Der Umgang des Bürgermeisters Georg Ondrasch mit den Menschen beunruhigt. In seiner Amtszeit verkommen die öffentlichen Stadtratssitzungen mehr und mehr zu Schauveranstaltungen. Von Hintergründen und Entwicklungen gerade bei besonders wichtigen Themen erfährt die Bürgerschaft meist nichts – sie wird allenfalls vor vollendete Tatsachen gestellt. Eine Reihe von Beispielen für die Geheimniskrämerei und dauernden Verstöße gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz der Bayerischen Gemeindeordnung lieferte die vergangene Stadtratssitzung.
Eine Stilfrage zunächst ist der Umstand, dass die öffentliche Sitzung wieder einmal mit erheblicher Verspätung begann. Statt wie angekündigt um 19 Uhr wurden die wartenden Zuhörer und die Pressevertreter erst um 20.20 Uhr in den Sitzungssaal eingelassen. Die vorangegangene nichtöffentliche Sitzung des Stadtrats hatte sich verzögert. Eine Erklärung oder gar eine Entschuldigung dafür gab Ondrasch nicht.
Stattdessen informierte er, er setze vier angekündigte Tagesordnungspunkte der öffentlichen Sitzung ab: Campingplatzbrücke, Stadtwerke-Satzung, Fluchttreppe an der Langenprozeltener Grundschule und neues Feuerwehrauto für Seifriedsburg. Dieses letzte Thema war dem Vernehmen nach der Hauptgrund für die Verzögerung in der nichtöffentlichen Sitzung, da von den Stadträten kontrovers diskutiert.
Warum, das erfuhr die Öffentlichkeit nicht. Ebenso gab es keine Informationen, weshalb die Entscheidung über das dringend für den Brandschutz benötigte Fahrzeug vertagt wird. Beide Seifriedsburger Feuerwehrkommandanten haben deswegen ihren Rücktritt erklärt.
Nach der Bayerischen Gemeindeordnung hätte die Vergabe des Feuerwehrautos öffentlich beraten werden müssen, da es sich nicht beispielsweise um die Offenlegung einer Kalkulation zu einem Bauauftrag handelte, sondern nur um eine einfache Auftragsvergabe nach finanziellen und technischen Gesichtspunkten.
Kurios war die Begründung des Bürgermeisters, weshalb er die Beratung über die Reparatur der Saalebrücke am Campingplatz und die Neufassung der Unternehmenssatzung für die Stadtwerke von der Tagesordnung genommen habe: Für die gesperrte Brücke gebe es jetzt Lösungsvorschläge und Kostenschätzungen, aber die (nichtöffentliche) Fraktionsvorsitzenden-Besprechung in der Woche zuvor habe ergeben, dass „noch weitere fachliche Meinungen und Angebote einzuholen“ wären. Ebenso bestehe zur Satzungsänderung „weiterer Beratungs- und Klärungsbedarf“.
Damit ist offengelegt, dass die Besprechungen des Bürgermeisters mit den sechs Fraktionsvorsitzenden, die stets den öffentlichen Ratssitzungen vorangehen, mittlerweile kleine Stadtratssitzungen sind. Die Entscheidungen dort können den 24-köpfigen Gesamtstadtrat übergehen, der sich eigenartigerweise entmündigen lässt.
Fraktionsvorsitzenden-Besprechungen gab es schon zu Zeiten von Bürgermeister Michael Schmidt und später regelmäßig von Bürgermeister Thomas Schiebel. Damals waren es Informationsrunden, gegen die grundsätzlich nichts einzuwenden ist. Heute aber dominieren diese ausgeuferten Besprechungen die Stadtratssitzungen – sie geben die Tagesordnungen und auch die Beschlussvorlagen vor. Mitarbeiter der Stadtverwaltung klagen, über Gebühr mit Änderungen von Sitzungsvorlagen belastet zu sein. Ein externes Gutachten belegt den enorm gestiegenen Papierverbrauch dafür.
Im Juni berichtete die Main-Post vom Ergebnis der Rechnungsprüfung 2008: „So hat sich unter Bürgermeister Georg Ondrasch beispielsweise der Kopienverbrauch für den Stadtrat verdoppelt, da die Sitzungsvorlagen oft geändert und dann jeweils wieder an die 24 Stadträte per Post verschickt werden. Günther Metz (CSU): ,Mir reicht's! Jeden Sonntag früh muss ich Sitzungsunterlagen austauschen.‘“
Vollends zur Farce wird eine öffentliche Stadtratssitzung, wenn darin die Zuhörer und Stadträte in Kenntnis gesetzt werden, dass die Fraktionsvorsitzenden zu einem anstehenden Vorhaben bereits Varianten diskutiert haben. So geschehen beim Thema Saalebrücke Schönau. Der Sachstandsbericht zur gesperrten Brücke fiel entsprechend knapp aus, denn: „In der Fraktionsvorsitzenden-Besprechung wurde beschlossen, dass die Anwesenheit des Ingenieurs zum jetzigen Zeitpunkt nicht nötig ist“, sagte Ondrasch. Die Stadträte hätten vielleicht Fachfragen gehabt, die Antworten hätten sicher die Schönauer interessiert.
Nach der Gemeinde- und der Geschäftsordnung hat jeder Stadtrat das Recht, zu Beginn einer nichtöffentlichen Sitzung die Verlegung eines Tagesordnungspunkts in die öffentliche Sitzung zu beantragen. Darüber muss der Bürgermeister abstimmen lassen. Es ist verwunderlich, dass die Stadträte in Gemünden darauf verzichten. Die Bevölkerung jedenfalls wüsste schon gern, wie es um den Brandschutz in Seifriedsburg bestellt ist, was es mit der Fluchttreppe an der Langenprozeltener Grundschule auf sich hat, ob und wann die Brücke am Campingplatz repariert werden kann und wie der Planungsstand für die Schönauer Brücke ist. Und sie hat ein Recht darauf!
Öffentliche Ratssitzungen
In einem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. März 2010 heißt es: „Der Grundsatz der Öffentlichkeit von Gemeinderats- bzw. Stadtratssitzungen ist in Artikel 52, Absatz 2, Satz 1 der Bayerischen Gemeindeordnung verankert. Danach sind Gemeinderats- bzw. Stadtratssitzungen öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche Einzelner entgegenstehen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit stellt einen Gesetzesverstoß dar, der nach neuerer Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Rechtswirksamkeit unter Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes zustande gekommener Beschlüsse berühren kann.“ (AZ: 4 K 09.00667)
Dr. Josef Ziegler, Vorstand der Bayerischen Verwaltungsschule München, führte im Oktober 2004 in einem Referat zu dem Thema unter anderem aus: „Bezogen auf die Entscheidungsprozesse in den Vertretungsorganen ist immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass diese – hergeleitet aus dem Demokratieprinzip – grundsätzlich öffentlich stattzufinden haben (Artikel 52 GO). Nach wie vor besteht eine vielfach zu beobachtende Neigung, allein mit dem Hinweis auf eine ungestörte Beratung oder aus Scheu vor einer kritischen Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen zu beraten und zu entscheiden. (...)
Die Rechtslage ist eindeutig: Der Regelfall ist die öffentliche Sitzung. Die Behandlung in nichtöffentlicher Sitzung ist die Ausnahme und bedarf damit der gesonderten Begründung und nicht umgekehrt. Die nicht-öffentlich zu beratenden Fälle sind Grundstücksgeschäfte, Personalangelegenheiten, Widerspruch, Stundung, Erlass).