Ein „Geburtstagsgeschenk“, auf das der Rentner gerne verzichtet hätte, holte er sich am Amtsgericht Gemünden ab. Einen Tag vor dem 81. Geburtstag verurteilte Richterin Karin Offermann den Gemündener zu einer Geldstrafe von 2100 Euro wegen Beleidigung. Seit etwa fünf Jahren hat der Akademiker eine Auseinandersetzung mit einem Finanzbeamten, den er als „unfähig“ bezeichnet.
Rentner beschäftigte das Gericht in Nürnberg und den Finanzminister
Die Auseinandersetzung zwischen dem Mann und dem Beamten aus dem Finanzamt in Lohr beschäftigte schon Bayerns Finanzminister Markus Söder und das Finanzgericht in Nürnberg. An beide hatte sich der Rentner mit einem Schreiben und einer Dienstaufsichtsbeschwerde gewandt. Darin behauptete er, dass der Finanzbeamte ständig Schutzbehauptungen aufstelle und Angaben in seiner Steuererklärung nicht anerkenne. Ferner sei der Beamte „des Rechnens unfähig“, weshalb man ihm besser „andere Aufgaben, wie das Verteilen der Hauspost oder das Reinigen der Büros übertragen“ solle.
Auch das Aussehen des Beamten, der als Zeuge und Prozessbevollmächtigter des Finanzamtes Lohr in der Verhandlung am Amtsgericht aussagte, kritisierte der Rentner in dem Schreiben. Weiter bemängelte er, dass der Mann wohl keinen Publikumsverkehr wünsche. Sein Vorschlag: Den Mann „lieber als Soldat an die Front schicken“, damit er nicht weitere Steuerzahler ärgere.
„Mein Mandant wird sich nicht äußern“, kündigte der Verteidiger an. „Es ist nicht schön, es ist lediglich Kritik und keine Beleidigung“, sagte er zu den Äußerungen des 80-jährigen Mannes. Weiter sah der Anwalt die Äußerungen durch das Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt.
Dienstbeschwerde wurde abgelehnt
Ganz anders wertete der Finanzbeamte das Schreiben. Persönlich habe er nie Kontakt mit dem Mann gehabt, erst der Leiter des Finanzamtes habe ihn über die Vorwürfe und Beleidigungen informiert. Der Beamte erklärte dem Amtsgericht, dass das Finanzgericht die Dienstaufsichtsbeschwerde abgelehnt habe und er sich von den darin gemachten Äußerungen durchaus beleidigt fühle.
„In einer Beschwerde wird es keine Nettigkeiten geben“, wollte der Verteidiger die kritischen Äußerungen seines Mandanten herunterspielen. Sein Mandant fühle sich ungerecht behandelt und warte noch auf die Erstattung von 4000 Euro vom Finanzamt.
Grenze zur Meinungsfreiheit überschritten
„Die Äußerungen sind eindeutig beleidigend“, zu diesem Ergebnis kam der Staatsanwalt am Ende der Beweisaufnahme. In seinem Plädoyer sah er die Grenze zur freien Meinungsäußerung deutlich überschritten. Allerdings sprach er sich für eine Reduzierung der Tagessatzhöhe aus einem Strafbefehl aus. Auf Freispruch plädierte dagegen der Verteidiger des Angeklagten.
Richterin Offermann schloss sich dem nicht an. In ihrer Urteilsbegründung kam sie zu der Überzeugung, dass der Angeklagte die „Ebene der freien Meinungsäußerung verlassen hat“. Sie betonte, dass die Arbeit von Reinigungskräften und Büroboten ehrenwerte Tätigkeiten seien, im Zusammenhang mit den Aufgaben eines Finanzbeamten, dem sie übertragen werden sollten, stellten sie eine Beleidigung dar. Diese gipfele in der Empfehlung, der „taugt nur dazu, als Soldat an der Front verheizt zu werden“, erklärte die Richterin.