, wie ausgeprägt die Hinterbeine sind, bewegen sich Froschlurche laufend, hüpfend oder weit springend vorwärts. Manche leben ständig im Wasser, andere sind Kletterkünstler und leben auf Bäumen oder vergraben sich in der Erde. Die Haut der Froschlurche ist mit Schleimdrüsen durchsetzt, die die Oberfläche feucht halten.
Für die Haltung in Terrarien werden vor allem die farbenfrohen Baumsteigerfrösche (Dendrobatidae) genutzt. Sie sind auch unter dem Namen „Pfeilgiftfrösche“ bekannt. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, da indigene Völker nur von drei Arten das Gift für ihre Pfeile verwendet haben.
In freier Natur produzieren die Körperdrüsen ein Schutzsekret; die Stärke des Gifts ist abhängig von der Nahrung, die die Frösche zu sich nehmen. Mit dem Futter, das sie in den Terrarien erhalten, ist das Sekret meistens nicht mehr giftig. dfi


