Ein Wechselbad der Gefühle durchleben derzeit die Einzelhändler. Seit Montag dürfen Kunden wieder die Läden betreten. Doch sieht es danach aus, als wäre dies nur eine kurze Episode. Die Inzidenz lag am Donnerstag in Main-Spessart bei 95,9 und damit bedrohlich nahe an der 100er-Marke. Sollte sie diese ab Freitag drei Tage lang überschreiten, "dann muss am Montag ein Amtsblatt vom Landratsamt veröffentlicht werden und ab Dienstag, 16. März, sind wir dann wieder im harten Lockdown“, erklärt die Karlstadter Stadtmarketing-Geschäftsführerin Susi Keller in einem Rundbrief an die örtlichen Einzelhändler.
"Es war wunderbar trotz der Einschränkungen", blickt Sigrid Welzenbach von den Modegeschäften in Burgsinn und Gemünden auf den Wochenbeginn zurück. Viele hätten angerufen, um einen Termin zu bekommen. Statt des seltsamen Begriffs "Click & Meet" nannte sie es "Termin-Shopping". Sofern genug Platz in den Läden war, konnten Kunden auch spontan eingelassen werden. Im 300 Quadratmeter großen Geschäft in Burgsinn durften sich sieben Personen gleichzeitig aufhalten, im 168 Quadratmeter großen Laden in Gemünden vier.
Auch wenn Listen und Kontaktformulare ausgefüllt werden mussten, "war es für uns als Modeberater etwas Besonderes, die Kundschaft wieder mal vor uns zu haben". Welzenbach verfolgt mit Bangen, wie es nun weitergeht. "Dabei sind wir nicht die Infektionstreiber, werden aber abgestraft." Für beide Geschäfte wurden Luftreinigungsgeräte angeschafft, berichtet Peter Welzenbach. Beim Eintritt kann man kontaktlos die Hände desinfizieren. Mehrmals täglich werden Griffe, Schalter und Toiletten desinfiziert.
Modehändler fühlen sich benachteiligt
"Wenn jetzt ein erneuter Lockdown käme, wäre das für uns sehr, sehr hart", sagt Martin Krause vom Modehaus Koch in Karlstadt. Für eine Kleinstadt seien die Einzelhandelsregelungen absolut überflüssig und extrem verkomplizierend, findet er. In sein Stammgeschäft am Marktplatz, das "Frauenreich" mit seinen 1000 Quadratmetern Verkaufsfläche, dürfen 25 Kundinnen rein, beim "Männerrevier" gegenüber sind es neun Kunden. "Das haben wir selbst unter normalen Bedingungen selten."
Zusätzlich zur Lüftungsanlage werden die Türen zum Lüften geöffnet, soweit es die Witterung zulässt. Vor der Öffnung am 8. März haben sich alle 35 Mitarbeiterinnen testen lassen, auch um untereinander Sicherheit zu haben. Auch für die wäre ein neuer Lockdown ein Supergau, wie Martin Kraus sagt: "All das zermürbt auch die Mitarbeiterinnen, die waren jetzt drei Monate zu Hause."
Er kann nicht nachvollziehen, "weshalb wir Modehändler völlig anders behandelt werden als Baumärkte und Lebensmittler, die auch Textilien verkaufen, Spiele oder Parfüms". Für liegengebliebene Wintermode gebe es zwar eine Unterstützung vom Staat. Da aber seien die Regularien so kompliziert, dass es kaum möglich sei, diese zu erhalten. So bleibe nur, die Ware bis zum nächsten Winter aufzuheben und zu hoffen, dass es wenigstens jetzt bald normal losgehen kann.
Die Regelungen sind nicht gleich allen präsent
Das sogenannte "Click & Meet" sei am Montag gut angelaufen, berichtet Géraldine Barrois aus Marktheidenfeld. Die Werbegemeinschaftsvorsitzende und Inhaberin zweier Optikläden glaubt jedoch, dass genau wie manche Händler auch die Kunden ein wenig überrumpelt waren von den Öffnungen beziehungsweise nicht wussten, was sie jetzt genau machen dürfen. Das sieht auch Sascha Schlösser vom Expert-Markt in Gemünden so: Es sei wohl nicht allen Kunden klar gewesen, dass sie nicht nur per Telefon oder E-Mail einen Termin vereinbaren können, sondern auch ins Geschäft können, sofern die Kundenzahl noch nicht ausschöpft ist.
Die Kunden jedoch, die einkauften, hätten mehr Geld ausgegeben, berichtet Barrois: "Die Vorfreude war wieder da. Der Kundenkontakt hat uns gefehlt. Und wenn am Ende des Tages Geld in der Kasse landet, sei es auch nicht viel, dann war das auch ein schönes Gefühl."
Lohr: Öffnungen werden zur Katastrophe
Auch in Lohr seien fleißig Termine gebucht worden, sagt Angelika Winkler, Inhaberin einer Boutique in Lohr und Vorsitzende der dortigen Werbegemeinschaft. Die Händler konnten Mitarbeiter aus der Kurzarbeit holen. Doch was als Perspektive begann, habe sich zu einer "Katastrophe" entwickelt.
"Die Freude wurde uns genommen", sagt sie. Es gab die Auflage, dass die Türen geschlossen und Kleiderständer sowie Verkaufsstände vor den Türen verboten wurden. "Jetzt sieht es genauso tot aus wie im Lockdown." Die Umsätze seien zwar hochgegangen, jedoch auch die Ausgaben. "Ich kann Mitarbeiter ja nicht nach einer Woche wieder in Kurzarbeit schicken." Zudem habe das Bundeswirtschaftsministerium wegen Betrugsverdacht die Abschlagszahlungen für Unternehmen ausgesetzt. Winkler wäre froh, wenn erst einmal die Januarhilfen ankämen. "Wir sind am Ende unserer Leistungsfähigkeit. Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll."
In Gemünden wurde nun auch offiziell der Frühjahrsmarkt am 28. März abgesagt. Wie Else Platzer vom Stadtmarketing mitteilt, ist der angekündigte Flohmarkt entlang der Stadtmauer ebenfalls davon betroffen. Dass in Karlstadt der Ostermarkt am 28. März flach fällt, ist schon einige Tage bekannt.