
Mit einer einjährigen Bewährungsstrafe, 6000 Euro Geldstrafe, einem dreimonatigen Fahrverbot und Übernahme der Verfahrenskosten, einschließlich denen der Nebenklage, wurde am Amtsgericht Gemünden ein tödlicher Verkehrsunfall geahndet. Ereignet hatte er sich am 18. September 2023 auf der Bundesstraße 26 bei Arnstein. Eine 21-jährige Autofahrerin war dabei ums Leben gekommen, ihr 20-jähriger Begleiter schwer verletzt worden.
Welche Emotionen mit dem Fall einhergingen, wurde bereits etwa eine Stunde vor Beginn der Verhandlung deutlich. Vor dem Gerichtsgebäude waren junge Leute aus Nahestehenden der Verunglückten und denen des Unfallverursachers aneinandergeraten. Sie konnten allerdings von den Wachtmeistern des Gerichts getrennt werden. Insgesamt verfolgten später rund 30 Interessierte den Verlauf der insgesamt mehr als dreieinhalb Stunden dauernden Verhandlung.
Staatsanwältin wirft Unfallverursacher fahrlässige Tötung vor
Fahrlässige Tötung, in Verbindung mit fahrlässiger Körperverletzung, hielt die Staatsanwältin dem 26-jährigen Unfallverursacher in ihrer Anklage vor. Er war an diesem Montagmorgen mit seinem BMW X5 auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle. Etwa 40 Meter vor ihm ein mit zwei Fahrern besetzter Linienbus. Vor einer leichten Rechtskurve schaute der BMW-Fahrer zunächst rechts am Bus vorbei, ob die Fahrbahn frei wäre. Danach scherte er nach links aus, wo es gegen 6.20 Uhr zu dem verheerenden Frontalzusammenstoß mit einem Mini-Cooper kam.
Während sich der BMW durch den Aufprall um die eigene Achse dreht, landete der Mini in einer angrenzenden Wiese. Dort wurde die 21-jährige Fahrerin in ihrem Wrack eingeklemmt, wo sie später von der Feuerwehr herausgeschnitten werden musste. Der 20 Jahre alte Beifahrer konnte sich mit Unterstützung von Ersthelfern selbst befreien. Beide Unfallopfer wurden vom Rettungsdienst in Krankenhäuser gebracht, wo die junge Frau allerdings wenige Stunden nach ihrer Einlieferung verstarb.
Beifahrer der Getöteten leidet noch heute unter den Folgen des Unfalls
Schwerste Kopfverletzungen, zwei Frakturen der Halswirbelsäule, schwere Beckenverletzungen sowie ein Schädelhirntrauma, welches schließlich zum Tode führte, nannte die Gerichtsmedizinerin als Sachverständige in der Verhandlung. Der Beifahrer erlitt nach seinen Schilderungen neben äußeren Verletzungen einen Darmriss und einen Anriss der Milz. Noch heute leidet er psychisch unter den Unfallfolgen, musste seine Ausbildung zum Stahlbetonbauer für ein Jahr unterbrechen. Von dem Unfall weiß er nur noch, dass er und seine Freundin den Bus gänzlich passiert hatten, "einen Lichtkegel sahen und dann hat es gekracht".
Die Stelle, an der der BMW-Fahrer zum Überholen ansetzte, "war nicht einsehbar", sagte ein Polizeibeamter, der sich zur Zeit des Unfalls in der Nähe auf Streifenfahrt befand. Dies unterstrich auch der technische Gutachter, der von der Staatsanwaltschaft zum Unfall hinzugezogen worden war. Nach seinen Berechnungen hätte der Verursacher mindestens eine Strecke von 280 Metern für den Vorgang gebraucht, unter der Voraussetzung, dass die Straße einsehbar und frei gewesen wäre. Die zum Unfall gefahrene Geschwindigkeit hatte der DEKRA-Gutachter mit 62 bis 73 km/h bei dem BMW und 76 bis 86 km/h bei dem Mini errechnet.
Eltern der Getöteten fordern Entzug der Fahrerlaubnis des Unfallverursachers
Mit sehr viel Einfühlvermögen und den jeweils passenden Worten wurde die Verhandlung von Strafrichterin Kristina Heiduck geführt. So ließ sie keinerlei Raum für Vorwürfe oder unpassende Äußerungen. Dies traf auch auf die Staatsanwältin zu, die gleich zu Beginn ihres Plädoyers betonte, dass es hier allein um die juristische Aufarbeitung gehe und die im Rahmen der Strafgesetze geschehe. "Egal, wie hoch die Strafe auch ausfällt, es kann Ihnen Ihre Tochter nicht mehr zurückbringen", sagte die Staatsanwältin, hauptsächlich an die Eltern der jungen Frau gerichtet. Sie sah beim Angeklagten eine "erhebliche Pflichtverletzung" im Straßenverkehr und beantragte für ihn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Dazu eine Geldauflage von 6000 Euro und ein Fahrverbot von drei Monaten.
Die Vertreter der Nebenklage für die Eltern und des verletzten Beifahrers schlossen sich in ihren Anträgen den Ausführungen der Staatsanwältin in der Hauptsache an. Jedoch war ihnen ein Fahrverbot zu wenig. Sie forderten einen Entzug der Fahrerlaubnis für den Angeklagten.
Angeklagter entschuldigt sich bei allen Beteiligten
"Das Geschehene geht auch an mir und meinem Mandanten nicht spurlos vorüber", begann der Verteidiger des 26-jährigen Unfallfahrers sein Plädoyer. "Er hat einen Fehler gemacht, dessen Auswirkungen zu dem geführt haben, was passiert ist", sagte er. "Ein Fehler, wie er zu jeder Zeit, an jedem Ort, beinahe jedem von uns passieren kann". In seinem Antrag sprach er sich nicht präzise für ein Strafmaß aus, legte das in das Ermessen des Gerichts. Dem Entzug der Fahrerlaubnis sprach er allerdings entgegen und hielt es für überzogen. "Das ist wie der Wunsch nach Vergeltung", meinte der Verteidiger.
In ihrem noch nicht rechtskräftigen Urteil schloss sich Richterin Heiduck vollumfänglich dem Antrag der Staatsanwältin an. Zuvor hatte sich der Angeklagte mit bewegten Worten für sein Fehlverhalten bei allen Beteiligten entschuldigt.
Sehe ich anders. Das ließe Leuten, die ihr schnelleres Vorankommen über die Verkehrssicherheit gestellt und dabei einen anderen Menschen ums Leben gebracht haben, genügend(!) Zeit, über die angemessenen Prioritäten nachzudenken - was mMn mehr "im Namen des Volkes" wäre, als solche "Fahrkünstler" auf Bewährung freizusprechen, wo sie dann alsbald wieder unter Beweis stellen können, wie "gut" sie doch ihr jeweiliges Gefährt beherrschen.
Da gehen doch Leute (länger) in den Knast, die andere um ihr Geld bringen, aber wenn es "nur" um Leib und Leben geht, wird unsere Justiz (extrem) tolerant. Eigentlich gehören schon lange mal die zugrundeliegenden Normen auf den Prüfstand gestellt (vgl. auch hier: https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/toedlicher-unfall-bei-190-km-h-auf-der-landstrasse-urteil-gesprochen-art-10368648).
Falsch, das macht man nicht und wenn man es trotzdem tut ist es kein Fehler, sondern Absicht!
aber wehe ein Bub wird mit dem Mofa erwischt wenn es 15 Km/h zu schnell fährt, dann kann er zusehen, wie er später mal den Autoführerschein bekommt und hier 3 Monate?
ich fahre seit 46 Jahren unfallfrei bis auf 2 kleine Rangierschäden. Viele Jahre davon im Außendienst mit Jahresfahrleistungen von 80000-120000km/Jahr und das immer in Eile.
Ich schätze mich als sehr versierten, erfahrenen und gefahrenbewußten Fahrer ein.
Und trotzdem gab es in diesen Jahren Situationen, auch Überholsituationen, die ich vollkommen falsch eingeschätzt habe und einen (selbstverschuldeten) Unfall gerade noch verhindern konnte.
Ja, es ist extrem tragisch, was hier passiert ist und ich möchte nicht in der Haut der Angehörigen stecken, die einen geliebten Menschen verloren haben.
Aber ich möchte auch nicht in der Haut des Angeklagten stecken, der den Tod eines Menschen und die schwere Verletzung eines weiteren Menschen verursacht hat.
Ich gehe davon aus, dass das Gericht hier mit viel Sorgfalt eine angemessene Strafe verhängt hat.
Es kann wirklich jedem von uns passieren ....
Wer hier zum Überholen ansetzt muss ein Hellseher bezüglich Gegenverkehr sein.
Und wenn das der Arbeitsweg des Unfallverursachers war, dann kennt der die Strecke auf jeden Fall und konnte das Risiko sehr wohl gut einschätzen und es war kein "Augenblicksversagen"!
Der Streckenverlauf und die Sichtachsen waren ihm ja auch bekannt.