Als Modell einer typisch ländlichen Gemeinde, die durch Nutzung neuer Technologien Arbeit ins Dorf holt, die Wirtschaftskraft stärkt und dabei noch den dörflichen Charakter pflegt, wurde Retzstadt von der Würzburger Direktion für ländliche Entwicklung als "Teledorf" vorgeschlagen.
Ziel des Expo-Projektes in Retzstadt ist es, eine zukunftsorientierte telematische Infrastruktur aufzubauen, die besonders jungen Menschen im Dorf neue Zukunftschancen und stabile Arbeitsplätze bietet.
Die Entwicklung soll beispielhaft für viele Dörfer in ähnlicher Situation in Bayern sein. Wie Arnold Full, Expo-Beauftragter der Gemeinde Retzstadt, ausführte, sind zahlreiche Vorarbeiten und Anstrengungen, um dieses Ziel zu erreichen, bereits verwirklicht oder im Gange.
Nach dem Ausbau der Räumlichkeiten in der ehemaligen Jugendherberge, in die das Telematikzentrum eingezogen ist, soll die Zahl der Arbeitsplätze weiter gesteigert werden. Weiter wurde in Zusammenarbeit mit dem Bürgernetzverein Main-Spessart Einwahlknoten eingerichtet, so daß ab dieser Woche jeder Bürger in Main-Spessart zum günstigen Ortstarif das Internet nutzen kann.
Der Retzstadter Jugend wird in einem Nebenraum des TZR die Möglichkeit geboten, gänzlich kostenfrei im Netz zu surfen. Verschiedene, auch regionale Arbeitskreise nahmen bereits ihre Arbeit auf, und einige Workshops wurden durchgeführt.
Retzstadts Bürgermeister Reinhold Möller hob im Ausschuß deutlich heraus, daß die Ziele und Vorgaben der Expo im Bezug auf das Teledorf Retzstadt nur mit Hilfe anderer Orte und des Landkreises verwirklicht werden könnten. Dies gelte sowohl für die Maßgabe von 30 bis 50 Telearbeitsplätzen landkreisweit in den verschiedenen Varianten als auch für die Auflage der Schaffung eines Lokalen Informationssystems (LIS) für den Landkreis Main-Spessart.
Diese beiden Forderungen an das Expo-Projekt müssen bis Mitte 1999 erfüllt sein. Die Teilnahme an der Weltausstellung biete wegen eines starken Besucherandrangs nicht nur für den Weinort selbst, sondern auch für den Landkreis Main-Spessart die Chance einer dauerhaften touristischen Vermarktung.
Die Darstellung von Firmenprodukten, ein Wirtschaftsspiegel Main-Spessart oder auch eine tageweise Einzelpräsentation der Orte in Retzstadt wären ebenso denkbar wie Sonderveranstaltungen zur 800-Jahrfeier Karlstadts oder den Energiehäusern nebst Gartenschaugelände in Arnstein.
Mit der Teilnahme an der Weltausstellung sei eine Lawine losgetreten worden, die nicht zu bewältigen sei, meinten einige Kreisräte. Kreisrat Gerhard Kraft konnte in diesem Projekt zudem keinen großen Nutzen für den Landkreis Main-Spessart, sondern lediglich für die Gemeinde Retzstadt erkennen.
Der stellvertretende Landrat Roland Metz hingegen stellte sich auf den Standpunkt, vor der neuen Entwicklung im Telematikbereich nicht die Augen verschließen zu können. Trotz manchen Ärgers und Risiken biete das ,Vorzeigeobjekt Retzstadt' auch eine große Chance für den Landkreis im Hinblick auf künftige gesellschaftliche Veränderungen und eine berufliche Spezialisierung der Jugend.
Kreisrat Manfred Goldkuhle forderte die verstärkte Eigeninitiative der Gemeinden und Städte. Positive Entwicklungen in Retzstadt könnten in jedem anderen Ort kopiert werden, das Know-how und die Erfahrungen hierzu können das TZR und der Bürgernetzverein liefern. Um sich ein besseres Bild von der Retzstadter Entwicklung machen zu können soll die nächste Ausschußsitzung im Telezentrum vor Ort stattfinden.