Die rund 160 Bewohner der SOS-Dorfgemeinschaft Hohenroth werden älter, zwei Drittel leben seit mehr als 20 Jahren hier. Irgendwann können sie nicht mehr im Café, in der Kerzenwerkstatt, im Kuhstall oder in der Schreinerei mitarbeiten, haben womöglich Probleme beim Gehen. Die Häuser, in denen sie momentan wohnen, sind nicht barrierefrei und das Hauselternmodell in Hohenroth nicht auf den Unterstützungsbedarf Älterer ausgelegt. Um diesen Menschen mit Behinderung den Verbleib in Hohenroth zu ermöglichen, entsteht dort gerade für sechs Millionen Euro ein neues Gebäude mit 24 Wohnplätzen für ältere Menschen mit Behinderung sowie Räumen zur Beschäftigung.
Aber mit dem neuen Gebäude wird die Zahl der Betreuten in Hohenroth nicht steigen. Die Behindertenpolitik der bayerischen Staatsregierung gehe in Richtung Dezentralisierung, erklärt auf Anfrage Marlene Rathgeber, stellvertretende Pressesprecherin der Regierung von Unterfranken. Die Regierung hat den Förderantrag des SOS-Kinderdorfvereins für das Sozialministerium geprüft. "Eine Voraussetzung der Förderung ist, dass am Standort keine zusätzlichen Plätze geschaffen werden", so Rathgeber. An den sechs Millionen Euro Baukosten beteiligt sich neben dem bayerischen Sozialministerium mit 3,7 Millionen auch der Bezirk Unterfranken mit gut 600 000 Euro.
Der 58-jährige Klaus Alex, seit 38 Jahren Bewohner in Hohenroth, war einer der Ideengeber für das Gebäude. Im Herbst 2016 war die Geschäftsführerin der SOS-Kinderdörfer, Birgit Lambertz, zu Besuch in Hohenroth und traf sich dabei auch mit den Bewohnern. Alex, der aus Cloppenburg in Niedersachsen stammt und als junger Mann in Hohenroth als Melker angefangen hat, sagte auf die Frage der Geschäftsführerin nach Wünschen: "Wir sind in Hohenroth zu Hause und wollen hier auch alt werden." So schildern es Bewohner Alex und Margret Grottenthaler, die Bereichsleiterin Wohnen in Hohenroth.
An der Stelle des oberen Kuhstalls
Um Platz für das neue, zweistöckige Gebäude mit 2550 Quadratmeter Fläche zu schaffen, wurde im November der seit einigen Jahren leer stehende obere Kuhstall in der Mitte der Dorfgemeinschaft abgerissen. Am 11. März war Baubeginn, die Fertigstellung ist 2020/21 geplant. Im neuen Gebäude, das eine Holzfassade und ein Satteldach bekommt, sollen zwei Wohnbereiche mit je zwölf Einzelzimmern entstehen, jeder Wohnbereich wird noch einmal in zwei Wohngruppen untergliedert. 16 der Zimmer sollen barrierefrei und acht rollstuhlgerecht sein.
Grottenthaler betont jedoch: "Es wird kein Pflegeheim." Intensivpflege könnten die Angestellten der Dorfgemeinschaft nicht leisten. Brauche ein älterer Bewohner der Dorfgemeinschaft Intensivpflege, müsse er in ein Altenheim ziehen. Für das neue Haus mit dem vorläufigen Namen "neues Zentrum" würden keine Altenpfleger eingestellt, sondern das bisherige Personal aus Heilerziehungspflegern und pädagogischen Kräften werde sich dort um die Bewohner kümmern.
Neben den Wohnbereichen entsteht auch ein Bereich für die Tagesstrukturierung, wo für die Bewohner des neuen Gebäudes, aber auch für andere ältere Hohenrother, die noch in den einzelnen Häusern leben, Beschäftigung und Therapie angeboten werden sollen. Im Haus soll zudem ein Pflegebad gebaut werden
Das neue Haus hilft der SOS-Dorfgemeinschaft auch dabei, die 2011 in Kraft getretene Ausführungsverordnung zum bayerischen Pflege- und Wohnqualitätsgesetz umzusetzen, wonach 75 Prozent der Zimmer Einzelzimmer sein müssen. So werden in Hohenroth bereits seit einigen Jahren Doppelzimmer aufgelöst.
Haus Burgsinn zieht um
Bislang gab es für sieben ältere Bewohner seit 2012 ein Haus in Burgsinn, die "Villa Adelmann" im Eigentum der SOS-Dorfgemeinschaft. Die Hausgemeinschaft soll aufgelöst werden und die Bewohner sollen in das neue Gebäude in Hohenroth umziehen. Der Neubau für die älteren Hohenrother mit Behinderung sei eigentlich "gegen den Trend", sagt Margret Grottenthaler. Der gehe nämlich in Richtung Inklusion, dahin, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammenleben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen können.
Aber die Bewohner der Dorfgemeinschaft haben auch ein Recht auf Selbstbestimmung und ihr Wunsch sei, in Hohenroth bleiben zu dürfen. Bewohner Klaus Alex, der seit Jahren im Café als Mädchen für alles arbeitet, drückt es so aus: "Ich geh hier nicht weg."