Seit inzwischen über 50 Jahren tut eine urige Mostkelter in Halsbach ihren Dienst. Die Besonderheit: Die Presse wurde einst gemeinsam von 25 bis 30 Leuten gebraucht aus Stetten gekauft und wird weiterhin genossenschaftlich betrieben. Aber die Hochzeiten der Mosttrinker sind vorbei. Weil es heuer noch dazu wenig Äpfel gibt, lief die Presse in diesem Jahr nur an zwei Tagen Mitte Oktober. Normalerweise, sagt Keltermeister Karl Riedmann, 65, ergebe eine Presse etwa 250 Liter Most, aber weil die Äpfel dieses Jahr so trocken sind, seien es nur 200 Liter.
Anton Amend, Gastwirt der "Emma's Ruh" in Halsbach, hat als Keltermeister über 30 Jahre lang die Presse bedient. "Die meisten haben früher acht Hektoliter gemacht", erzählt der inzwischen 77-Jährige. Dass jemand, wie es heute oft vorkommt, nur 100 oder 200 Liter macht, das habe es früher nicht gegeben. Seine Familie habe 30 Hektoliter, also 3000 Liter, pressen lassen. Most war einst Alltagsgetränk. "Wenn gedroschen worden ist, ist Most getrunken worden." Heute gebe es in ganz Halsbach keine zehn Mosttrinker mehr.
Allein für den Obsthof Stenger hat Amend früher zwei Tage lang von früh bis spät die Presse laufen lassen, bis der seine 30 000 Liter Saft hatte. Oft war er dabei von oben bis unten "pfötschich naoss", erzählt er. Vor drei Jahren hat Anton Amend als Keltermeister aufgehört, aber ab und zu schaut er noch nach dem Rechten und gibt seinem Nachfolger Karl Riedmann Tipps.
Ulrike und Franz Riedmann und ihr Sohn Stefan gehören zu denen, die keine große Menge Apfelsaft pressen. Dieses Jahr machen sie knapp 100 Liter. "Bei uns trinkt keiner Most", erzählen sie. Der Süßmost wird pasteurisiert und in Flaschen abgefüllt. Franz Riedmann hat aus Most auch schon Essig gemacht. Ein Teil der Äpfel wird zum Verzehr gebrochen, der restliche Ertrag ihrer rund 40 Apfelbäume wird nach Wiesenfeld zum Fuhrunternehmen Werthmann gebracht.
Zwei, die jedes Jahr zum Mostmachen nach Halsbach kommen, sind die Wiesenfelder Helmut Röder und Liebhart Zaiser. Auf dem Hänger eines Bulldogs haben sie etliche Säcke mit verschiedenen Äpfeln dabei. Für einen guten Saft mit einer angenehmen Säure seien auch Mostäpfel wichtig, erklärt Röder. Sein Kompagnon Zaiser mache deshalb eine kleine Wissenschaft aus der Auslese der richtigen Äpfel. Dieses Jahr wollen sie etwa zwei Pressen Most machen, was rund 700 Kilo Äpfeln entspricht. Röder weiß, dass das nicht mehr die Menge ist, die früher gemacht wurde. Sein Schwiegervater habe allein jedes Jahr zehn Hektoliter Most pressen lassen. "Der war rappeldürr und hat mit 90 noch die besten Blut- und Leberwerte gehabt", weiß er. Von Röders und Zaisers Süßmost wird hingegen ein Teil als Saft eingekocht.
Wie die Presse in Halsbach, die mutmaßlich aus den 50ern stammt, funktionierten früher alle Mostpressen in der Gegend. Wer Most macht, muss in Halsbach selbst mit anpacken, weil mehrere Arbeitsschritte gleichzeitig erledigt werden müssen und deshalb mehrere Leute nötig sind. Die Äpfel werden zunächst in eine Grube geschüttet, in der Wasser steht, wo sie etwas gereinigt werden. "Die Äpfel müssen schwimmen", sagt Anton Amend. Mit einer Schnecke werden sie dann nach oben in die Mühle befördert.
"Letztes Jahr hatten wir Probleme mit den großen Äpfeln", erzählt Karl Riedmann. Große Äpfel blieben einfach in der Schnecke hängen, sodass keine Äpfel mehr nach oben befördert wurden. In so einem Fall müssen die in die Grube geschütteten Äpfel mit einer Schaufel wieder herausgeholt werden, bis sich der zu große Apfel wieder löse. Obwohl die Äpfel heuer eher klein sind, musste Riedmann auch dieses Jahr mit der Schaufel ran, wenn doch einmal ein Apfel zu groß war. An der von von ihm neu gebauten Rutsche steckte deshalb ein Messer, mit dem zu große Früchte zerschnitten werden konnten, bevor sie ins Wasser kamen.
Die in der Mühle gemahlene Apfelmaische füllt Riedmann dann mit einem Helfer der mostmachenden Kundschaft in ein Presstuch, das auf ein Lattenrost in einen Rahmen auf eine der beiden Presswannen gelegt ist. Dann schlägt er das Tuch von vier Seiten her ein. Mit Pressbrettern dazwischen wird dann Tuch um Tuch übereinander aufgeschichtet, bis zu 21, 22 Lagen hoch. Man müsse ein Auge darauf haben, dass der Turm nicht krumm aufgeschichtet wird, sonst könne er beim Pressen verrutschen, sagt Altmeister Anton Amend.
Die Presse hat zwei Presswannen oder -körbe: Während auf der einen Seite der Turm entsteht, presst der Stempel auf der anderen Seite von unten mit 90 bis 95 Tonnen Kraft den letzten Tropfen aus den Äpfeln. Wenn die eine Seite fertig gepresst ist, wird das Ganze um 180 Grad gedreht, sodass die zweite Presswanne über dem Stempel ist.
Neuere Keltern funktionieren ohne Tücher, aber Helmut Röder schwört auf das Pressverfahren mit den Tüchern: "Die Äpfel werden so besser ausgepresst." Und das Beste, so ist er überzeugt, stecke gerade in den letzten Tropfen.
Der feste Trester aus den ausgepressten Tüchern wird per Hand in eine Wanne außerhalb der Kelterhalle geschleudert. Ein Jäger holt ihn sich für die Wildfütterung, erklärt Keltermeister Riedmann. Anschließend wird Schicht für Schicht ein neuer Turm aus Brettern, Tüchern und Apfelmaische aufgebaut.
Gerne wird von den Mostmachern mit einem mitgebrachten Glas am Hahn der Presswanne gleich eine Probe des rostbraunen Süßmosts genommen. Das Fazit der Halsbacher Familie Riedmann ist: "Heuer ist er nicht so süß." Helmut Röder hingegen urteilt über den von seinem Freund Liebhart Zaiser ausgetüftelten Saft: "Ah, ist der gut." Der in einem großen Bottich gesammelte Saft wird mit einer Pumpe durch Schläuche in die mitgebrachten Fässer der Kunden gefüllt.
Wurde die Presse früher von der Keltergemeinschaft betrieben, die sie sich durch eine Einlage von je 200 Mark um 1968 aus Stetten holte, hat den Betrieb inzwischen der Obst- und Gartenbauverein übernommen. Die noch lebenden 15 Mitglieder der Keltergemeinschaft zahlen je Presse ein paar Euro weniger als Nichtmitglieder. Als Keltermeister Riedmann von Amend den Dienst als Keltermeister übernahm, habe er die Presse frisch gestrichen und etwas überholt. Er ist fasziniert davon, dass die alte Hydraulikpumpe immer noch brav ihren Dienst tue. Einmal sei sie zwar überholt worden, aber ansonsten laufe sie seit inzwischen gut 60 Jahren.
Früher bekam der Keltermeister zehn Mark in der Stunde, heute sind es immerhin zehn Euro. Warum er den Dienst von Vorgänger Anton Amend übernommen hat? "Ich wollte den Anton halt nicht hängen lassen", sagt Keltermeister Karl Riedmann.
Er hofft, dass es im nächsten Jahr wieder eine bessere Ernte gibt. Hat er 2018 40 Pressen gemacht, waren es heuer nur 14. Riedmann: "Das ist gar nix." Früher, als die Leute noch Most getrunken haben, seien es 200 Pressen im Jahr gewesen. Aber nach und nach sind bäuerliche Großkonsumenten weggestorben. "Wir sind froh über jeden, der bei uns Most macht", sagt der Keltermeister deshalb.