Nicht "das ganz große Fass aufgemacht" hat Strafrichter Volker Büchs in der Verhandlung gegen zwei Migranten. Die beiden Männer, ein Vater mit seinem Sohn, mussten sich wegen Körperverletzung und Beleidigung vor dem Amtsgericht Gemünden verantworten. Gerade noch rechtzeitig einigten sich die betroffenen Parteien, sodass das Verfahren vorläufig gegen Auflagen eingestellt werden konnte.
Was die beiden Angeklagten und die zwei geladenen Zeugen zu ein und demselben Geschehen von sich gaben, hörte sich zeitweise an wie ein Märchen. So soll eine angeblich vorgesehene Geschäftsübernahme die Ursache für einen Streit zwischen mehreren Personen gewesen sein, von der aber in der Zeugenvernehmung überhaupt keine Rede mehr war. Vielmehr rückte eine Schlägerei, an der mehrere Männer beteiligt waren, in den Vordergrund.
Abgespielt hat sich die Keilerei am 21. April 2020 vor einem kleinen Lebensmittelgeschäft in Gemünden nahe dem Bahnhof. Friedlich, so seine Aussage, wollte der 46-jährige Familienvater dort einkaufen. Im Geschäft wurde er dann von einem Landsmann beschimpft und beleidigt. Auf dem Platz vor dem Laden sei er dann tätlich angegriffen worden. Daraufhin habe er seine Tochter angerufen, die – weil sie besser Deutsch spricht – die Polizei verständigen sollte. Ihm zur Hilfe seien dann auch seine beiden Söhne gekommen.
Schmerzensgeld gefordert
Dieser Darstellung widersprach einer der Zeugen. Demnach soll der Vater seine Söhne angerufen und sie bei deren Eintreffen aufgefordert haben, einen Landsmann zu verprügeln. Besonders seinen minderjährigen Sohn soll er aufgestachelt haben, da dieser "von der Justiz nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann". Während der andere Zeuge, ein geschädigter Schreiner aus Würzburg, mit einem Messer an der Lippe und mit einem Stein an der Schläfe verletzt worden sei, bestätigte der erste Zeuge, dass solche Gegenstände nicht im Einsatz gewesen seien.
Geprägt von einigem Belastungseifer war die weitere Aussage des Schreiners. Seine Verletzungen mussten damals im Krankenhaus behandelt werden. Bei der genähten Lippe behauptete er, dass die Fäden erst nach rund vier Wochen gezogen werden konnten und er heute – nach mehr als einem Jahr – noch Schmerzen habe. Über seinen Rechtsanwalt, der ihn in der Nebenklage vertrat, hat der 40-Jährige eine Zivilklage eingereicht, in der er 3000 Euro Schmerzensgeld fordert.
Das Gericht versuchte er zu beeindrucken, indem er berichtete, der Angeklagte habe in seinem Heimatland wegen Mordes eine zehnjährige Haftstrafe zu verbüßen müssen und sei von Natur aus gewalttätig. In der Verhandlung weigerte er sich auch, die Namen der Angeklagten zu nennen. Auf Nachfrage des Richters, ob er sich nicht mit seinem Kontrahenten aussöhnen könnte, weigerte er sich ziemlich hartnäckig.
Die Verhandlungspause genutzt
Um der Wahrheit über die Geschehnisse vom April 2020 näher zu kommen, hätte das von Richter Büchs "ganz große Fass" bedeutet, alle etwa zwölf Zeugen zu einem weiteren Verhandlungstermin zu hören. So nutzten der Verteidiger zusammen mit seinen Mandanten und dem Anwalt der Nebenklage eine Verhandlungspause für eine Verständigung und einen Vorschlag ans Gericht. Da nicht mehr eine gefährliche, sondern nur noch die einfache Körperverletzung im Raum stand, schlugen sie Einstellung des Verfahrens gegen die Zahlung von 2000 Euro an den Geschädigten sowie die Übernahme der Kosten des Nebenklägers vor. Dem stimmten Richter Büchs sowie die Staatsanwältin zu.