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Lohr
Gefangen im Fahrstuhl: Ehepaar steckte 50 Minuten in Lohrer Aufzug fest
Wenn der Notruf ohne Folgen bleibt: Ein älteres Ehepaar steckte im Neubau auf dem Lohrer Brauereiareal rund 50 Minuten in einem Aufzug fest, ohne dass jemand vor Ort es bemerkte.
Foto: Johannes Ungemach | Wenn der Notruf ohne Folgen bleibt: Ein älteres Ehepaar steckte im Neubau auf dem Lohrer Brauereiareal rund 50 Minuten in einem Aufzug fest, ohne dass jemand vor Ort es bemerkte.
Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 13.02.2024 15:32 Uhr

Gefangen in einem Fahrstuhl, der sich weder hoch noch runter bewegt – diese Situation war schon Schlüsselszene so manchen Films. In Lohr indes gab es einen solchen Vorfall vor wenigen Tagen im echten Leben. Ein älteres Ehepaar, 78 und 67 Jahre alt, steckte über längere Zeit in einem Aufzug im Neubau auf dem ehemaligen Brauereiareal fest. Zig Not- und Hilferufe, die offenbar an eine ferne Hotline weitergeleitet wurden, liefen ins Leere. Im Gebäude selbst bemerkte niemand etwas von der Misere. Erst nach rund 50 Minuten rückte die kurz zuvor alarmierte Lohrer Feuerwehr an und befreite das Ehepaar binnen weniger Minuten. Die Verantwortlichen äußern im Nachgang ihr Bedauern. Die genauen Hintergründe der verzögerten Befreiung sind jedoch bis heute im Unklaren.

Auf dem Weg in die Tiefgarage

Das Verhängnis nahm am Dienstag vergangener Woche kurz nach 12.55 Uhr seinen Lauf. Nach einem Arztbesuch kaufte das Ehepaar noch ein paar Kleinigkeiten im Rewe-Markt. Mit dem Aufzug im Eingangsbereich des Marktes sollte es danach hinunter in die Tiefgarage gehen. Wie die Frau gegenüber der Redaktion schildert, benutzt ihr Mann eigentlich nur ungern Aufzüge. Grund: Platzangst. An diesem Tag jedoch sei er ihr, die Probleme mit einem Fuß und Bluthochdruck hat, einfach gefolgt.

Kurzer Ruck, dann Stillstand

Nachdem sich die Türen geschlossen hatten, habe es einen kurzen Ruck gegeben. Danach sei nichts mehr gegangen, schildert das Ehepaar. In der Annahme, dass der Notruf im örtlichen Markt aufschlägt, drückte der Mann den Notrufknopf im Aufzug. Es habe sich eine Frau gemeldet, die nur gebrochen Deutsch gesprochen habe, schildert der 78-Jährige. Die Frau ergänzt, dass überdies auch die technische Verbindung so schlecht gewesen sei, dass man kaum etwas verstanden habe. Dennoch ging das Ehepaar zunächst davon aus, dass nun gleich Hilfe kommen würde. Doch nichts geschah. In der Folge habe er mehrfach erneut die Notruftaste gedrückt, sagt der Mann. Immer wieder habe sich die gleiche Stimme gemeldet. Sie habe erklärt, dass man sich kümmere und darum gebeten, von weiteren Notrufen abzusehen. Doch geschehen sei nichts.

Schläge gegen die Tür blieben ungehört

Nach einiger Zeit sei er laut geworden, schildert der Mann, dass ab einem gewissen Punkt die Nerven blank lagen. Er habe dann von innen gegen die Tür geschlagen. Doch während das Ehepaar in der Kabine die Fahrgeräusche des benachbarten Aufzugs hören konnte, wollte oder konnte niemand die Versuche des Paares hören, auf sich und seine Lage aufmerksam zu machen.

Schließlich habe er den Notrufknopf eine ganze Minute lang gedrückt, berichtet der 78-Jährige weiter. Irgendwann habe sich dann ein Mann gemeldet und gesagt, dass man an dem Fall dran sei. Doch es vergingen insgesamt rund 50 Minuten, bis die Lohrer Feuerwehr die Türe des Aufzugs von außen aufschob. In diesem Moment sei sie unheimlich erleichtert gewesen, schildert die 67-Jährige.

Feuerwehr spät alarmiert

Einsatzleiter der Feuerwehr war deren Kommandant Sebastian Mademann. Auch er zeigt sich im Telefonat mit der Redaktion verwundert darüber, dass das Ehepaar so lange im Aufzug festsaß. "Ich kann das Unverständnis verstehen", so der 35-Jährige. Die Feuerwehr sei nur sechseinhalb Minuten nach der Alarmierung durch die Rettungsleitstelle in Würzburg vor Ort gewesen. Nachdem man den betreffenden Fahrstuhl in dem Gebäude ausfindig gemacht habe, habe man die Türen mit einem Vierkantschlüssel entsperren und öffnen können.

Dass jemand so lange unbemerkt in einem Aufzug gefangen ist, "sollte nicht sein", sagt Mademann. Schließlich könne eine solche Situation auch schnell dramatische Ausmaße annehmen, "beispielsweise wenn jemand psychisch nicht gefestigt ist, in Panik gerät oder hyperventiliert". So weit kam es im Fall des älteren Ehepaares nicht. Allerdings schütteln der 78-Jährige und die 67-Jährige auch eine Woche später noch den Kopf über die Abläufe. Weniger deshalb, weil es im Nachgang von den Verantwortlichen keinerlei direkte Äußerung des Bedauerns gegeben habe. Was das Ehepaar viel mehr umtreibt, ist die Frage, wie die Sache hätte enden können, wenn es in der Situation einen medizinischen Notfall gegeben hätte.

Dutzende Aufzüge in Lohr

Sebastian Mademann erklärt, dass es nichts Ungewöhnliches sei, dass Notrufe aus Aufzügen bei nicht vor Ort angesiedelten Hotlines externer Dienstleister landen. In Lohr gebe es mehrere Dutzend Aufzüge. Dass die Feuerwehr Menschen daraus befreien müsse, komme jedoch eher selten vor, vielleicht alle zwei Jahre mal, sagt Mademann. In dem Neubau auf dem ehemaligen Brauereiareal sei die Feuerwehr nun jedoch zum ersten Mal wegen eines Aufzugs im Einsatz gewesen.

Die Tatsache, dass es vom bei der Hotline eingehenden Notruf bis zur Alarmierung der Feuerwehr so lange gedauert hat, kommentiert Mademann so: "Der billigste Anbieter ist nicht immer der beste." Patrick Wartha, der Leiter des Rewe-Marktes, erklärt zum Fall des im Fahrstuhl gefangenen Ehepaares, von dem gesamten Vorfall bis zum Eintreffen der Feuerwehr gar nichts mitbekommen zu haben. Er und die Rewe-Pressestelle bedauern die dem Ehepaar entstandenen Unannehmlichkeiten gegenüber der Redaktion. Allerdings sei man nur Mieter des Gebäudes, habe mit der Funktionstüchtigkeit der Aufzüge und dem Umgang mit Störungen also nichts zu tun.

Investor verweist auf Wartungsfirma und umgekehrt

Die Hamburger Captiva Investment Management GmbH, die den erst 2021 eröffneten Gebäudekomplex gekauft hat, teilt auf Anfrage mit, dass man den Zwischenfall "sehr bedauerlich" finde. Das Unternehmen weist jedoch darauf hin, dass das Gebäude neuwertig und "mit modernsten Standards" ausgestattet sei. Es werde regelmäßig gewartet. Um eine Wiederholung zu verhindern, habe man bereits mit der Wartungsfirma Kontakt aufgenommen. "Einen Einfluss auf deren Personalpolitik haben wir jedoch nicht", sieht man bei Captiva offenbar wenig Einflussmöglichkeit.

Die nach Aussage des Rewe-Marktleiters mit der Wartung und Betreuung des Aufzugs betraute Bielefelder Goldbeck GmbH ließ auf Anfrage der Redaktion wissen, dass man zu Ursachen und Hintergründen "keine Stellungnahme abgeben kann". Das Unternehmen verwies stattdessen auf die Captiva GmbH, die freilich ihrerseits zuvor hatte verlauten lassen, kaum Einflussmöglichkeiten auf die mit der Wartung der Aufzüge betrauten Firma zu haben.

 
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Kommentare
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  • Oreus
    Eigentlich ist das doch ganz einfach:
    Es gibt eine sogenannte Betreiberverantwortung, der nachgekommen werden muss.
    So ein Aufzug muss alle zwei Jahre geprüft werden (z.B. durch den TÜV).
    Viele Firmen lagern den Betrieb so einer Aufzugsanlage aus Kostengründen jedoch an irgendwelche dubiose Drittanbieter aus. Und da kann es durchaus auch mal passieren, dass man in Ober-Hüchtelstücht im Aufzug auf den Notruf-Knopf drückt, und mit einem Call-Center-Anbieter in Indien verbunden wird, der nebenbei auch noch ganz andere Themen, wie z.B. Telefonanlagenstörungen, bearbeiten muss. Dort sitzt kein Sachverstand, sondern nur jemand, der telefonieren kann. Aber es ist halt billig!
    Daher sollten diese gesetzlichen Prüfungen nicht angekündigt werden, und bei jeder Prüfung auch das Notruf-Verhalten getestet werden. Ist die Reaktion nicht angemessen (Was es im geschilderten Fall absolut nicht war), ist in meinen Augen die Betriebserlaubnis für den Aufzug zu entziehen.
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  • Funkenstern
    Die Aufzugsbauer haben jeden Drittanbieter aufgrund ihrer Lobbyarbeit vom Markt gedrängt und machen ihre eigenen Homeofficeleitstellen mit eigener(!) Zertifizierung und der Gesetzgeber lässt sich das gefallen.
    Wieder ein Fall für Armes Deutschland.
    Jeder Lobbyist drückt sich durch das Raster
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  • ToDietz@web.de
    Nachrichten auf die die Welt gewartet hat. War die MP hier etwa schneller als die B...-Zeitung?
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