Um den Opfern des Nationalsozialismus zu gedenken und bewusst zu machen, was Anderssein heute bedeutet, hat der „Arbeitskreis Karlstadter Schulen“ am 27. Januar einen Gedenkgottesdienst und einen Schweigemarsch zum Ehrenhain veranstaltet. Die Aktion, an der Schüler des Karlstadter Gymnasiums und der Real-, Mittel- und Förderschule teilgenommen haben, ist Teil des Projekts „Schule ohne Rassismus – Schulen mit Courage“.
An den verschiedenen Stationen – St. Andreas, historisches Rathaus, ehemaliger jüdischer Betsaal und Ehrenhain – haben Schüler Theatersketche und selbst geschriebene Texte zum Thema Nationalsozialismus und Anderssein heute vorgetragen.
Genau vor 71 Jahren, am 27. Januar 1945, wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau von der Roten Armee befreit. Seit 1996 ist der 27. Januar in Deutschland, seit 2005 internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.
In den Wochen um dieses Datum hat der Arbeitskreis verschiedene Aktionen organisiert, um einen „Gegenpol zur Gefahr des Vergessens“ zu schaffen; neben dem Schweigemarsch etwa die Aufführung von „Elly und Ingo“ des Regensburger Theaters in der Gerbergasse, Vorträge und Filmseminare, die die Schüler besuchen.
Auftakt des Projekts war am Dienstag die Eröffnung der Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ in der Konrad-von-Querfurt Mittelschule in Karlstadt.
„Wir halten es gerade jetzt für notwendig, an die Opfer des NSU zu erinnern“, sagte Josef Grodel, Konrektor der Mittelschule und Sprecher des Arbeitskreises, in seiner Begrüßung. „Jegliche Menschenrechtsverletzung ist für uns nicht akzeptabel.“
Harald Schneider, stellvertretender Landrat, stimmte ihm in seiner Ansprache zu: „Terror – egal von welcher Seite – ist verabscheuungswürdig. Wir müssen daran erinnern, was das Trio in unserer Gesellschaft angerichtet hat, um nie wieder den Boden für Rassenideologien zu ebnen.“
Kriminalisierung der Opfer
„Es gibt in Deutschland die Tendenz, rechten Terror klein zu reden“, sagt Birgit Mair, Ausstellungsmacherin und Referentin, in ihrem Vortrag. „Obwohl mehrfach Zeugen ausgesagt hatten, sie hätten einen nicht-dunkelhäutigen Verdächtigen gesehen, wurden jahrelang die vom NSU Ermordeten und ihre Familien der Kriminalität verdächtigt.“
Das sei für die Angehörigen der Opfer mit das Schlimmste gewesen. „Ganze Familien haben sich daran zerstritten, dass sie zu Unrecht als kriminell abgestempelt wurden“, so Mair. Das Besondere an der von ihr konzipierten Ausstellung: Sie legt den Fokus auf die Opfer statt auf die Täter und zeigt ihre persönliche Seite. „Die wenigsten von ihnen waren Döner-Verkäufer“, sagt Birgit Mair, „das war für mich überraschend, war doch immer die Rede von den 'Döner-Morden'.“
Mit Kurzbiografien und Privatfotos stellt sie in Ausstellung und Vortrag die zehn Menschen vor, die der NSU in den Jahren von 2000 bis 2007 ermordete, jeder auf einer eigenen Tafel: Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Mehmet Turgut, Habil Kilic, Ismail Yasar, Mehmet Kubasik, Theodoros Boulgarides, Halit Yozgat und Michele Kiesewetter.
Die Einblicke in das Privatleben machen sie zu mehr als bloßen Namen von Opfern; es wird eine Nähe hergestellt, die die Ermordungen umso grausamer erscheinen lässt.
Auch die beiden Bombenanschläge in Köln und die Banküberfälle des NSU, bei denen viele Menschen teils lebensbedrohlich verletzt wurden, sind Thema sowie gesellschaftliche Hintergründe, die Neonaziszene der 90er Jahre, das Netzwerk des NSU, die polizeilichen Ermittlungen und die gesellschaftliche Aufarbeitung nach Auffliegen der rechten Terrorgruppe.
Führungen möglich
Die Konrad-von-Querfurt Mittelschule in Karlstadt zeigt in Kooperation mit der Regionalkoordination Unterfranken der „Schulen ohne Rassismus – Schulen mit Courage" und der Volkshochschule Karlstadt die Wanderausstellung als insgesamt 89. Ort seit ihrer Premiere im November 2013. Die Mittelschule Karlstadt kann außerhalb der Schulzeiten begrenzt Führungen vermitteln. Interessierte können sich an Josef Grodel wenden.